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„Von nun an: mehr Strichpunkte!“

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„Uber Stifter kann man schwer reden. Man muß ihn lesen.“ Jutta Schütting sagt das sehr bestimmt, fast hart. „Ich habe mich auch erst für Stifter interessiet, als ich aus der Schule war. Da liegt so viel Sexuelles, Verschichtetes drinnen, das Stifter selbst nur geahnt hat, das er gar nicht auszusprechen gewagt hat.“ Sie las beim Stifter-Symposium in Linz einiges über Adalbert Stifter.

Wir haben uns in ihrer Wohnung getroffen, im 19. Bezirk. „Es ist die erste, in der ich ganz allein lebe. Und ich brauche das. Ich kann nicht mehr Rücksicht nehmen auf die anderen. Ich muß einen Raum für mich allein haben, wo ich tun kann, was ich will, wo ich mit den Türen schlagen kann und niemand etwas sagt.“ Die Schütting ist sehr schlank, nervös, raucht viel. Milde Sorte. Eine Zigarette nach der anderen. „Früher habe ich ,C geraucht. Aber ich kann mich doch nicht so früh schon zerstören!“ Sie lächelt dabei, als wollte sie sagen, daß Sie sich eigentlich doch ganz gern zerstören möchte.

Sie redet nicht sehr gern. Langsam, zögernd, immer wieder nach Ausdrücken suchend, erzählt sie von ihrem letzten Buch, von ihrer Beziehung zu Stifter. Sie wirkt verloren, schutzbedürftig, lehnt sich dann und

wann zurück auf ihr Bett, schweigt, atmet und spricht wieder, vorsichtig, jedes Wort abwägend. „Ich bin arbeitsbesessen. Wahrscheinlich war es auch Stifter. Doch mir fehlt dieses soziale, pädagogische Gehabe. Ich will nur mein eigenes Material niederschreiben. Und es beruhigt mich, daß noch so viel da ist, auch wenn es noch verschüttet ist und mir gar nicht bewußt.“

„Ich weiß, daß ich für eine Intellektuelle gehalten werde. Und ich bin auch gescheit genug zu wissen, daß die Literatur heute elitär ist. Man kann nicht mehr pädagogisch sein oder Sozialrevolutionär wie gewisse Gruppen. Deshalb geh' ich auch in keine Schriftstellervereinigung, die mich auf irgend etwas festlegt. Ich brauche diesen Schutz nicht“

Im Moment liest sie Adornos „Negative Dialektik“. „Ich finde das großartig. Alles, was er schreibt, entspricht mir, seine Ansichten über Ästhetik etwa. Jetzt hab' ich gerade gelesen, was er über die Verwendung des Strichpunktes schreibt. Ich werde mehr Strichpunkte einbauen!“ Dann raucht sie wieder und schweigt. Das Glas Wein, das sie vor sich stehen hatte, ist ausgetrunken.

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