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Vor dem Konkordatsende?

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Zu Jahresbeginn veröffentlichte die Spanische Bischofskonferenz ein Dokument: Die Kirche und die politische Gemeinschaft. Diese offizielle Stellungnahme der spanischen Kirche, die von der Regierung und der konservativen Mehrheit des Landes mit Besorgnis, von der geistig wachen Minderheit der Intellektuellen und Arbeiter mit Hoffnung erwartet wurde, bedeutete den Beginn eines neuen Verhältnisses zwischen Kirche und spanischem Staat.

In der Zeit vor dem Erscheinen herrschte ein Nervenkrieg. Die stark vom Opus Dei beeinflußte Nachrichten-Agentur Europa Press tat alles, um eine negative Stimmung zu erzeugen. Sie veröffentlichte Anfang Dezember 1972 eine Rede des Admi-rals Carrero aus Anlaß des 80. Geburtstags Francos, in der verschleiert die Mehrheit der spanischen Bischöfe angeklagt wurde, die Kirche habe vergessen oder schicke sich an, zu vergessen, was das Regime seit seiner Festigung im Jahre 1939 für die Kirche getan habe. Obwohl eine Rede Francos zum Jahresende die Stimmung zu beruhigen suchte, erwartete man doch eine heftige Reaktion beim Erscheinen des Dokuments. Diese blieb jedoch aus. Die Regierungspresse und die Kommunikationsmittel, soweit sie wie Fernsehen und die wichtigsten Rundfunkstationen unter staatlicher Kontrolle stehen, haben das Dokument nach Möglichkeit verschwiegen. Nur die relativ unabhängige Presse (ABC und YA in Madrid, VAN-GUARDIA in Barcelona, dazu noch einige wichtigere Zeitschriften in der Provinz oder einige Fachzeitschriften) hat es entsprechend beachtet.

In seinem 1. Teil „Die Kirche und die irdische Ordnung“ hebt das Dokument die übernatürliche Sendung der Kdrche hervor: Einerseits gilt es, einem einseitigen Spiritualismus zu entgehen, anderseits einer reinen Weltlichkeit bei den verschiedenen politischen Entscheidungen, die dem Christen möglich sind, wobei immer die Gerechtigkeit zu wahren ist.

Der 2. Teil „Die Beziehunigen zwischen Kirche und Staat“ befaßt sich vor allem mit der Klärung von Begriffen, über die weithin Verwirrung herrscht. Deshalb werden Begriffe wie Unabhängigkeit, Zusammenarbeit und andere beschrieben, die in Zukunft das Verhältnis von Kirche und Staat bestimmen sollen. Hier geht es dann um konkrete Punkte:

1. Revision des Konkordats von 1953 mit dem Vorschlag, eine beweglichere und leichter revidierbare Neuordnung zu schaffen.

2. Der Staat soll frei sein, eine bestimmte Religion zur Staatsreligion zu erklären, in jedem Fall aber soll er die Religionsfreiheit achten.

3. Verzicht auf die kirchlichen Privilegien, vor allem auf das Privileg der Gerichtsbarkeit, umgekehrt soll die Regierung auf das Präsentationsrecht verzichten.

4. Die wirtschaftliche Hilfe von

seiten des Staates ist kein Privileg und kein Entgelt für die religiösen Dienste.

5. Wahrung der kirchlichen Rechte auf Erziehung zum Wohl eines Landes, das überwiegend katholisch ist.

6. VkfäfäriffldVeptfätüxi&?W4i&?' tigung von Bischöfen Und Priestern.

Wie man sieht, bedeuten diese Maßnahmen (angenommen mit 59 Ja- gegen 20 Neinstimmen bei 4 Enthaltungen), auch wenn sie nicht radikal sind, eine entscheidende Änderung gegenüber früher. Sie kam gewiß nicht von einem Augenblick zum anderen, auch wenn sie sich seit dem letzten ökumenischen Konzil doch rasch vollzog.

Allmähliche Lösung

Die spanische Hierarchie, mit ihren fast 90 Bischöfen eine der stärksten der katholischen Kirche, wurde durch das Vatikanische Konzil völlig überrascht. Ihre traditionelle und unbewegliche Haltung war ganz dem Tridentinum verhaftet. So wurde sie von der Ekklesiologie des Konzils überrumpelt und noch mehr von seiner Soziallehre, wie sie in

dem Dekret über die Religionsfreiheit enthalten ist. Das erklärt auch, warum sich die spanischen Bischöfe in den Debatten dagegen aussprachen, dann aber schließlich doch annehmen mußten, was eine erdrük-

kende Mehrheit der Gesamtkirche beschlossen hatte.

Vor dem Konzil gab es keine großen Schwierigkeiten in den Beziehungen zwischen Kirche und Staat in Spanien. Ab und zu trattm Spannungen auf, vor allem wegen der Intoleranz gegen andere Konfessionen. Es war der Nuntius Hildebrand An-toniutti (1953—1962) gewesen, dem dieser Zustand zu danken war. Er hatte große Sympathie für das spanische Regime, und er legte während seiner Amtszeit dem Papst die Zustimmung des Franco-Regimes zur Kandidatur von 12 Bischöfen mit ausgesprochen konservativer Einstellung vor. Außerdem wurden in dieser Zeit Weihbischöfe ernannt, die noch erklärter konservativ waren.

Auf Antoniutti folgte 1962 Antonio Riberi. Seine Tätigkeit fiel in die Zeit des Konzils. Während seiner Amtszeit wurde der erste Schritt zur Anpassung der spanischen Verhältnisse an das Konzil getan. 1967, im letzten Jahr seiner Nuntiatur, nahm die Regierung einige Verfassungsänderungen zur Angleichung an das Dekret „Dignitatis Humanae“ über

die Religionsfreiheit upr; seither vollzog sich eine Änderung des Klimas. Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Es galt, die Ergebnisse des Konzils zu verwirklichen, und das mit einer Hierarchie, die an Ansehen verloren hatte, weil sie sich auf dem Konzil so ungeschickt benommen hatte. Dazu kam die Liberalisierung im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich. Spanien trat ganz intensiv in die Konsumgesellschaft ein, und so wurden einige Schwächen des Katholizismus auf dem Lande offenbar. An dritter Stelle sind die Stagnation und die Unruhen in der Innenpolitik des Landes zu nennen, die eine zunehmende Auflösung hervorriefen. Nicht zu übersehen ist auch, daß seit 1965 eine neue Generation ins Leben Spaniens eintrat: Diese Nachkriegsgeneration war auf ihre Freiheit bedacht und ganz auf Europa ausgerichtet.

Dazu kam die Ernennung eines neuen Nuntius in der Psrson von Luigi Dadaglio, der das Aggiorna-mento Spaniens nachdrücklich betrieb. Das ging nicht ohne die Erneuerung des Episkopats. Eine solche war unter dem Konkordat von 1953, das der spanischen Regierung das Vetorecht einräumte, unmöglich. Deswegen versuchte Dadaglio die Notwendigkeit eines neuen Weges aufzuzeigen. Eine Sensation in diesen Bemühungen war der Briefwechsel Papst Pauls VI. mit General Franco im Jahr 1968. Der Papst bat den Staatschef, auf das Privileg der Präsentation zu verzichten. Franco antwortete diplomatisch und bot eine Revision des gesamten Konkordats an, vor allem des Privilegs der kirchlichen Gerichtsbarkeit und des wirtschaftlichen Unterhalts der Kirche.

Die Antwort des Papstes war indirekt; er ernannte zwischen 19Ü8 und 1970 15 Weihbischöfe und 6 Apostolische Administratoren, dagegen nur 7 residierende Bischöfe. Eine Ernennung von Weihbischöfen und Administratoren war vom Konkordat nicht vorgesehen. Einige dieser Bischöfe standen dem Regime nahe, die anderen gehörten einer neuen Generation an. Auf jeden Fall bedeutete diese Maßnahme einen grundsätzlichen Wandel und eine Abkühlung des Klimas, das bisher die Beziehungen bestimmt hatte. Von da an stand das spanische Regime dem Nuntius Dadaglio ähnlich ablehnend gegenüber wie seinerzeit dem Mgr. Benelli, der als Nuntiatursekretär in Madrid als Kritiker der sozialen Situation Spaniens galt. Diese Spannungen spiegelten sich auch in der spanischen Bischofskonferenz wider; ihre Einstellung veränderte sich allmählich mit den neuen Weihbischöfen.

1971 trieb die Entwicklung einer Krise zu. Ihr ginig ein Prozeß der Säkularisierung voraus, ähnlich wie in den übrigen Ländern Europas. Die äußere Öffnung des Landes stand in gewissem Gegensatz zu einer Verhärtung in der inneren Situation, bedingt durch einige Mitglieder des Opus Dei.

Im September 1971, wenige Wochen vor der Bischof ssynode, fand in Madrid eine Versammlung von Bischöfen und Priestern statt. Sie war von der Hierarchie einberufen. Ihr war in den meisten Diözesen eine soziologische Untersuchung unter den Priestern vorangegangen. Einige Dokumente, die die Versammlung behandelte, bezogen sich auf das Verhältnis von Kirche und Staat. Es wurde eine Revision des Konkordats von 1953 erbeten, da es die heutige Situation nicht mehr treffe, und es fand eine ernste Kritik an der sozialpolitischen und wirtschaftlichen Lage Spaniens im Licht der Konzilsdokumente statt. Damit war eine Revision der Haltung der spanischen Kirche während des Bürgerkriegs verbunden, und das war dem Regime außerordentlich unangenehm, weil es erkennen mußte, daß der aktivere Teil des spanischen Klerus einschließlich der Mehrheit der Bischofskonferenz nicht unbedingt mit dem politischen Programm der Regierung einverstanden war. Einige konservative Bischöfe versuchten die Versammlung bei der Kongregation für den Klerus zu diskreditieren. Dagegen wandte sich der Kardinalerzbischof von Madrid, Tarancön und machte dieses Manöver zunichte. Der Erfolg war, daß sich der spanische Episkopat auf die Ergebnisse der Versammlung festlegte. Man begann an dem Dokument zu arbeiten, das jetzt veröffentlicht wurde.

Die Regierung hat sehr wohl den Wandel erkannt, der eingetreten ist, und sie sucht Ton und Tragweite des Dokuments herabzusetzen. Schon während der Ausarbeitung eröffnete sie eine Pressekampagne und benutzte dazu eine Minderheit von etwa 20 Bischöfen. Als die Dokumente erschienen, wurde der spanische Botschafter beim Heiligen Stuhl abgelöst. Er befand sich in einem Konflikt, weil er persönlich aufgeschlossen war und auf seiten des Konzils stand, aber eine vorkon-ziliare Haltung vertreten mußte.

Diese Versuche waren ergebnislos, auch wenn dadurch vielleicht erreicht wurde, daß das bischöfliche Dokument' etwas milder' gehalten wurde, um größere Übel zu vermeiden. Augenblicklich befaßt sich der Consejo Nacional, der oberste Rat des Landes, mit dem Dokument. Man weiß noch nicht, ob das Konkordat aufgekündigt wird oder nicht. Bei den letzten Ernennungen hat Paul VI. seinen persönlichen Freund Mgr. Romero de Lema zum neuen Sekretär der Kleruskongregation ernannt. Dr. Romero, bisher Bischof von Avila, war einer der Bischöfe, die sich für die Versammlung einsetzten. Diese Geste des Papstes wurde als neue Unterstützung der spanischen Bischofs-konferenz gedeutet.

So bleibt zu hoffen, daß die Besonnenheit der Regierung wie der Bischöfe bei aller gegenseitigen Unabhängigkeit neue freundschaftliche Beziehungen entstehen läßt zum Wohl Spaniens.

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