6833161-1974_50_12.jpg
Digital In Arbeit

Von Pop bis Primitiv

Werbung
Werbung
Werbung

Der Engländer Richard Hamilton galt als einer der Vorläufer und wesentlichen Exponenten der europäischen Pop-art. Fasziniert von der sogenannten „Großstadtkultur“ amerikanischer Prägung gehörte er zu einer Gruppe von Malern, Bildhauern und Architekten, die nach der Mitte der fünfziger Jahre in London Environments ausstellte, darunter eine Collage von Hamilton mit dem Titel „Wieso sind die Wohnungen heute eigentlich so wohnlich, so anders“, die einen Muskelprotz und eine Stripteuse in einer überladenen Konsumgesellschafts-Wohnung zeigte. Sie wurde grundlegend für verschiedene Konventionen der Popart, in der Hämilton „Popularität, Flüchtigkeit, Verbrauchbarkeit, Witz, Sex, Verspieltheit und Glamour“ suchte. Sie sollte erschwinglich sein, ein Massenerzeugnis und ein großes Geschäft. Wie vergänglich Programme und Ruhm sein können, beweist die Ausstellung der Drucke von Hamilton, die im Museum des 20. Jahrhunderts gezeigt wird, nachdem die Pop-art — in ihren Wurzeln eigentlich zur Anti-Kunst gehörend — längst ihren Kulminationspunkt überschritten hat. Hamilton erweist sich darin als mäßiger Werbegraphiker und Arrangeur, der Gestaltung vor allem durch druck- und phototechnische Experimente ersetzt. Selbst die „Huldigung an Picasso- Las Meniftas“ bleibt eine schwache Klitterung aus divergenten Elementen Piccassos, die nahezu wörtlich übernommen wurden. Hamiltons Einstellung zum Gestalterisdien wird genügend dadurch charakterisiert, daß er eine beabsichtigte Serie von Illustrationen zum „Ulysses“ von James Joyce aufgab, weil er keinen Verleger dafür fand. Eine äußerst dürftige und eigentlich überflüssige Ausstellung.

In der „Galerie Spectrum“ in der Mahlerstraße werden Ölbilder, Aquarelle und Lithographien des Salzburgers Herbert Breiter gezeigt. Mit einer Ausnahme — einem Stillleben — handelt es sich durchwegs um Landschaften aus Salzburg, Jugoslawien und Italien, die trotz der Verschiedenheit der Techniken eine große formale Einheitlichkeit zeigen. Die kulissenhaft gestuften, vereinfachten Formen, in denen die flächenhafte Tektonik betont wird, unterstreichen in ihrer nahezu geometrischen Strenge eine feierliche Stille und zielen auf das Monumentale ab. Am stärksten wirken die Aquarelle, wo die Vibration der Farbe — anscheinend auch mit dem Spritzgitter gesetzt — die verschiedenen Grauwerte der Flächen belebt, wie in den Landschaften aus der Toscana und Korcula, Makarska und Klada, während die eher lasierend aufgetragene Ölfarbe und Technik den Absichten des Malers weniger entgegenkommt. Unter den Lithographien wirken die das architektonische Element betonenden Arbeiten aus Ponza und das Stilleben am stärksten.

Der Maler Robert Zeppel-Sperl hat durchaus recht, wenn er sich dagegen verwahrt, als „naiver“ Maler bezeichnet zu werden. Seine recht sorglos vorgetragenen Temperabilder, Aquarelle und Gouachen mit ihrer persönlichen Mythologie und ihrem reduziertem Vokabular stehen in ihrer kunstlos stilisierten Art den Primitiven weitaus näher und Auseinandersetzungen mit der Natur wie die sechs Landschaften scheitern an kompositorischer Ahnungslosigkeit und farbigen Kraßheiten. Am überzeugendsten wirken in dieser Ausstellung in der Galerie Würthle noch die Farb-Linolschnitte und Illustrationen in denen der dekorative Stil Zeppel-SperJs am besten zur Geltung kommt. Clous Pack

Nach außen hin, ganz oberflächlich betrachtet, erinnern die Bilder des berühmten, hochbezahlten englischen

Pop-Malers Allen Jones an die Vierfarbendrucke gängiger „Illustrierter“, an die konsumfreundlich-glatten Photos weiblicher Hollywood-Stars und Starlets, an „Playboy“-Cover- damen, die, gleichsam chemisch gereinigt und in die prächtigsten Idealfarben getaucht, er in Klarsichtpackung auf die Leinwände bringt.

Doch hinter der modischen Glätte dieser Plastikmädchen übt Jones Kritik, sogar scharfe Kritik. Denn im Grunde bedient er sich dieser Darstellungsmethoden von Werbegraphik und Magazin-Layout nur, um sein Publikum aufs Eis zu führen. Menschliche Triebe, tiefgekühlt dargestellt, daß es den Betrachter manchmal geradezu fröstelt, die Fetische der sozial durchorganisierten Konsum- und Massengesellschaft, überspitzt, aber im Grunde teil- nahmlos gemalt: der doppelte Boden seines Vortrags, die britische Ironie ist letztlich nicht zu übersehen. Was Jones will, ist nichts anderes, als die Gesellschaft mit Marginalien zu ihren Verhaltensnormen auf ihre Situation hinzuweisen; er will ihr Lockbilder Vorhalten, die sich als geistige Vexierbilder erweisen: Wenn der Betrachter, erst einmal von der Pikanterie Jones’scher Frivolitäten angelockt, ihm aufgesessen ist, merkt er, daß er eigentlich selbst der Kritisierte ist, ertappt er sich selbst in seiner Voyeurhaltung.

Das beweisen die früheren Gemälde von Jones, die nun in der Wiener Galerie „Ariadne“ (Köllner- hofgasse 1) zu sehen sind; koloristisch raffiniert gemalte Bilder von geradezu amerikanischer Werbeintensität. Und das gleiche Empfinden prägt auch die neuen, 1973/74 entstandenen Bilder, in denen allerdings vieles sublimiert erscheint, in denen Jones Aussparung übt. Charakteristisch für die neuen Bilder ist, daß sie nichts mehr erzählen, bestenfalls Zustände zeigen, zerfallende Momente, die im Betrachter wie ein großes Fragezeichen wirken, weil sie im Grunde in eine sur-reale Situation weisen.

Karlheinz Roschitz

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung