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Vor Ruckfall in Mythen?

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Zum Giaubenszeugnis gehort die Fahigkeit, von Gott zu spre-chen. Aber wie kann der Mensch seine Erfahrungen mit dem All-machtigen, Unbegreiflichen mitteilen? Mit diesem Thema befalke sich die Pastoraltagung 1992 in Wien-Lainz.

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Zum Giaubenszeugnis gehort die Fahigkeit, von Gott zu spre-chen. Aber wie kann der Mensch seine Erfahrungen mit dem All-machtigen, Unbegreiflichen mitteilen? Mit diesem Thema befalke sich die Pastoraltagung 1992 in Wien-Lainz.

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Die Pastoraltagung hatte zwar, wie Kardinal Hans Hermann Groer beim Eroffnungsgottesdienst feststellte, durch das Taize-Jugendtreffen (siehe Seite 7) „auBerordentliche Konkur-renz” erhalten, aber trotzdem war die Konzilsgedachtniskirche in Wien-Lainz an diesen drei Tagen (18. bis 30. Dezember 1992) mit 450 Teilnehmern voll besetzt und Schauplatz einer wirklich spannenden Veranstaltung.

Das Aufregende war, daB sich das Thema „Wie heute von Gott reden?” einfach nicht dazu eig-net, nur theologisch-wis-senschaftlich dariiber zu referieren. Zwangslaufig muBte jeder Referent Subjektives, eigene Glau-benserfahrungen, eigene Gottesbilder spiiren las-sen, und so entstand ein gewisser Bilderbogen, der manchmal kantig, am Ende aber doch durchaus abgerundet wirkte.

Fiir den Innsbrucker Dogmatiker Raymund Schwager, der das erste Referat hielt, ist es ver-standlich, von Gott in Bil-dern zu reden, aber der Umgang mit den Meta-phern der Bibel, die das Ringen um die Erfahrung und Deutung Gottes wi-derspiegeln, erfordere groBe Sorgfalt. Besonders warnte Schwager vor „kollektiven Bildern” von Gott, die in der Situation des Krieges - wie derzeit auf dem Balkan -nur nationale Vorurteile zum Ausdruck brachten.

Allzumenschliche Bil-der (wie sie vor allem das Alte Testament nahelegt) von einem zwiespaltigen Gott, der einmal „Zorn” Orthodoxe empfindet, den es dann aber wieder „reute”, halt Schwager fiir gefahrlich. Mit Jesus habe sich die „dunkle Fo-lie” von Gott gelost. Der Gedanke eines unveranderlichen, leidenschafts-losen Gottes scheint Schwager „un-aufgebbar”, soil es nicht zum Ruck-fall in Mythen kommen (wie in der griechischen Sagenwelt, wo Gotter „schlimmer als personliche Feinde” dargestellt wurden). Schwager bedau-erte in diesem Zusammenhang, daB einzelne Stromungen in der feministi-schen Theologie und in der Befrei-ungstheologie vom „unverzichtbaren philosophischen Standbein des Chri-stentums abgeriickt” seien.

An Hand der Erzahlung von Sara und Hagar(l Mose 16), die siepanto-mimisch darstellen lieB, erlauterte die Berliner Theologin Brigitte Kahl ihr Gottesbild: Sara ziehtHagar als „Leih-mutter” heran und beruft sich dann auf Gott als Richter, um ihren Ehe-mann Abraham nicht zu verlieren, und unterdriickt Hagar. Der Engel des Herrn spricht aber nicht zu ihr, sondern zu der in die Wiiste geflohenen Hagar, mahnt sie zur Umkehr zu Sara, verheiBt ihr aber zugleich eine groBe Nachkommenschaft. Die Begegnung endet mit dem Bekenntnis Hagars: „Du bist ein Gott, der mich sieht.” Fur Kahl ist klar, daB Gott sich zum An-walt des Sklavinnen-Rechtes macht, daB er sich der Ernie-drigten und Armen annimmt und in Jesus Christus mit ih-nen identifiziert. IhrResiimee: „Nur aus der Sprachlosigkeit konnen wir erkennen, wie wir heute iiber Gott reden mus-sen.”

Indifferenter Atheismus

Dritter Hauptreferent war der Wiener Ordiharius fiir christliche Philosophie Augu-stinus Karl Wucherer-Hulden-feld. Er konstatierte ein welt-weites Desinteresse an allem Religiosen, einen indifferen-ten Atheismus, der ein Funftel der Weltbevolkerung ergriffen habe. Wahrend der kampferi-sche Atheismus stark riicklau-fig sei, sei beim indifferenten Atheismus, dem das Dasein Gottes gleichgiiltig sei, die Tendenz steigend. Seine An-hanger seien keine „Neuhei-den”, vielmehr Menschen, die sich jeder „Indoktrinationsa-gentur” (als solche werde auch die Kirche gesehen) verwei-gern. Wir leben - so Wucherer - im Zeitalter des Nihilismus, mit Zerstreuungen (wie Tou-rismus und Fernsehen) geht man iiber die Bodenlosigkeit des Daseins hinweg.

Die groBe Chance in dieser Situation sei, daB der Weg zu Grund-Erfahrungen nicht durch irgendwelche falsche Vorstellungen oder Ideologien verlegt sei. Wir konnen fest-stellen, daB wir Gutes statt B6-ses tun, segnen statt fluchen, Sinn statt Unsinn stiften konnen. Eltern-Werden konne als einzigartige Erfahrung von religioser Dimension erlebt werden. Die Frage nach dem Woher und Wohin des Menschen, nach seinem Anfang und seinem Tod, sieht Wucherer als weiteren Ansatz-punkt fiir religiose Erfahrungen.

Workshops und Gesprachsgruppen (zum Reden von Gott in der Kateche-se, in der Erwachsenenbildung, in der Predigt und in der Pastoral) erganzten das Programm der Pastoraltagung. Im AbschluBreferat betonte der Wiener Weihbischof Helmut Kratzl, daB das Reden von Gott ein standiger Lern-prozeB sei: aus der Bibel, in der Kirche und im eigenen Leben. Niemand sei dabei nur Lehrer oder nur Schiller, die Rollen konnten unerwartet wech-seln.

Erwachsene konnten von Kindern, Gerechte von Siindern, Geweihte von Ungeweihten lernen. Kratzl wehrte sich gegen Vorwiirfe, der Religions-unterricht liefere ein verkiirztes Gottesbild: „Wer ist so anmaBend, zu glauben, iiber Gott eine unverkurzte Wahrheit auszusprechen?”

Wie Kratzl darlegte, konne von Gott nur jemand glaubwiirdig reden, der mit ihm redet. Damit trafen sich seine Ausfiihrungen mit denen des Salz-burger Erzbischofs Georg Eder bei der Vesper am ersten Abend: „Nur wer selber ergriffen ist, kann andere ergreifen.” Und schlieBlich hob auch der Wiener Alterzbischof Kardinal Franz Konig bei der AbschluBmesse die Bedeutung des Gespraches mit Gott hervor: „Nur wer betet, hat Religion.”

Maximilian Aichern OSB, Bischof VOn Linz (Gurer)

„Sozialbischof” wurde 60

(ski)-„Mm muB versuchen, den Weg einer gesunden christlichen Mitte mit Blick auf das Evange-lium und auf das Lehramt der Kirche zu gehen.” In diesem Sinn geht der Linzer Bischof Maximilian Aichern, der am 26. Dezember 1992 das 60. Lebensjahr voll-endete, auf die Menschen zu, immer um Toleranz bemiiht, ohne den eigenen festen Standpunkt zu verleugnen. Dergebiirtige Wiener absolvierte nach der Matura zu-nachst die Lehre in der elterlichen Fleischhauerei, ehe er 1954 in die steirische Benediktinerabtei St. Lambrecht eintrat und 1959 in Rom die Priesterweihe empfing. 1977 wurde Aichern, schon 1964 von seinen Mitbriidern zum Abtkoad-jutor von St. Lambrecht gewahlt, Abt des Stiftes, ein Jahr spater Abt-prases der osterreichischen Bene-diktinerkongregation.

Am 15. Dezember 1981 ernann-te Papst Johannes Paul II. Maximilian Aichern zum Bischof von Linz. In Aicherns Amtszeit fielen bisher das 200-Jahr-Jubilaum der Dioze-se (1985) und der Besuch des Pap-stes in Mauthausen und Lorch (1988). In der Osterreichischen Bis-chofskonferenz ist Aichern derzeit fiir die Orden, die Katholische Ak-tion, die Katholische Arbeitnehmer-bewegung und Finanzen zustandig. Nicht nur, aber auch, weil unter seiner Federfiihrung der 1990 verof-fentlichte Sozialhirtenbrief der osterreichischen Bischofe entstand, gilt Aichern als der „Sozialbischof” unter den Oberhirten. Mit seinem unermudlichen Eintreten fiir Arme und Randgruppen, besonders auch fiir die Arbeitslosen und fiir die Fluchtlinge, steht er fiir das soziale Engagement der Kirche.

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