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Von Leo XIII. zu Johannes Paul IL

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Daß der Sozialhirtenbrief der österreichischen Bischöfe am 15. Mai 1990 publiziert wurde, hatte seinen guten Qrund. Denn damit wurde das Jubiläumsjahr der am 15. Mai 1891 veröffentlichten er- sten Sozialenzyklika „Rerum no- varum" (Von den neuen Sachen) eingeleitet, des ersten - und vielen damals fast zu spät gekommenen - umfassenden kirchlichen Doku- mentes zur Arbeiterfrage, die für die Kirche damals eben noch eine „neue Sache" war.

Papst Leo XIII, der sich für die- ses Rundschreiben unter anderem auf Vorarbeiten des Österreichers Karl Freiherr von Vogelsang (1818 bis 1890) stützen konnte, betonte in „Rerum novarum" das Recht auf Privateigentum, das Recht auf Arbeit, das Recht auf gerechten Lohn und auf soziale Leistungen.

Schon im Titel „Quadragesimo anno", aber auch im Inhalt schloß das genau 40 Jahre später, 1931, erschienene nächste päpstliche So- zialrundschreiben an „Rerum no- varum" an. Papst Pius XL, inspi- riert besonders von dem Jesuiten- pater Oswald von Nell-Breuning (FURCHE 10/1990), trat gegen Kapitalismus und Kommunismus auf und setzte sich für soziale Ge- rechtigkeit ein. Er erteilte dem Klassenkampf eine Absage und befürwortete die Zusammenarbeit der sozialen Stände.

Papst Johannes XXIII. hat in zwei Enzykliken, „Mater et magistra" (1961)und„Pacem interris"(1963), zu sozialen Fragen Stellung genom- men. Ging es bis dahin primär um das Gemeinwohl der einzelnen Staaten, wurden nun alle Menschen eingeladen, an der Verwirklichung einer weltweiten Gerechtigkeit mitzuarbeiten. Das Nord-Süd-Pro- blem wurde erkannt, die 1948 von den Vereinten Nationen prokla- mierten Menschenrechte wurden gewürdigt.

Papst Paul VI. setzte diese Sicht der Dinge in „Populorum progres- sio" (1967) fort: Er forderte Verän- derungen politischer und wirt- schaftlicher Strukturen, damit eine ganzheitliche Entfaltung aller Menschen und eine solidarische Entwicklung der Völker möglich werden. Wie er in „Evangelii nun- tiandi" (1975) ausführte, dient die Kirche mit der Verkündigung des Evangeliums (das für Gewaltfrei- heit eintrete) der Befreiung des Menschen.

Als Beiträge zur katholischen Soziallehre sind auch das Konzilsdokument „Gaudium et spes"(1965), der Text zur römi- schen Bischofssynode 1971, „De iustitia in mundo", und „Octogesi- ma adveniens" von Paul VI. (1971) anzusehen. Darin geht es um die Würde der menschlichen Person, um die Eigenverantwortung des Laien, um Liebe und Gerechtigkeit zur Befreiung der Menschen von Sünde und Unterdrückung und um die Bejahung von Demokratie und Pluralismus.

Papst Johannes Paul II. hat schon 1981 in „Laborem exercens" mit dem Hinweis auf die persönliche Würde des Menschen den Vorrang der Arbeit, die die Teilnahme am Schöpfungswerk Gottes darstelle, vor dem Kapital betont. 1987, zwanzig Jahre nach „Populorum progressio", äußerte der gegenwär- tige Papst in „Sollicitudo rei socia- lis" ernste Sorgen um wahre Ent- wicklung, um den Weltfrieden und um die Erhaltung der Umwelt. Zur Überwindung von durch Habgier und Herrschsucht entstandenen Strukturen der Sünde sei eine ent- schiedene Umkehr zur Solidarität erforderlich.

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