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Vor gewaltigen Investitionen

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Generaldirektor der Shell-Austria, Dr. P. Mieling, sprach am 26. Mai im Palais Schwarzenberg vor Wirtschaftsjournalisten über Entwicklungen und Trends in der Mineralölwirtschaft. Beides kann nur in weltweiter Sicht und in langfristigen Perspektiven richtig beurteilt werden. Mielings Vortrag war klar gegliedert: Einerseits unterteilte er seine Ausführungen in die Entwicklung der verkauften Mengen, der Kosten und der Preise, anderseits entwarf er ein Bild der Situation in der ganzen Welt, in Europa und speziell in Österreich. 1971 brachte eine Zäsur, denn die jährlichen durchschnittlichen Verbrauchszunahmen von jeweils 8 Prozent während der letzten Jahre sanken infolge eines unerwarteten Absatzrückganges auf 5,4 Prozent.

Da die Mineralölgesellschaften auf lange Sicht planen müssen, ergaben sich widersprüchliche Situationen: Während der Absatz zurückging, stiegen zum Beispiel die Verarbeitungskapazitäten (9 Prozent) und die Welttankflotte (20 Prozent). Konnte man früher Kostensteigerungen durch höhere Verkaufsmengen kompensieren, ist dies jetzt nicht mehr möglich, auch Rationalisierungsmaßnahmen haben ihre Grenzen (die Personalkosten der Shell-Austria haben sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt, obwohl der Personalstand um 5 Prozent gesenkt wurde), dazu kommt die allgemeine Inflation, die 1971 und im ersten Quartal dieses Jahres besonders akzentuiert war und ferner die erwähnte, einen Preisdruck ausübende Überkapazität. Demzufolge geriet die Mineralölwirtschaft in eine sich verschärfende Preiskostenschere, welche die Ertragslage bedeutend verschlechtert, die Eigenfinanzierungsmöglichkeit, auf welche die Shell so stolz war, wurde eingeengt — von 87 Prozent vor zehn Jahren auf 72 Prozent jetzt. Bedenkt man die starken Steigerungen der Erdölerlöse der arabischen OPEC-Länder von 5 Milliarden Dollar 1970 auf 15 Milliarden Dollar bis 1975 und zieht man die Steigerung der Explo-rationstätigkeit (im Weltdurchschnitt 85 Prozent) in Betracht, ganz zu schweigen von den Anforderungen des Umweltschutzes, dann kann man verstehen, daß Dr. Mieling seine Ausführungen „als ernste Warnung“ verstanden haben wollte, vor allem an jene Stellen, welche seit etwa eineinhalb Jahren die verlangten Preisgenehmigungen hinauszögern, so daß die Gesellschaften gezwungen sind, die erhöhten Kosten aus eigenen Mitteln zu decken.

Während im Westen Europas die Preise für Vergasertreibstoffe um 12 bis 17 Prozent bereits 1970 angehoben wurden, brachte die ab 1. Jänner 1972 bei uns konzedierte Preiserhöhung eine reichlich verspätete Angleichung. Im Verlaufe einer lebhaften Debatte kamen die Diskussionspartner auch auf die Mehrwertsteuer zu sprechen. Man konnte nächweisen, daß bei Anwendung des Mehrwertsteuersatzes von 16 Prozent und Einbeziehung der Mineralölsteuer in die Berechnungsbasis (also eine Steuer von der Steuer!) sich eine Verteuerung bei Super- um 51 Groschen und bei Normalbenzin um 45 Groschen ergeben würde, wobei weitere preissteigernde Faktoren (Transportkosten) noch gar nicht berücksichtigt wurden, während Finanzminister Dr. Androsch von einer Erhöhung des Benzinpreises von bloß 30 Groschen bei beiden Sorten sprach. Auf Grund welcher Überlegungen diese letzteren Zahlen errechnet wurden, war zur Zeit des Gespräches nicht feststellbar.

Es war gewiß kein Zufall, daß einige Tage nach der Diskussion im Palais Schwarzenberg Generaldirektor G. Rußbach der Mobil Oil Austria zum selben Thema „Aktuelle Fragen der österreichischen Mineralölwdrtschaft“ im Hotel Imperial zu Wirtschaftsjournalisten sprach und ihnen ebenfalls den Geschäftsbericht 1971 überreichte. Während man beim ersten Pressegespräch aus weltweiter Sicht auf die spezifisch österreichischen Probleme zu sprechen kam, steuerte Rußbach die Lage hierzulande direkt an und entwarf an Hand von übersichtlichen Tabellen die Energieversorgungsentwicklung im Rückblick bis 1960 und im Ausblick bis 1985. Zwischen dem Vorjahr und 1985 wird sich unser Energiebedarf verdoppeln, der Anteil der festen Stoffe wird absolut gleich bleiben, aber von jetzt 20 Prozent auf 9 Prozent absinken. Erdgas wird sich absolut zwar vergrößern aber relativ nicht steigen (es bleibt bei 14 Prozent), die Wasserkraft wird absolut steigen (Donaukraftwerke), aber der perzen-tuelle Anteil wird sich kaum wesentlich ändern. Die Kernenergie wird sich bei uns anders als in der westlichen Welt entwickeln, man schätzt ihren Anteil Ende 1985 auf etwa 6 Prozent.

Die Erdölindustrie, deren Hauptanteil heute mit 46 Prozent markiert ist, dürfte auf 52 Prozent steigen. Die Inlandsproduktion an Rohöl ist seit Jahren fast gleich geblieben, an eine wesentliche Steigerung kann nicht gedacht werden, daher werden die Importe eine immer größere Rolle spielen. Man rechnet mit einer Verdoppelung auf 20 Millionen Tonnen. Die Endkapazität der AWP-Pipeline ist 11 Millionen Tonnen, also zu gering, um den Importbedarf zu dekken. In einer lebhaften Diskussion mit den Experten, an der sich auch die Vorstandsdirektoren Dr. F. Cho-rinsky und Dipl.-Kfm. J. Draxlbauer beteiligten, wurden die verschiedenen Möglichkeiten beleuchtet als da sind: Einfuhr raffinierter Produkte oder Raffination im Lande. Im letzteren Fall: soll das in einer zweiten Raffinerie geschehen oder alles in der bestehenden? Schwechat liegt leider nicht im Mittelpunkt Österreichs. Die Frage ist allein aus diesem Grund nicht leicht zu beantworten, daher sind langfristige Überlegungen notwendig, schon im Hinblick auf die Assoziierung Österreichs mit der EWG; mit dem Abbau der Zollbarrieren kommt man einerseits leicht ins Einzugsgebiet von Bayern, anderseits endet die Come-con-Leitung einige Kilometer östlich von Schwechat und eine Stichleitung könnte relativ bald und ohne allzu große Kosten gebaut werden.

Welche Lösung immer man in Zukunft ins Auge faßt, enorme Investitionen werden nötig sein und können von den Mineralölgesellschaften nur dann aufgebracht werden, wenn sie entsprechende Gewinne erzielen können. Generaldirektor Rußbach wies darauf hin, daß sich der ausgewiesene Gewinn seiner Gesellschaft vor allem aus den Beteiligungen ergibt und daß sich die Ertragslage im Vorjahr gegen 1970 verschlechtert habe. Auch bei seiner Gesellschaft seien die Ursachen in den steigenden Rohölpreisen, den erhöhten Spesen und in den langwierigen Verhandlungen mit unserer Regierung bezüglich der geforderten Preiskorrekturen zu suchen. Auf die Weltlage zu sprechen kommend (Forderungen der OPEC-Länder im Februar 1971 in Teheran), führte der Vortragende zur Illustrierung ein markantes Beispiel an: In einem der in der OPEC vereinigten Länder wurde die Produktion um 15 Prozent erhöht, die Einnahmen aber stiegen um 67 Prozent. Allein diese Zahlen sprechen Bände.

Zum Schluß des sehr informativen Gespräches kam man ebenfalls auf die Auswirkungen der Mehrwertsteuer zu sprechen, eine Stellung zu der vom Finanzministerium in Aussicht gestellten Verteuerung des Benzins um zirka 30 Groschen (die Kalkulation des Fachverbandes lautet bekanntlich bei Superbenzin auf 51 Groschen) konnte zur Zeit des Informationgespräches nicht eingenommen werden, „da die Spielregeln nicht bekannt seien, nach welchen dieser Betrag errechnet wurde“.

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