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Vor doppelter Entscheidung

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Auf Zypern sind die Würfel endlich für einen festen Wahltag am 5. September sowie vor allem zugunsten einer bundesstaatlichen Lösung des leidigen Nationalitätenkonfliktes zwischen der griechischen und der türkischen Bevölkerung auf der seit 1974 geteilten Insel gefallen. Bisher hatte es so ausgesehen, als ob die immer wieder hinausgeschobenen Parlamentswahlen in der zyperngriechischen Rumpf republik des Südens nicht nur über das künftige Verhältnis zum türkisch besetzten und regierten Nordteil, sondern auch über die politische Zukunft des umstrittenen Erzbischof-Präsidenten Makarios III. zu entscheiden hätten.

Die „Einheitspartei“ des seit 1960, mit Unterbrechung während seiner mehrmonatigen Vertreibung von 1974, an der Macht befindlichen geistlichen Staatschefs hat nämlich bisher am Konzept eines von ihr beherrschten Einheitsstaates mit Re-gierungabeteiligung und Minderheitenschutz der etwas mehr als 100.000 Türken eisern festigehalten. Unterstützt wurde sie dabei von ihren kleineren Koalitionspartnern; die .JTortschrittlichen“ des Außenministers Christofides hielten Makarios mit Rücksicht auf ihre griechisch-nationale Wählerschaft und auf deren Wunsch nach der „Enosis“, der Vereinigung von ganz Zypern mit Griecheniland, die Stange; vom .Liberal-demokratischen Zentrum“ her sah der Rückhalt für den bärtigen Politprälaten schon vielschichtiger

aus: zunächst einmal fiel hier die persönliche Freundschaft zwischen dem Parteichef Dr. Vassos Lyssari-des, der zugleich Makarios' Leibarzt ist, mit dem Präsidenten ins Gewicht; fenner die ideologische Gegnerschaft der zyperngriechischen Linksliberalen zu dem vom Türkenführer Raouf Denktasch an der Noniküsta mit Girne als Zentrum aufgebauten autoritären Regiment, wie auch zum harten RagierungsstU in der Türkei selbst. Als vorläufig einzige Partei unter den fast eine halbe Million starken Griechen der Inselrepublik war das „Liberaldemokratische Zentrum“ jedoch dem von beiden Völkerschaften geschürten Nationalitätenhaß entgegen — und für eine brüderliche Versöhnung über die Gräber und Trümmer der

Bürgerkriege von 1963/64, 1967 und 1974 hinweg eingetreten.

Dieser Versöhnungsappell schien insgeheim die größte Zugkraft, selbst unter den rund 250.000 griechischen Flüchtlingen aus der türkischen Besatzungszone, zu erlangen. So haben ihn auch Zyperns gerissenste Taktiker, die gut ein Drittel der bisherigen Abgeordneten stellenden AKEL-Komunisten, sich zu eigen gemacht. In ihren Flugblättern von Ende Juli war sogar schon von einer sicheren Mehrheit in der pavillonartigen Volksvertretung an der wuchtigen Venezianermauer von Nikosia die Rede.

Schon zu diesem Zeitpunkt hatte aber der kometenhafte Aufstieg einer neuen, für die Versöhnung von Griechen und Türken eintretenden Partei seinen Anfang genommen. Diese „Demokratische Sammlung“ aus allen politischen Lagern, mit Ausnahme der Kommunisten und rechtsradikalen hellenischen Nationalisten von der EOKA, steht unter der Führung von Glavkos Klerides, des langjährigen Parteichefs von Makarios' „Einheitspartei“ und nicht minder langjährigen und bewährten Parlamentspräsidenten. Schon

1968/69 war Klerides mit Denktasch auf der Suche nach einer gerechten und dauerhaften Lösung der Zypern-frage am Verhandlungstisch gesessen, 1974 hat er während der Flucht des Erzbischof-Präsidenten die Staatsgeschäfte geleitet und diese bei Makarios' zunächst umjufoelter Rückkehr völlig loyal wieder in dessen Händen zurückgelegt.

Über der Frage des notgedrungen einem neuen Waffengang zusteuernden Justamentskurses des Präsidenten kam es jedoch dann im Frühjahr zum endgültigen, unheilbaren Bruch zwischen Makarios und seinem bislang getreuesten Schildknappen-Kronprinzen. Der Erzbischof scheint den wachsenden Anhang der neuen B'ewegung zunächst völlig unterschätzt und es auf die leichte Schulter seines schwarzen Seidenialars genommen zu haben, daß die „Demokratische Sammlung“ in ihren offiziellen Ruf nach zypriotischer Wiedervereinigung auf föderativer Basis

immer drohender ein Grolen gegen den cäsaropapistischeri Führer und die Forderung nach dessen Ablösung einfließen ließ.

Nun hat sich der in orthodoxen Kirchenkreisen als .^schlauer Fuchs“ bekannte Makarios in einer geschickten Kehrtwendung selbst das Programm der Klerides-Partei vom Bumdesstaat zu eigen gemacht ur.d zieht mit diesem Motto durch die Wahlreden des Augusts in die herbstliche Wahl Schlacht. Und alle Zeichen in Nikosia, Paphos oder Limassol, drunten in Larnaka und hoch droben im Troodos-Gebirge sprechen für einen Erfolg dieses Schachtzuges, dem die türkische Seite jedoch sehr, sehr mißtrauisch gegenübersteht.

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