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Von der Lehre an die Uni

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Von der Lehre an die Uni: Ab Herbst dieses Jahres gibt es die neuen Fachakademien der Wirt-schaftsförderungsinstitute der Handelskammern. Damit kommt eine neue Dimension in das österreichische Ausbildungssystem. Absolventen einer Lehre werden endlich auch neue Perspektiven aus ihrer beruflichen Sackgasse eröffnet.

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Von der Lehre an die Uni: Ab Herbst dieses Jahres gibt es die neuen Fachakademien der Wirt-schaftsförderungsinstitute der Handelskammern. Damit kommt eine neue Dimension in das österreichische Ausbildungssystem. Absolventen einer Lehre werden endlich auch neue Perspektiven aus ihrer beruflichen Sackgasse eröffnet.

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Ein Unternehmen ist so gut wie seine Mitarbeiter. An qualifizierten Arbeitskräften - und hier im besonderen an Facharbeitern - besteht akuter Mangel. Ein Faktum, auf das seitens der Wirtschaft immer wieder hingewiesen wird. Befürchtungen werden laut, auf dem großen Europäischen Markt ins Hintertreffen zu geraten, wenn dieses Personal fehle; Innovationspotentiale könnten nicht ausgeschöpft werden und auch Modernisierungsstrategien müßten unterbleiben.

Gründe genug, um nach praxisbezogenen, bedarfsorientierten Ausbildungsformen zu suchen. Anregungen dazu lieferte eine von den Sozialpartnern in Auftrag gegebene Studie „Qualifikation 2000" des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen aus dem Jahr 1989, die größere Flexibilität im Bildungswesen und die Schaffung neuer, aktueller Ausbildungsgänge forderte.

Über ein Jahr dauerte die Konzeptphase, an der WIFI-Experten und Berater aus der Wirtschaft mitwirkten. Das Ergebnis präsentiert sich nun mit den WIFI-Fachakademien. Von der Organisation und den Bildungsinhalten her sprechen die Fachakade-

mien gezielt Lehrabsolventen, aber auch jene an, die Fachschulen besuchten. Als weitere Teilnehmer kommen in Frage: Absolventen spezieller WIFI-Lehrgänge, Wiederein-steiger mit Zugangsvoraussetzungen, beziehungsweise jene, die sich in der Praxis profundes Vorwissen angeeignet haben. Ein Einstiegsgespräch, verbunden mit einem Test, der das Vorwissen „abcheckt", entscheidet über die Aufnahme in die Akademie.

Die sechssemestrige Ausbildung, die neben einer vollen Berufstätigkeit abläuft, vermittelt umfassendes Fachwissen - aufbauend auf das berufspraktische Wissen aus der Lehre -Wirtschaftskenntnisse, höhere Allgemeinbildung. Alles in allem will die Akademie hochqualifiziertes Personal ausbilden, das fähig ist, eigenständige Verantwortung im mittleren Management zu übernehmen. „Der Management-Bereich wird daher im Lehrangebot nicht zu kurz kommen", meint Herwig Schmidbauer, Leiter der Gruppe „Berufliche Weiterbildung" im Wirtschaftsförderungsinsti-tut der Bundeskammer, denn „die Fachakademien werden den Teilnehmern das benötigte Wissen in betriebswirtschaftlichen Belangen, den richtigen Einsatz der EDV und die rechtlichen Grundlagen der jeweiligen Fachrichtung ebenso vermitteln, wie Persönlichkeitsbildung, Mitarbeitermotivation oder Führungsmethoden".

Berechtigung zum Studium

Als i-Tüpfelchen wird die Vorbereitung auf die „Studienberechtigungsprüfung" angebote, deren Ablegung ein Studium im entsprechenden Fach an der Hochschule oder der Universität ermöglicht. Die „Sackgasse Lehre" wird damit in eine völlig neue Richtung geöffnet, was der Lehrlingsausbildung neue Attraktivität verleiht.

Die Fachakademien der Wirt-schaftsförderungsinstitute starten im Herbst 1991 bundesweit vorerst mit 36 Fachakademien in zehn Fachrichtungen: Handel, Angewandte Informatik, Rechnungswesen, Marketing, Automatisierungstechnik, Fertigungstechnik, Hochbau, Innenausbau-Raumgestaltung, Umweltschutz und Industrielle Elektronik (siehe Graphik).

Die Teilnehmerzahl ist pro Fachrichtung mit 25 Personen begrenzt. Auch das Schulgeld ist nicht gerade billig. Pro Semester müssen je nach Fach 12.000 bis 18.000 Schilling hingeblättert werden. Doch daran soll der Wille am Vorwärtskommen nicht scheitern. Die Arbeitsämter stellen aus Mitteln der Arbeitsmarktverwaltung, unter dem Titel „Förderung zur

Schulung von Beschäftigten", einen Zuschuß bis zu 50 Prozent der Studiengebühren zur Verfügung. Ein Anspruch auf Förderung kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden.

Primäres Interesse an gut ausgebildeten, hochqualifizierten Arbeitskräften hat die Wirtschaft. So liegt auch der Gedanke nahe, durch finanzielle Unterstützung lernwilliger Fachkräfte, sich die besten Mitarbeiter zu sichern. In diese Kerbe schlägt auch ein in Ausarbeitung begriffenes Förderungsmodell der Handelskammern, das Unterstützungen für Begabte aus Kammermitteln vorsieht.

Wer die Bereitschaft mitbringt, an vier Abenden in der Woche je drei Stunden die Schulbank zu drücken, braucht sich um seine berufliche Karriere nicht mehr sorgen. Und auch wenn das Diplom als „Fachwirt" oder „Fachtechniker" nicht erreicht werden sollte, ist die Zeit nicht verloren. Nach einzelnen Ausbildungsabschnitten können Prüfungen für Fachzeugnisse abgelegt werden, mit denen die erreichte Qualifikation bescheinigt wird.

Und noch etwas. Die Fachakademien sind keine Schulen, sondern eine neue Form der Berufserweiterung für Praktiker. Man lernt gemeinsam mit Fachkollegen, auf eine Art, wie sie erwachsenen Berufstätigen entspricht: also vor allem in Seminaren, bei Projektarbeiten, im praktischen Training, im Teamwork. Die Abschlußprüfung wird meist aus einem Prüfungsgespräch und einer Projektarbeit bestehen. Ist beides erfolgreich bestanden, steht der Karriere nichts mehr im Wege.

Mit der Realisierung der Fachakademien ist eine Forderung aus dem Arbeitsübereinkommen der Regierungsparteien vom Dezember 1990 in greifbare Nähe gerückt: „Durch den weiteren Ausbau spezieller Lehrgänge für Lehrlinge sind Bildungssackgassen zu verhindern und ist der Zugang zu postsekundären Ausbildungsgängen zu eröffnen."

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