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Digital In Arbeit

Von der Emanzipation hin zur Integration

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In Österreich gibt es zur Zeit rund 1,1 Millionen berufstätige Frauen, von denen 30 Prozent Arbeiterinnen sind. 45 Prozent davon haben Kinder unter 15 Jahren zu betreuen. Es gibt keine Statistik, die darüber Auskunft gibt, wieviele dieser Frauen nur aus finanzieller Notwendigkeit am Fließband stehen, wieviele von ihnen tatsächlich die wirtschaftliche Freiheit hatten, zwischen Berufstätigkeit und Erziehung der eigenen Kinder zu wählen.

Aber nicht nur der Zwang zum Erwerb, auch der Wunsch nach Verwirklichung in Beruf und Gesellschaft bringt die Frau mit ihrer

Mutterrolle in Konflikt. Trotzdem wird das Recht auf Arbeit auch für die Frau von niemand mehr bestritten.

Wohl aber wird von linker Seite bereits das Recht der Frau in Frage gestellt, sich ausschließlich der Haushaltsführung und der Kindererziehung zu widmen. Eine der absonderlichen Irrwege sozialistischer Ideologie schwedischer Prägung: ein neuer Rollenzwang anstelle des alten.

Aber man sollte nicht der Frau allein die Schuld an der veränderten Situation unserer Familien geben. Ich sehe eine zweite Komponente, die ich das „Versagen des Mannes“ nennen möchte.

Wir leben in einer vaterlosen Gesellschaft, in der der Vater den Kindern seine fehlende Erziehungsleistung durch die Bereitstellung immer neuer Konsumgüter abgilt. Die berufsbedingte mangelnde Zuwendung zu den Kindern — von der Frau als solche empfunden und mit einem schlechten Gewissen quittiert — wird dem

Mann von der Gesellschaft als Tugend gestattet.

Mann und Frau haben in den Jahrzehnten ihren Kampf um Positionen innerhalb und außerhalb der Familie ganz eindeutig auf dem Rücken der Kinder ausgetragen.

Zurück bleibt das Kind!

Linke Futurologen gehen noch einen Schritt weiter: Sie prophezeien eine Entwicklung, die von der Substanz unserer Familien nichts mehr überlassen wird. Nach Meinung der Futurologen erfordert die superindustrialisierte Gesellschaft, auf die wir unweigerlich zusteuern, eine noch größere Mobilität des Menschen. Viele werden daher in

Zukunft überhaupt kinderlos bleiben.

Die Anthropologin Margaret Mead ist der Meinung, daß wir uns unter Umständen einer Gesellschaftsordnung nähern, in der - wie sie es ausdrückt - Elternschaft auf eine kleinere Zahl von Famüien be-

schränkt sein wird, deren Hauptfunktion im Aufziehen von Kindern besteht, während die übrigen Menschen zum erstenmal in der Geschichte als freie Individuen funktionieren.

Profi-Eltern also, Gruppenehen verschiedenster Formen, polygame Ehen und Ehen auf Zeit beweisen die Zukunftsvisionen europäischer und amerikanischer Futurologen.

Ich glaube, es gibt keine Entwicklung, der der Mensch hilflos ausgeliefert wäre, der Mensch hat immer die Möglichkeit zum Eingreifen.

Die Zukunft, wie immer die Futurologen sie uns schildern mögen, liegt noch in unserer Hand. Wir treten der Zukunft nicht unvorbereitet entgegen. Wir kennen die Probleme der Frauen und wissen sie sehr wohl zu lösen.

Wir haben das Teüzeitbeschäfti- gungsgesetz gegen den heftigen Widerstand der Sozialisten im Parlament durchgesetzt, und wir haben den Unterhaltsanspruch des haushaltsführenden Ehegatten durchgesetzt.

Die weiteren Vorschläge:

• Auch den finanziell schwächer gestellten Frauen ein Zu-Hause- Bleiben beim Kind zu ermöglichen.

• Hilfestellung für alle berufstätigen Frauen, auch für die Selbständigen und für die bisherigen Stiefkinder unseres Wohlfahrtsstaates - die Bäuerinnen.

• Man sollte der berufstätigen Frau eine Unterbrechung des Berufes im Interesse der Kinder so attraktiv wie möglich machen.

• Wir sollten den jungen Ehen helfen, in denen der Mann noch in Ausbildung steht und daher die Mifversicherung des Mänhes bei der berufstätigen Frau verwirklichen.

• Aufwertung der Arbeit der Hausfrau und Mutter.

• Stärkung des Rechtes der Frau auf Berufstätigkeit durch Gleitzeiten, soziale Dienste, Famüienhilfe, Tagesmütter, Kindergärten, Tagesheimschulen.

• Förderung von familienbeding- ten Berufsunterbrechungen durch ein spezielles Weiterbüdungspro- gramm, durch Schulungsmöglichkeiten und durch die Schaffung von Teilzeitbeschäftigungsplätzen.

• Jede nur mögliche Hilfe beim Wiedereintritt in das Berufsleben durch umfassende Information, ein differenziertes Umschulungsprogramm und großzügige finanzielle Unterstützung.

Aber all diese Bemühungen werden fruchtlos sein, wenn wir nicht endlich davon abgehen, die Frauenfrage isoliert zu betrachten. Wir sollten sie als gesamtgesellschaftliche Herausforderung begreifen.

Als eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die vom Mann eine sehr wesentliche Änderung seines bisherigen Rollenverständnisses und damit eine Veränderung seines bisherigen Rollenverhaltens verlangen wird.

Das aber erfordert eine Rückkehr des Mannes in die Famüie, in der Partnerschaft nicht eine vom Gesetz verordnete Utopie, sondern gelebte Wirklichkeit sein muß.

Und solange der Mann nicht seinen Part, seine neue Aufgabe in der Familie übernimmt, wird alles Gerede über Emanzipation Lüge sein.

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