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Digital In Arbeit

Vorrang für die Familie

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„Kann man die Arbeitswelt maßgeschneidert für die Menschen gestalten?“ fragte die FURCHE in der Nr. 48/1985. Hier das Problem Arbeit und Familie aus sozialethischer Sicht.

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„Kann man die Arbeitswelt maßgeschneidert für die Menschen gestalten?“ fragte die FURCHE in der Nr. 48/1985. Hier das Problem Arbeit und Familie aus sozialethischer Sicht.

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Für eine menschengerechte und menschenwürdige Gesellschaft ist im Blick auf die Arbeitswelt die „Versöhnung“ von Arbeit und Freizeit sowie die „Versöhnung“ von Arbeitswelt und Familie besonders wichtig. Bezüglich des letzteren sollen folgende Anliegen eigens hervorgestrichen werden:

Die Familie besitzt als Ort der Menschwerdung des Menschen und als „Schule reich entfalteter

Humanität“ (II. Vatikanum, „Gaudium et spes 52“) prinzipiellen Vorrang vor der Arbeitswelt, sie darf nicht zur Sklavin wirklicher oder angeblicher ökonomischer oder sonstiger Sachzwänge der Arbeitswelt werden, vielmehr muß diese Arbeitswelt dahingehend korrigiert werden, daß Belastungen der Familie durch die Arbeitswelt abgebaut bzw. gemindert und positive Einflüsse verstärkt werden.

Der familiengerechte Arbeitslohn, eine von „Rerum novarum“ bis „Laborem exercens“ immer wiederkehrende Forderung der katholischen Soziallehre, ist in Erinnerung zu rufen, wobei die Frage der Technik etwa über Steuerkorrekturen oder Ausgleichskassen oder sonstiges ei-_gens zu diskutieren ist.

Die Humanisierung der Arbeitswelt ist weiter voranzutreiben und zu fördern, weil, vor allem längerfristig gesehen, solche Humanisierung nicht nur dem Wohlbefinden und der Zufriedenheit der arbeitenden Menschen und damit auch dem wohlverstandenen Erfolg des Unternehmens, sondern auch dem Wohl der Familie dient. In der Arbeitswelt zu Robotern und Sklaven degradierte Menschen sind wenig geeignete Partner eines glücklichen Familienlebens.

In diesem Zusammenhang ist auch vor der Sicht der Arbeit als bloßes Mittel zur „Schöpfung“ von Geld für die Gestaltung der Freizeit und somit auch des Familienbereiches, vor einem sogenannten instrumentellen Arbeitsverständnis zu warnen.

Wegen der Bedeutung der Arbeit für das Bestehen der Familie sowohl in materieller als auch in psychischer Hinsicht ist eine Politik der Vollbeschäftigung, der Arbeitsplatzerhaltung und -Schaffung und eine solidarisch-gerechte Verteilung der knapp gewordenen Arbeit auf alle zu fordern.

Soweit als möglich sind Arbeitsplätze näher zu den Menschen zu bringen, anstatt die Menschen über weite Entfernungen zu den Arbeitsplätzen zu transportieren. Für die Familie und ihr Wohlergehen ist es nicht unerheblich, wie oft man in diese von der Arbeit heimkehren kann.

Als weitere wesentliche Rahmenbedingung für familiäre Existenz in bezug auf die Ärbeitswelt ist das Angebot an Betreuungseinrichtungen mit deren Öffnungszeiten zu beachten.

Eine größere Flexibilität bei der Entscheidung über die Arbeitszeit gehört zu den Voraussetzungen einer familienfreundlichen Arbeitswelt, ebenso die Förderung der Teilzeitbeschäftigung und die Möglichkeit, nach einer Unterbrechung der Berufsausübung zur Sorge für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige wieder in den Beruf zurückkehren zu können.

Sehr wichtig für die Versöhnung von Familie und Arbeitswelt ist es auch, daß Mütter und Väter frei wählen können zwischen Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit und dabei nicht an politische, gesellschaftliche und ähnliche Vorgaben gebunden sind.

Zu solchen fördernden Maßnahmen zählen etwa:

• Erziehungsgeld und Altersversicherung für jenen Elternteil, der in der Erziehung größtenteils tätig war und ist, bzw. eine entsprechende Anrechnung der Erziehungstätigkeit für die Pension;

• entsprechend hohes Mutterschaftsgeld nicht nur für berufstätige Frauen, sondern auch für nicht berufstätige;

• Erhöhung und Staffelung der Kinderbeihilfen in einem Ausmaß, daß die kinderreichen Familien nicht zu den neuen Armen gezählt werden müssen;

• partnerschaftliche Neuverteilung von häuslichen Aufgaben und Verpflichtungen und damit zusammenhängend ein notwendiger Bewußtseinswandel, damit nicht bei Berufstätigkeit der Frau ihr die Hausarbeit ausschließlich oder vorwiegend zugewiesen wird;

• schließlich der Abbau der Fast-Diskriminierung der Nur-Haus-frau und Mutter und eine gesellschaftliche Aufwertung der Aufgabe der Kindererziehung, weil darin das Meisterwerk der Schöpfung, nämlich der Mensch, in den entscheidendsten Entwicklungsjahren liebend geformt werden darf und kann.

Der Autor ist Vorstand des Institutes für Ethik und Sozialwissenschaft in Graz.

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