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Von Moses bis Moshe Day an…

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Gelegentlich hört man die Frage, warum Israel von 1948 bis 1956 gewartet habe, um sich gegen die Verletzungen des Waffenstillstandes durch die von Ägypten auf israelisches Gebiet ausgesandten irregulären Fedajin zu wehren, indem es sich an der britisch-französischen Suez-Aktion beteiligte und Sinai (damals vorübergehend) eroberte.

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Gelegentlich hört man die Frage, warum Israel von 1948 bis 1956 gewartet habe, um sich gegen die Verletzungen des Waffenstillstandes durch die von Ägypten auf israelisches Gebiet ausgesandten irregulären Fedajin zu wehren, indem es sich an der britisch-französischen Suez-Aktion beteiligte und Sinai (damals vorübergehend) eroberte.

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Die Frage ist leicht zu beantworten: Israel hatte in jener Zeitspanne Wichtigeres zu tun. Seinen eben gegründeten Staat aufzubauen, neue Siedlungen für 185.000 aus dem Jemen und dem Irak vor Verfolgung und Bedrängnis gerettete Juden zu schaffen, den neuen Siedlungen, etwa in der Negev-Wüste, Wasser durch den Bau gigantischer Rohrleitungen zuzuführen und noch vieles andere. Obwohl Israel durch die von der UNO verfügte Teilung des Landes gar nioht gut abgeschnitten hatte (Ägypten hatte den Gaziastreifen besetzt, Jordanien annektierte das heute als Westjordanland bezeichnet« Judäa und Samaria und die Jerusalemer Altstadt), wollte es nichts als Frieden und Fuhe zur Arbeit.

Israel bot den arabischen Staaten nach 1948 Nichtangriffspakte und Abrüstungsabkommen an. All das schlug fehl. Ermutigt d’’rch ständige Waffenlieferungen aus der UdSSR und CSSR und trotz des unter der

Ägide der UNO zustande gekommenen Waffenstillstandsabkommens weigerten sich die arabischen Staaten, Israels staatliche Existenz anzuerkennen und bedrohten aktiv deren Fortbestand. Ägypten sperrte den Suezkanal und die Meeresstraße von Tiran für die israelische Schiffahrt. Auf Sinai wurden ägyptische Aufmarsch- und Operationsbasen für reguläre ägyptische Truppen und für irreguläre Fedajin errichtet. Tausende israelische Siedler wurden damals von Banditen ermordet oder verwundet, unzählige Terrorakte und Raubzüge fanden Tag für Tag und Nacht für Nacht statt.

Acht Jahre nahm Israel das hin. Bis israelische Truppen am 29. Oktober 1956 nach Sinai einmarschierten; dies geschah gewiß zur gleichen Zeit wie Großbritanniens und Frankreichs Suez-Aktion und sicherlich nach Absprache mit diesen beiden Mächten. Dennoch waren die Motive grundverschieden. Für England und

Frankreich ging es damals um ihre entschwindenden letzten Großmachtpositionen im Mittleren Osten. Darüber bestand auch die weitaus diskutablere, bis heute nicht geklärte Frage, ob eine von mehreren Staaten erbaute und instand gehaltene internationale Wasserstraße von dem Land in Besitz genommen werden kann, durch die sie führt.

Für Israel jedoch ging es um etwas grundlegend anderes: um Leben und Blut jedes Kibbuz- und Moschav- Siedlers in den an Simai anschließenden Grenzgebieten. Sogar der UNO- Sicherheitsrat hat die Mordaktionen der Fedajin damals noch verurteilt, jedoch nichts dagegen unternommen.

Bei alldem ist ein nicht unwichtiges Moment völlig in Vergessenheit geraten: Die Tatsache, daß

Sinai niemals Ägypten gehört hat. Wen das überrascht und wer es nicht glaubt, der möge die Vorgeschichte in dem Buch des langjährigen britischen Mandatsbeamten Oberst Richard Meinertzhagen „Middile Easit Diary 1917 biis 1956“ naohlesen. Sie ist interessant gienug.

Die Straße von Suez — ;etzt Suezkanal — bildet seit dem Altertum die Grenze zwischen Afrika und Asien. Die immer schon spärliche Bevölkerung der steinernen Einöde Sinai hat im Laufe der Zeiten aus Nachkommen von Griechen, Römern,

Byzantinern, Kreuzfahrern, Türken und Beduinen bestanden — nicht aus Ägyptern. So etwas wie eine ägyptische Herrschaftsperiode über Sinai gab es in der Zeit Mehmet Alis, des aus Mazedonien stammenden Vizekönigs des türkischen Sultans, der sich für drei Jahrzehnte gewaltsam von der Hohen Pforte unabhängig machte. 1841 wurde er geschlagen, die Halbinsel wurde formell dem Türkischen Reich einverleibt.

Großbritannien übernahm 1882 die Herrschaft über Ägypten und schloß 1906 ein Grenzabkommen mit der Türkei ab. Hierin wurde Sinai ausdrücklich als türkisch anerkannt, jedoch unter britisch-ägyptische Verwaltung gestellt Da.; heißt, die Briten bedienten sich ägyptischer Beamter, um es zu verwalten. Nach dem ersten Weltkrieg wollten die Engländer aus Sinai einen „autonomen“ Marionettenstaat machen. Auf der Konferenz von Lausanne 1923, wo über das Schicksal der dem Türkischen Reiche j abgenommenen Gebiete beschlossen wurde, wurde Sinai nicht einmal erwähnt.

Danach wurde es erst recht, ebenso wie das angrenzende Palästina, von den Briten verwaltet. Als diese Ägypten 1954 verließen, setzte sich dieses lediglich in den Besitz eines herrenlos gewordenen Gebiets. Sie betrachteten es als eiine Art militärischer Grenzzone, es wurde niemals dem ägyptischen Staatsgebiet ein verleibt und wurde von einem ägyptischen Militärgouvemeur verwaltet, der dem Kriegsnuinisterium in Kairo unterstand.

Die Einwohner Sinais waren niemals ägyptische Staatsbürger und genossen keine von deren Rechten. So war zum Beispiel den auf Sinai stationierten ägyptischen Soldaten oder Zivilisten streng jede Fratemi- sierung oder gar Heirat mit der dortigen Bevölkerung (inklusive der des Gaza-Streifens) verboten.

Wenn daher heute Ägypten den Abzug der Israelis vom Sinai-Ufer des Suezkanals und überhaupt aus Sinai verlangt, so könen die Israelis geltend nachen (es ist ihnen bisher nicht eingefallen!), daß sieli ihre Soldaten dort außerhalb ägyptischen Staatsgebietes befinden und daß srie daher rechtlich nicht verpflichtet sind, von dort fortzugehen. Kaum aber dürften sie vergessen, daß ihnen in jener Steinwüste Moses die Zehn Gebote gebracht hat.

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