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Von Macht, Verzicht und Gefahren

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Die „Roten Markierungen '80", gesellschaftspolitische Zielsetzungen der SPÖ für das neue Jahrzehnt, sind mit ein paar „Ja-aber" oder „So-nichf'-Sätzen nicht abzutun. Eine gründliche Auseinandersetzung ist schon deshalb erforderlich, weil die nichtsozialistische Seite sich selbst betrügt, wenn sie auf Gegner zielt, die anders sind. Und die SPÖ-Theoreti-ker argumentieren heute anders, als sie manche ÖVP- und FPÖ-Theoreti-ker noch immer darstellen.

In der FURCHE soll in den kommenden Wochen eine solche gründlichere Auseinandersetzung versucht werden. Mit dem Beitrag von Karl Blecha haben wir in Folge 9 einen Anfang gemacht. Hier ein paar subjektive Anmerkungen zur Einstimmung. Mich persönlich beeindruckten unter anderem

• Sepp Wille, der Zentralsekretär der Gewerkschaft Metall-Bergbau-Energie, der die Wachstumsideologie kräftig in Zweifel zieht, Persönlichkeitsentfaltung „auch im Verzicht" sieht, für „sanfte Technik" und „einfaches Leben" Verständnis bekundet und eine Verfassungsverankerung des Rechts auf Arbeit für konsequenzlos und daher verzichtbar hält;'

• Heinz Fischer mit seiner Argumentation, daß zwischen 1970 und 1978 die Belastung des Bruttoinlandsproduktes mit Steuern und Abgaben (Staatsquote) zwar von 35,8 Prozent auf (unbereinigt) 40,6 Prozent angestiegen, die Nettoquote des Bundes aber sogar von 14,6 auf 14,5 Prozent gesunken, dagegen die Steuerquote der Länder und Gemeinden von 8,9 auf 10,1 Prozent gestiegen sei;

• Rupert Gmoser, der „Gefälligkeitsdemokratie" („Irgend einen Wahlgang gibt es irgendwo immer") als „Krankheitserscheinung in vielen Demokratien" bezeichnet und „Mut zum Unpopulären" fordert, während 154 Seiten weiter hinten Eva Kreisky diesen Ausdruck der „neokonservativen Variante der Bürokratiekritik" zuweist (und der SPÖ eine „Abkehr der Wähler" prophezeit, wenn Leute wie der Wiener Finanzstadtrat Mayr weiter so unvernünftig wie im Fall Phorushalle eine „unsachliche Diffamierung von Bevölkerungsinitiativen" betrieben);

• Egon Matzner, Finanzwissenschafter und Programmkoordinator 1978, der für die Sozialdemokratie nur dann eine Zukunftschance sieht, wenn sie sich bewußt wird, „daß die unveränderte Fortsetzung des alten Weges in eine Sackgasse führt" und, wie das Beispiel Großbritannien und Schweden zeige, Sozialisten einen „steilen Fall in wenigen Jahren" riskieren, „wenn der alte Weg blindlings fortgesetzt wird";

• Christian Brodas Geständnis, daß „der vieldiskutierte Kernsatz des rechtspolitischen Teils des Parteiprogramms 1978" (er beginnt mit den Worten „Die Rechtsordnung, der juristische Uberbau der ökonomischen Struktur der Gesellschaft,...") „in keiner Weise ihre marxistische Herkunft verleugnet" und daß seine Reformen teils liberal, teils „mehr als liberale Rechtspolitik" (nämlich sozialistische) seien;

• Norbert Leser, der als Politikwissenschafter offen die „Problematik der Beziehung des Sozialismus zur Macht" angeht („Macht mit ihrer Tendenz zur Verselbständigung" und ihrer „Versuchung zum Mißbrauch")' und warnt, daß der Sozialdemokratie durch den Privilegien-mißbrauch durch SPÖ-Funktionäre „Gefahr an. Leib und Seele droht";

• Günther Nenning, der plötzlich das Gefühl als „sozialistischen Grundwert" entdeckt und „Sozialisten, die nicht zweifeln", der Angst überführt;

• Herbert Salcher, der als Minister für Gesundheit und Umweltschutz der zum Schluß kommt, daß das für die Lösung der Umweltschutz-Ko-stenfrage als Patentrezept angepriesene Verursacherprinzip „einer kritischen Untersuchung nicht standhält" (was vor allem Salchers Parteigenossen interessieren müßte, die es - nach dem Grundsatz „Die Kapitalisten sollen zahlen" - in ihrer überwiegenden Mehrheit bisher außerordentlich attraktiv gefunden haben);

• Ina Wagner, die sich mit ihrer Feststellung „Die besondere Förderung außerordentlich begabter Menschen ist nicht das dringlichste Problem der österreichischen Gesellschaft" sogar gegen Leistungsgruppen in der Einheitsschule wendet, die wohl nur eingeführt worden seien, „um die Gegner einer integrierten Pflichtschule zu beruhigen".

Beruhigend sind die „Roten Markierungen '80" für niemanden. Aber ganz schön spannend.

ROTE MARKIERUNGEN. Herausgegeben von Heinz Fischer. Europa-Verlag, Wien-München-Zürich 1980, 416 Seiten, öS 198,-

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