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Vor einer neuen Kuba-Krise ?
Ein Gespenst geht um in der Karibik: das Gespenst der biologischen Kriegsführung. Es tut dies seit Fidel Castros Rede ziun heurigen Nationalfeiertag am 26. Juli.
„In den beiden letzten Jahren wurde unser Land von vier Plagen heimgesucht, die Tiere, Pflanzen imd zuletzt auch Menschen trafen: das afrikarüsche Schweinefieber, der Zuckerrohr-’ Rost, der Tabak-Schimmel und -in jüngster Zeit - das Virus 2 der Dengue (eine Augenentzündung mit Blutungen; diese Krankheiten haben Kuba im genannten Zeitraum 500 Millionen US-Dollar gekostet). Nicht wenige Bürger dieses Landes sind der Uberzeugung, daß die Schädlinge, insbesondere die der Dengue, diu-ch Yankee-Imperialisten hier eingeführt worden sind." Castro verwendete dann annähernd zwei Stunden, um aus US-Kongreß-Protokollen zu biologischen Waffen zu zitieren.
Kaum war diese Rede über den Äther, begann es im US-Blätterwald zu raunen, über den „gelben ftegen", den die UdSSR als tödü-che Waffe einsetze.
Diese Geschichte ist nicht ganz neu. Der CIA behauptet seit 1976. daß die Sowjets Pilzgifte als biologische Waffeeinsetzen.Tatsäch-lich gelang es bisher rücht, schlüssige Beweise dafür vorzulegen. Selbst die Reagan-Verwaltung spielte deshalb die Geschichte nicht hinauf - bis zur Castro-Rede. Darm nahm diese zwar auch noch nicht Stellung zu den Interviews mit dem Autor des demnächst erscheinenden Buches „Gelber Regen", Sterling Seagra-ves, aber sie ließ wissen, daß Sterling Seagraves sich bisher immer als verläßlicher Fachmann erwiesen habe.
Im September kam Castros zweite Attacke: er nannte die jetzige US-Regierung „faschistisch und blutbesudelt" und wiederhol-
te die Vorwürfe heimlicher biologischer Angriffe. Auch Österreichs Vertreter wurden mit denen von mehr als 90 Ländern in Havanna Zeugen dieser Eröffnungsansprache zum Treffen der Interparlamentarischen Union.
Die Eskalation durch die nur noch undifferenziert rot sehende US-Regierung blieb nicht aus:
• Außenminister Alexander Haig präsentierte erste „harte" Beweise für die Anwendung des
„gelben Regens", das Untersuchungsergebnis einer unabhängigen Forschergruppe: diese habe auf einer Pflanzenprobe drei verschiedene Schimmelpilzgifte festgestellt, die alle drei tödlich seien und in Kambodscha - woher die Probe stammte — nicht natürlich vorkommen.
• Uber die „New York Daily News" ging ein Bericht Seagraves, in Kuba würde „gelber Regen" gelagert, und er habe einen Kubanischen Agenten daran sterben sehen, der Mann sei in eine „einzige wandelnde Blutung verwandelt worden",
# Bei den Vereinten Nationen trieben die USA den Untersuchungsausschuß über die Anwendung biologischer Waffen durch die UdSSR erfolgreich an und setzten Ende September eine Debatte dieser Frage in der Generalversammlung durch.
Was immer Castros Grund für die Angriffe sein mag—die Ablenkung von neuen Waffenlagern der UdSSR in Kuba oder die berechtigte Angst vor einer bakteriellen oder anderen Bedrohung durch die USA —, mit einem Vorwurf setzt er sich ins Unrecht: das Den-gue-Fieber, eine in mehreren Arten auftretende Virusinfektion (die jetzige betrifft die Augen, läßt sich nicht behandeln, vergeht aber nach mehreren Tagen Bettruhe; Todesfälle kommen gelegentlich vor) hat in der Karibik eine jahrzehntelange Tradition.
Der angesehene Londoner „Latin America Weekly Report" weist darauf hin, daß die derzeitige Dengue-Welle mit ihrer massiven Ausbreitung des Virus 2 in der Karibik, Mittelamerika, Miami, Venezuela und Kolumbien, genau der Geschichte dieser Krankheit in der Karibik entspreche. Die Krankheit wurde vor dem Zweiten Weltkrieg aus Afrika eingeschleppt. Die Viren hausen in bestimmten Moskitos und die Krankheit ist von Mensch zu Mensch übertragbar.
Daß Dengue von Afrika eingeschleppt worden ist, stellt wiederum einen Happen für die US-Propagandisten dar. Sie verlangen den Abzug der Kubaner aus Angola, weil die Soldaten von dort das Fieber in die Karibik und die USA eingeschleppt hätten…
Uber das Wortgeplänkel hinaus wächst die Spannung um Kuba: die USA haben ihren diplomatischen Vertreter nach Hause beordert und Außenminister Haig droht, daß ihm jedes Mittel recht sein würde, um den Einfluß Kubas auf die Linke in Mittelamerika zu stoppen.
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