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Vor die Sicherheitskonferenz?

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„Das ist ein Sieg der nationalen Kräfte in Kärnten — oder wie Sie diese Leute nennen wollen. Dort gilt es heute als antiösterreichisch, wenn man traditionelle österreichische Ideen vertritt — nämlich ein kosmopolitisches und tolerantes Bewußtsein gegenüber anderen Völkern.“ Diese Worte stammen aus dem Mund eines Belgrader Journalisten, der durch seine Stellung bei der Parteizeitung „Komunist“ auch politisches Gewicht besitzt. Und diese Meinung sagt sehr viel darüber aus, wie man derzeit in Belgrad über den Kärntner Ortstafelkrieg denkt.

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„Das ist ein Sieg der nationalen Kräfte in Kärnten — oder wie Sie diese Leute nennen wollen. Dort gilt es heute als antiösterreichisch, wenn man traditionelle österreichische Ideen vertritt — nämlich ein kosmopolitisches und tolerantes Bewußtsein gegenüber anderen Völkern.“ Diese Worte stammen aus dem Mund eines Belgrader Journalisten, der durch seine Stellung bei der Parteizeitung „Komunist“ auch politisches Gewicht besitzt. Und diese Meinung sagt sehr viel darüber aus, wie man derzeit in Belgrad über den Kärntner Ortstafelkrieg denkt.

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Doch auch diese Mischung aus Anklage und hinzugefügter Geste der Versöhnung scheint typisch für die nunmehrige Haltung der jugoslawischen Zentrale in dieser Frage zu sein — eine Haltung, die Staatspräsident Tito persönlich bekräftigte, indem er zu seiner schweren Angriffsrede gegenüber Österreich in Skoplje nun abermals in derselben Stadt eine weitere Rede zum selben Thema hinzugefügt hat und dabei sehr viel zuvor Gesagtes zurücknahm. Diese neue Haltung besitzt zumindest in den politisch entscheidenden Kreisen Belgrads einen hohen Grad an Zustimmung. Egal — ob man dort mit Journalisten, Leuten aus dem Außenministerium oder auch anderen Opinion leaders spricht — es ist fast so etwas wie ein Appell an die früher geschätzte österreichische Toleranz, was man als Antwort auf Fragen in Richtung Ortstafelkonflikt erhält. „Wir sind beide kleine Länder, wir sind beide irgendwie neutral, wir haben gemeinsame wirtschaftliche Interessen, und wir haben vor allem bisher immer gute Beziehungen zueinander unterhalten'“, wird einem als Österreicher in Belgrad gesagt, sobald man nicht zu jenem Kreis gezählt wird, „der sich nicht zufällig durch diese Ortstafeln gestört sah“.

Man hat also auch in Belgrad eingesehen, daß die Kärntner Orts-tafelstürmer nicht als repräsentativ für alle Österreicher angesehen werden können, man wünscht schon aus sehr verständlichen politischen Gründen die Wiederherstellung der guten Beziehungen zu Österreich und man hat vor allem erkannt, daß die ersten globalen Angriffe gegen Österreich der hiesigen Regierung nur eine zweite Front eröffnet haben und dem heißen Wasser auf dem heißen öl von Kärnten gleichgekommen sind. In Belgrad entsteht nun offenbar Verständnis für die Haltung der österreichischen Regierung, da man den Druck, der von Kärnten auf Wien prallt, richtig einschätzt — wobei hinzugefügt wurde, daß man wohl wisse, wie schwer in Österreich noch immer sei, „ein Jude zu sein“.

Doch dieses Klima darf zu keinen vorschnellen Rückschlüssen verleiten. Es gibt nämlich nicht nur den Druck von Kärnten auf Wien — es gibt auch den Druck von Laibach auf Belgrad und dieser macht es zur innenpolitischen Notwendigkeit für Jugoslawien, „wenn man im Recht ist, dieses Recht auch zu demonstrieren“. Man könnte es sich gar nicht leisten, den Vertretungsanspruch für die slowenische Minderheit in Österreich offiziell aufzugeben — „genausowenig wie es sich Österreich leisten könnte, dies im Hinblick auf die Südtiroler zu tun“.

Und so wird man nun auch auf die Erfüllung der Staatsvertragsbedingungen bestehen, wobei sich Jugoslawien gerade nach den Kärntner Ereignissen keinesfalls mehr so vertrösten läßt wie während der vergangenen 17 Jahre. Man hat die Signatarmächte des Staatsvertrags auf die Situation in Kärnten aufmerksam gemacht, und sollte sich diese Situation nicht ändern, wird man diese Mächte auch offiziell anrufen und somit den Konflikt internationalisieren.

Zur Änderung der Situation bleibt allerdings nicht allzuviel Zeit. Belgrad weiß, daß die Anrufung der Vertragsunterzeichner nicht viel mehr als ein formeller Akt sein kann und hat sich daher auch bereits ein viel wirkungsvolleres Druckmittel ausgedacht, sollte Österreich sich eindeutig auf die Seite der

Tafelstürmer schlagen — oder auch nur für Jugoslawien diesen Anschein bieten. Nach Belgrader Meinung würde die Europäische Sicherheitskonferenz den Jugoslawen eine ausgezeichnete Möglichkeit bieten, die internationale Reputation Österreichs an der empfindlichsten Stelle zu treffen.

Eine genaue Definition des Staatsvertragsartikels 7 scheint für Belgrad nunmehr genausowenig interessant zu sein, wie etwa ein österreichischjugoslawisches Gipfeltreffen in Sachen Ortstafeln, da ein solches Tdie Fronten auf unterster Ebene nur verhärten könnte.

Die jugoslawische Führungsspitze sucht also die Verständigung mit Österreich — trotzdem kann sie nur „entweder oder“ sagen, wobei für ein Entweder sogar noch eine Nivellierung des Ortstafelgesetzes tragbar wäre, solange diese Gesetzesänderung nur formalen Charakter besitzt. Belgrad scheint es tatsächlich weniger auf Gesetzesbuchstaben anzukommen, als auf eine Verständigung auf unterster und breitester Ebene.

Es wird im Laufe des nächsten halben Jahres also notwendig sein, ein für die Slowenen wenigstens optimistisches Klima zu schaffen und somit den Druck von Laibach auf Belgrad abzubauen. Es wird notwendig sein, das Porzellan, das in Kärnten zerschlagen wurde, raschest wieder zu kitten, und es wird nicht nur eine Frage der Moral, sondern auch eine Frage der Vernunft sein, den Bestand der slowenischen Minderheit österreichischer Nationalität durch die Einleitung entsprechender Maßnahmen dauerhaft zu sichern.

Eines muß man allerdings schon am Anfang wissen: Es wird für Österreich genausowenig leicht sein, dieses Vertrauen der slowenischen Minderheit dauerhaft zu erringen, wie es für Jugoslawien schwer ist, die Slowenen jenseits der Grenze an der Stange zu halten, zumal sich

diese Weststaaten auch dort trotz ihrer wirtschaftlichen Stärke ihrer Schwäche als Volksgruppen unter den Südslawen und somit die „Germanisierung“ jedes einzelnen Slowenen als Aderlaß empfinden.

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