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„Von jetzt an muß es aufwärts gehen4 ‘

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Vorige Woche feierte Jugoslawien den 40. Jahrestag seiner Staatsgründung. Belgrad nahm dieses Jubiläum zum Anlaß zur selbstkritischen Bilanz, verbreitete aber doch auch gedämpften Optimismus.

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Vorige Woche feierte Jugoslawien den 40. Jahrestag seiner Staatsgründung. Belgrad nahm dieses Jubiläum zum Anlaß zur selbstkritischen Bilanz, verbreitete aber doch auch gedämpften Optimismus.

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Optimismus hatte schon vor dem Staatsjubiläum Ministerpräsidentin Milka Planine in einem Fernsehinterview zum ersten Jahrestag ihres Stabilisierungsprogramms verbreitet. Sie sieht jedenfalls für die mit größten Schwierigkeiten konfrontierte Wirtschaft einen Silberstreif am Horizont.

Das von ihrem Haussender Zagreb verbreitete Interview zeigt Jugoslawien eine völlig veränderte Planine: selbstbewußt, zielstrebig, mit einem Schuß scheuen Humors. Die Nation rätselt, ob die augenfällige Veränderung ihr kurz zurückliegendes Treffen mit der englischen Premierministerin Thatcher bewirkt hat. Der „Eisernen Genossin“ scheint die Begegnung mit der „Eisernen Lady“ den Rücken gestärkt zu haben.

Frau Planine bekannte sich wieder zum Weg Titos, dessen Gunst sie ihren Aufstieg zu verdanken hat und verwies auf den AbbaudesZahlungsbilanzdefitizs von vier Milliarden auf 300 Millionen Dollar im Verlauf von nur zwei Jahren.

Der Preis indessen, den jeder jugoslawische Bürger dafür zu zahlen hat, ist hoch: Er ist an der untersten Grenze seines Realeinkommens angelangt und büßte gut 20 Prozent seines Lebensstandards ein. „Mehr kann ihm nicht mehr zugemutet werden, von jetzt an muß es aufwärts gehen - langsam natürlich“, versprach Frau Planine.

Die Preisgestaltung im Lande aber werde marktwirtschaftlichen Prinzipien folgen, kündigte sie gleichzeitig an. Die Angleichung an die Weltmarktpreise bleibt ihr Ziel, die 65prozentige Abwertung des Dinar aber hat seine Rutschpartie nach unten noch nicht abgebremst.

Der Bürger wird auch über neue Steuern zur Kasse gebeten werden. „Es geht nicht an, daß der Bauer mit dem Verkauf eines Schweines seine Steuern abdeckt“, argumentierte Frau Planine. Wie der letzte florierende Zweig der jugoslawischen Wirtschaft, die Landwirtschaft, reagieren wird, zeichnet sich bereits auf den Bauernmärkten ab. Noch am Morgen nach dem Planinc-In- terview stiegen die Preise.

Frau Planine setzt auch weiterhin auf gewagte finanzpolitische und kreditpolitische Arrangements zur Gesundung der jugoslawischen Wirtschaft. Die Aufnahme von Krediten in der Höhe von fünf Milliarden Dollar hat dem mit 19 Milliarden Dollar im Westen verschuldeten Jugoslawien in diesem Jahr ein Moratorium erspart.

„Wir haben vom internationalen Währungsfonds volle Anerkennung gefunden, dessen Mitglied wir sind“, erklärte Frau Planine und kündigte an, daß Jugoslawien, für 1984 rund drei Milliarden Dollar an Anschlußkrediten benötige, um liquide zu bleiben und das Stabilisierungsprogramm erfolgreich durchzuziehen. Zwar konnten die Westexporte lediglich um 8,6 Prozent gesteigert werden und nicht um geplante 25 Prozent, aber die Industrieproduktion konnte trotz empfindlicher Einfuhrbeschränkungen um zirka 18 Prozent doch annähernd auf dem Stand des Vorjahres gehalten werden. Das verbucht die Regierung Planine als Erfolg.

Die gleiche Gruppe von 15 westlichen Staaten, darunter die Bundesrepublik Deutschland und Österreich, die Jugoslawien 1983 mit 1,4 Milliarden Dollar Krediten unter die Arme gegriffen hat, scheint dazu auch im kommenden Jahr bereit. In Genf sind bereits erfolgversprechende Gespräche im Gang, da sich Belgrad als guter Schuldner und Zahler erwiesen hat.

Die letzte Tranche von 270 Millionen Dollar für den Zinsendienst 1982 wurde prompt überwiesen und ein britisches Bankenkonsortium hat die Rückzahlung von 40 Millionen Pfund bis 1986 prolongiert.

Die Bilanz von Frau Planine wird durch die Energiekrise und Unlust der Industrie getrübt. Von den 900 Millionen Dollar Waren- krediten wurden bisher nur knapp zehn Prozent in Anspruch genommen und bis Jahresschluß bleibt wenig Zeit. Das Belgrader Parlament hat deshalb schnell die Devisengesetzgebung geändert, die die strengen Auflagen für Kreditnehmer in der jugoslawischen Wirtschaft lockert.

Die Energiekrise hofft man durch zusätzliche Erdölimporte aus der Sowjetunion zu lindern. Daß durch Notimporte der mühsam stabilisierte Devisenhaushalt wieder ins Wanken gerät, liegt auf der Hand.

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