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Am Tage der Eröffnung eines Wiener Restaurants der amerikanischen Schnellimbiß-Kette,, McDonald's konnten Interessenten für „Hamburger" auf Plakaten folgende ominöse Mitteilung lesen: „Unsere Hamburger enthalten 16 bis 19 Prozent Fett nach unserem amerikanischen Rezept" (österreichischer Lebensmittelkodex 10 Prozent).

Es ist kaum daran zu zweifeln, daß viele Restaurantbesucher — angelockt durch appetitliches Angebot - sich unter diesem „Originalrezept" etwas „besonders Gutes" vorstellten. Daß „amerikanisches Rezept" hier de facto nichts anderes bedeutet, als daß die Fleischlaibchen bis zu 19 Prozent billiges und schwer verdauliches Rindsfett enthielten, fast die doppelte Menge dessen, was nach dem österreichischen Lebensmittelgesetz zulässig ist, spürte der Kunde vielleicht, als der schwerverdauliche Brocken ihm den Schlaf raubte.

McDonald's aber konnte mit seinem „Originalrezept" gleich drei Fliegen auf einen Schlag treffen: durch die Ankündigung wurde das österreichische Lebensmittelgesetz „korrekt" umgangen, gleichzeitig dem Kunden besondere Qualität suggeriert, und die Differenz von sechs bis neun Prozent bestem Rindfleisch — aus dem die Hamburger von Rechts wegen bestehen müßten — kam der Rentabilität des Konzerns zugute.

Ein ähnliches Beispiel: Die vor einigen Jahren auf den Markt gekommenen Instant-Getränke („Quench", „C-frisch", „trinkfix" ...) sehen aus „wie" Fruchtsaft, schmecken „wie" Fruchtsaft, riechen „wie" Fruchtsaft — aber der Inhalt ist nichts anderes als „reine Chemie", ohne die leiseste Spur von echtem Fruchtsaft.

Die Packungen dieser „Instant-Erfrischungsgetränke" zeigen sämige, fruchtige Flüssigkeiten, dargestellt in so natürlichen Farben, als wäre der Inhalt direkt aus Zitronen, Erdbeeren oder Orangen abgezapft, und die Hinweise auf das tatsächlich vorhandene, aber ebenfalls künstliche Vitamin C verstärken beim geschulten Fruchtsafttrinker noch das Gefühl, einem Naturprodukt gegenüberzustehen. Aber: von Natur keine Spur.

Und so stellt sich die Frage, ob beim Käufer einer solchen „Pakkerllimonade" nicht falsche Erwartungen hervorgerufen werden können, wenngleich — natürlich kleingedruckt — die Inhaltszusammensetzung auf den Packungen angegeben ist und auch immer nur von einem Geschmack „wie nach Orangen" die Rede ist...

Die österreichischen Betriebe und Unternehmen haben im Jahre 1979 allein für Einschaltungen in Zeitungen, Zeitschriften, im Rundfunk und Fernsehen sowie Plakatanschlag 4,27 Milliarden Schilling ausgegeben. Zwischen 1979 und 1980 stieg dieser Betrag um über elf Prozent auf 4,75 Milliarden Schilling. Für die BRD wurden vergleichbare Aufwendungen für 1979 mit 7,78 Milliarden D-Mark, für 1980 mit 8,25 Milliarden D-Mark (laut Media-Perspektiven 2/81, Frankfurt) ermittelt.

Ausgehend von diesen bekannten Kosten für Medien- und Plakatwerbung gibt es (in der BRD) Schätzungen der Gesamtkosten für Wirtschaftswerbung und Marketingmaßnahmen, die natürlich nur äußerst ungenau sein können: Es wird vermutet, daß der Gesamtaufwand um das 3,5- bis Vierfache höher liegt. Das würde für Österreich eine Summe von 17 bis 20 Milliarden Schilling jährlich bedeuten.

Die deutsche Chemieindustrie, genauer, der Verband der chemischen Industrie, bietet den Lesern so renommierter Zeitschriften wie beispielsweise des Zeit-Magazins in einer groß angelegten Anzeigenserie das Bild einer heilen (Chemie-)Welt. Die Zutaten der Werbung: Natur, Kinder und Früchte in leuchtenden Farben. Der Text: Solche Ernten reifen nicht allein ...

Bilder und Texte der Serie wechseln, doch überall ziehen sich die Themen Natur, Gesundheit, Sicherheit durch, und immer lautet der Schlußsatz: „Chemie. Auf Ihrer Seite."

Finanziert wurde die Werbekampagne durch eine Sammlung bei den Mitgliedern, die 30 Millionen D-Mark erbrachte. Der unmittelbare Anlaß, das Image aufzupolieren, war ein kurz zuvor erschienenes Buch: Egmont R. Koch/Fritz Varenholt, „Seveso ist überall", das die Risiken der chemischen Industrie aufzeigte. Die dort gesammelten und belegten Fakten zeigen allerdings ein anderes Bild als jenes, das die Werbung mit Farben und Worten suggeriert.

Die Welt der ökonomischen Propaganda verstellt die wirklichen Bedürfnisse und ihre Erfüllung durch eine un-menschliche „Öffentlichkeit", in der der Mensch in dem, was er an sich selbst ist, überhaupt nicht mehr zur Sprache kommt, sondern nur noch in der Anonymität von Produzenten und Konsumenten auftaucht.

Der Mensch hat nur in dem Maß Bedeutung, wie er für den Produktions- und Konsumations-prozeß nützlich ist. Er kann sich nicht seinem inneren Wesensmaß, seiner seinsmäßigen Grundordnung gemäß artikulieren, sondern es wird ihm durch Werbung und Propaganda vorgeschrieben, wie er zu sein und zu leben hat.

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