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Von der Erfahrung Gottes

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Das Wort Blaise Pascals vom „Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs, nicht der Philosophen und Gelehrten“ hat in der Gegenwart eine gewisse Bedeutung erlangt, da sich an ihm die Geister in einer allerdings nicht gerade glücklichen Weise scheiden. Wenn sich nämlich für die einen das Genuine unserer Gotteserfahrung, die angeblich schon immer die Vernunft hinter sich gelassen hat, darin ausspricht, so ist dieses Wort für die anderen hinwieder ein Ärgernis, weil für sie Gott anscheinend „bloß“ eine Sache der Vernunft zu sein scheint.

Sieht man jedoch von dieser unhaltbaren Alternative ab, dann vermag uns das Wort Pascals durchaus einen Hinweis darauf zu geben, worum es bei der Erfahrung Gottes geht.

Der Hinweis, den wir ihm entnehmen können, meint die wohl kaum zu widerlegende Einsicht, daß wir an die Wirklichkeit Gottes tatsächlich niemals in bloß theoretischer Weise herankommen können. Gott ist eben nicht von der Art des Wirklichen, das in theoretischer Intention zur Erfahrung zu bringen ist. Das ist aber keineswegs ein Mangel, wenn man nur bedenkt, daß es außer unseren theoretischen Erfahrungen, die wir machen, noch Erfahrungen von ganz anderer Art gibt, die nicht nur nicht den theoretischen an Dignität nachstehen, sondern sogar noch insofern wesentlicher sind, als in ihnen der Sinn des menschlichen Daseins zur Entscheidung steht.

Es sind dies die praktischen Erfahrungen des Menschen: jene Erfahrungen also, die wir im Zuge unserer freiheitlichen Daseinsführung machen. Und zu diesen praktischen Er fahrungen gehört eben auch die religiöse Erfahrung der Menschheit, in die sich hineinzustellen und von ihr sich bestimmen zu lassen darum gerade vernünftig ist, weil nur von ihr her eine letzte und unbedingte Sinngebung unseres menschlichen Daseins zu erwarten ist.

Die religiöse Erfahrung der Menschheit kann aber nicht bloß als Ausdruck des subjektiven Bewußtseins angesehen werden. Diese Sicht der Dinge, wie sie etwa der religionspsychologischen Vorgangsweise entspricht, wäre zuwenig. Wollte man die religiöse Erfahrung so begreifen, hätte man sie in ihrem Wirklichkeitssinn bereits verkürzt, versteht sie sich doch nicht nur von der subjektiven Seite her, d. h. bloß als Fragen des Menschen nach Gott, sondern immer auch schon von da her, daß Gott sich den Menschen geoffenbart hat.

Wo religiöse Erfahrung in der einen oder anderen Gestalt - repräsentiert durch die verschiedenen Religionen - wirklich ist, dort ist das menschliche Fragen und die Offenbarung Gottes als die Antwort darauf bereits zusammengekommen. Das macht ja das Spezifische der religiösen Erfah rung aus, wodurch sie von allen andersgearteten menschlichen Erfahrungen unterschieden ist.

Wenn wir so sprechen, haben wir damit noch keinesfalls die Offenbarung Gottes im Blick, von der in besonderer Weise der christliche Glaube spricht. Es soll vielmehr generell verstanden werden: Jede ausgeprägte religiöse Erfahrung, die von den Menschen im Laufe ihrer Geschichte gemacht wurde, ist stets mehr als nur „Menschenwerk“; es ist in ihr dem jeweiligen Bewußtseinsstand der Menschheit entsprechend Offenbarung Gottes gegeben.

Diese zunächst aber noch gleichsam anonyme Offenbarung Gottes wird in der religiösen Erfahrung der Menschheit Überboten, wo Menschen das ausdrückliche Heilshandeln Gottes erfahren. Hier tritt die Offenbarung Gottes, wie sie irgendwie allen Religionen zugrunde liegt, in ihr entscheidendes Stadium. Die menschliche Geschichte wird nun zur Heilsgeschichte im engeren und eigentlichen Sinn.

Dies geschieht in Israel. Freilich kommt auch die Offenbarung Gottes auch hier noch nicht zum Abschluß. Den Abschluß im Sinne der Vollendung der Offenbarung Gottes bildet jenes Ereignis, in dem Gott selbst Mensch wird und durch den Kreuzestod die Versöhnung des menschlichen Daseins dadurch endgültig macht, daß Sünde, Tod und Unsinn der Geschichte zuletzt als überwunden gelten müssen:

Aus der Auferstehung Jesu erwächst der Menschheit die Vergebung der Sünden, die Verheißung der individuellen Auferstehung und die Hoffnung auf den „neuen Himmel und die neue Erde“.

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