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Vor Seipels Abgang?

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Gegen den designierten Ersten Direktor des Wiener Kunst- historischen Museums und Nach- wie-vor-Direktor des Oberösterrei- chischen Landesmuseums in Linz, Wilfried Seipel, liege nichts Nega- tives vor, über einen verbotenen Handel mit Antiquitäten sei nichts bekannt. Bereits vor Wochen teilte die Ägyptische Altertumsbehörde in Kairo dies in einem Brief an das österreichische Wissenschaftsmini- sterium mit.

Für Erhard Busek und jeden Kenner der Szene ist somit die „Causa Seipel" auf das zusammen- geschrumpft, was der Wissen- schaftsminister treffend „Klein- Neulengbach" nennt. Umgehend hat Busek deshalb den von seiner Personalabteilung längst ausgear- beiteten Sondervertrag unter- schrieben, der den im öffentlichen Dienst stehenden Ägyptologen Wilfried Seipel zum Bundesange- stellten machen soll. Dieser Ver- trag liegt seither zur Unterzeich- nung im Finanzministerium und muß dann zur Unterschrift an das Bundeskanzleramt weitergeleitet werden.

„Die Sache leidet nicht unter der Verzögerung", meinen maßgebliche Beamte dazu, Georg Kugler leiste als interimistischer Direktor des Künsthistorischen Museums sehr gute Arbeit. Dieser Standpunkt ist, was die Leistung Kuglers in seiner nunmehrigen Doppelfunktion als Leiter der Wagenburg in Schloß Schönbrunn und als geschäftsfüh- render Erster Direktor aller Samm- lungen des Hauses betrifft, durch- aus richtig.

Trotzdem sollten bald klare Ver- hältnisse geschaffen werden, auch um der betroffenen Menschen wil- len. Seipel nützt der „Persil- Schein" aus Kairo wenig, solange das Provisorium nicht aufgehoben wird. Auch die Kulturabteilung der Oberösterreichischen Landesregie- rung würde gerne wissen, ob Seipel bleibt oder nicht.

Der Museumsbeamte, Wissen- schaftler und Manager Seipel, von dem Parlamentarier der sozialisti- schen Fraktion befürchten, er kön- ne eines der bedeutendsten Museen der Welt in die Isolation führen, hat sich nach seinem nicht gerade in freundlichem Einvernehmen mit dem Ägyptologen Manfred Bietak erfolgten Abgang aus der Teil el- Dab'a-Grabung des Österreichi- schen Archäologischen Instituts im östlichen Nildelta selbst das beste Zeugnis ausgestellt.

Nicht nur seine vorjährige Ägyp- ten-Ausstellung wurde zum Sensa- tionserfolg. Für die heurige „Mensch und Kosmos"-Schau im Linzer Schloß zeichnet sich bereits gleicher Beifall ab, und den zur Exposition aufgelegten zweibändi- gen Katalog beurteilen Wiener Fachkollegen als „einfach großar- tig".

Seipel steht in der aufstrebenden oberösterreichischen Landeshaupt- stadt ein Budget zur Verfügung, wie man es ihm in der Metropole der Alpenrepublik nie zugestehen wird. Es scheint verständlich, daß Seipel allmählich darüber nach- denkt, ob er - sollten sich die Ver- tragsverhandlungen noch lange hinziehen - seine Unterschrift un- ter den Sondervertrag geben soll.

Dem Land Oberösterreich hat er jedenfalls noch nicht seine Dienste aufgekündigt, obgleich er ursprünglich am 1. April und dann, wie verlautet, am 1. Mai in den Museumspalast an der Wie- ner Ringstraße hätte einziehen sollen.

Rechnen Seipels Gegner, die jemand anderen auf den freigewor- denen Sessel heben wollten, mit dessen Verzicht?

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