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Von Ing. Hans Stoisser, Landesobmann des Steirischen Wirtschaftsbundes

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Der bevorstehende steirische Katholikentag gibt Anlaß, auch über das Menschenbild der Wirtschaft nachzudenken, es in einer breiten Öffentlichkeit zu verankern. Vieles aus der sozialen Marktwirtschaft, zu der wir uns bekennen, ist aus der katholischen Soziallehre übernommen: das Prinzip etwa, daß im Mittelpunkt allen Handelns der Mensch

zu stehen hat, und das Bekenntnis zur Subsidiarität. Die Marktwirtschaft hat zur Voraussetzung, daß den Grundwerten Freiheit, Leistung, Privateigentum, Wettbewerb, Privatinitiative und soziale Gerechtigkeit Vorrang eingeräumt wird. Probleme des menschlichen Zusammenlebens sind unter der Wahrung des Freiheitsraumes jedes einzelnen und der Subsidiarität sowie unter Mitwirkung des Betroffenen zu lösen. Den Begriff Klasse, Klassenbewußtsein, wie ihn die marxistische Lehre dekretiert, gibt es in der christlichen Lehre ebensowenig, wie in den Lebensgesetzen der Marktwirtschaft. Unsere Gesellschaftsordnung wird von informierten, kritischen, initiativen und engagierten Menschen getragen, die selbständig denken, bereit sind, die Umwelt mitzugestalten, und denen auch die Möglichkeit zur Mitwirkung eingeräumt werden muß, heißt es im Grundsatzprogramm der Handelskammerorganisation. Und weiter: Nur eine dynamische Gesellschaft bietet die Gewähr, daß in neuen Situationen auch neue Lösungsmöglichkeiten gefunden werden und verwirklicht werden können. Dieses Gesellschaftssystem stützt sich auf ein realistisches Menschenbild und braucht keinen „neuen“ Menschen im Sinne utopischer Theorien, weil die Entfaltungsmöglichkeit in einer freien Gesellschaft die stärkste Antriebskraft für Fortschritt und Wohlstand ist. Der Unternehmer, der selbständig-denkende Mensch, der etwa das Schema XIII des Vatikanischen Konzils gelesen hat, findet bei jenen Textstellen, die sich mit Eigentum, Wettbewerb, Leistung und Selbstverwirklichung des Menschen beschäftigen und mit seiner möglichst starken Unabhängigkeit vom staatlichen Zwang, seine marktwirtschaftliche Einstellung bestätigt.

Es war viel von der industriellen und ist jetzt viel von der postindustriellen Gesellschaft die Rede. Aus der Sicht der steirischen Situation hat es aber immer hier im wesentlichen nur eine mittelständische Gesellschaft gegeben. 98 Prozent unserer steirischen Betriebe beschäftigen weniger als 100 Beschäftigte. In einem der in ihrer Vielzahl und Vielfalt so unersetzlichen Klein- und Kleinstbetriebe besteht die Möglichkeit der menschlichen Selbstverwirklichung eher alsin dem trostlosen Pferch einer riesigen Industriehalle. Der Mitarbeiter im Kleinbetrieb hat die Möglichkeit, eigene Ideen zu realisieren und steht in einem direkten, menschlichen Verhältnis zur Betriebsführung, die er kennt und die für ihn nicht ein anonymer Machtapparat mit einer riesigen Bürokratie ist, die ihn lenken und steuern kann.

In den letzten Jahren hat der Begriff Mittelstand wieder einen neuen

Stellenwert bekommen. Die Erkenntnis wächst, daß nur die Vielfalt mittelständischer Klein- und Kleinstbetriebe die Grundwerte unserer marktwirtschaftlichen Ordnung aufrechtzuerhalten in der Lage ist.

Unter dem Begriff Mittelstand ist in der vor kurzem erschienenen Neuausgabe des Katholischen So- ziallexiköns zu lesen: „Eine demokratische, pluralistische Massengesellschaft beruht auf einer breiten Mitte, auf der Teilnahme breiter Schichten an Bildung, Wohlstand und politischem Geschehen, auf einer Aufwärtsmobilität, die jedermann die Möglichkeit gibt, sich auf Grund seiner Fähigkeiten und Leistungen zu verbessern. Dem Mittelstand kommt damit eine staatstragende Bedeutung zu, er wirkt als Stabilisator gegen eine Polarisierung und hat durch seine Entwicklung den Zerfall der Gesellschaft in das von Marx vorhergesagte Zweiklassensystem verhindert.“

Über das Gemeinsame von mittelständischer Wirtschaft und kirchlicher Lehre ist noch viel zu wenig geschrieben und gesprochen worden. Der Katholikentag sollte Anlaß sein, die vielen Gemeinsamkeiten in den Grundwerten* herauszustellen und bewußt zu machen.

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