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Vorschule und verbale Beurteilung erfolgreich

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Im heurigen Schuljahr läuft der 1971 eingeleitete Schulversuchszeit-raum aus. Seit 1971 existiert im Unterrichtsministerium ein eigenes Referat für Schulversuche. Die Regierungspartei sieht in der kürzlich vorgelegten 6. Schulorganisationsno-velle neben der Uberführung einiger Versuche in die Regelschule vor allem die Verlängerung einzelner Versuche vor. Auf Grund der vorverlegten Nationalratswahlen ist die Novelle zwar begutachtet worden, erfährt aber keinerlei weitere Behandlung im Parlament. Sie muß nach den Wahlen neu eingebracht werden. Die Volkspartei will die Zustimmung zur Verlängerung der Schulversuche nicht so ohne weiteres geben. Bis zum Schuljahr 1983/84 soll laut ÖVP die Entscheidung über die laufenden Versuche getroffen werden: „12 Jahre sind genug!“ Dennoch denkt niemand daran, den Schulversuch als Mittel der Anpassung an gesellschaftliche Veränderungen einerseits und der Verbesserung der Institution Schule anderseits abzuschaffen; im Gegenteil: es existieren bereits in allen Parteien Anregungen für neue Schulversuche.

Nachdem viele Materien der Bildungspolitik parlamentarische Zweidrittelmehrheit erfordern, werden sich die Vorstellungen der Volkspartei wohl in gewissem Rahmen durchsetzen: Jedenfalls muß nach den Wahlen die konkrete Diskussion um die Ergebnisse der Versuche und damit um die gesetzliche Eingliederung in das reguläre Schulsystem beginnen.

Vorschulklassen - Zwischen Kindergarten und Grundschule

Unumstritten erscheinen die Versuche „Vorschulklassen“ und „fremdsprachliche Vorschulung in den 3. und 4. Volksschulklassen“. Sie laufen bereits seit 1962/63.

In den Vorschulklassen sollen annähernd gleiche Startchancen für jene Kinder hergestellt werden, die „trotz ihrer normalen Intelligenz aus verschiedenen, häufig in ihrer so-zio-ökonomischen Situation begründeten Umständen zum Zeitpunkt des Schuleintrittes die volle Schulfähigkeit noch nicht erlangt haben“. Sie werden vorläufig vom Schulbesuch zurückgestellt. In den Vorschulklassen betreuen nun besonders vorgebildete Lehrer diese Kinder in kleinen Gruppen (bis maximal 18 Teilnehmer) mit dem Ziel, durch individuelle, kindgerechte Förderung die Entfaltung der Persönlichkeit und den Prozeß der Sozialisation zu begünstigen. Der Besuch solcher Klassen ist freiwillig.

Zur Diskussion stehen in diesem Zusammenhang die Zahl der zurückgestellten Kinder auf dem Land - für geringe Schülerzahlen wird die Organisation und Finanzierung derartiger Einrichtungen zum Problem -und die inhaltliche Abgrenzung zum Kindergarten. Insbesondere wird heute schon erwogen, zu einem späteren Zeitpunkt die freiwillige Vor-

Kalksburg erweitert

Da sich die Tagesheimschule im Privatgymnasium des Jesuitenkollegiums in Kalksburg eines regen Zuspruchs erfreut, plant die Leitung der Schule eine Erweiterung des Schulversuches.

Ab dem Schuljahr 1979/80 werden drei erste Klassen geführt werden, das Rektorat nahm bis Ende Februar Anmeldungen entgegen. Die Schüler werden im Tagesinternat auch am Nachmittag von Erziehern und Professoren in der Freizeit und beim Lernen betreut.

Schulung für alle Kinder einzuführen. Sektionschef Leo Leitner, oberster Chef des Zentrums für Schulversuche im Unterrichtsministerium, könnte sich in einer neuen Schulver-suchsphase die „Vorschule für alle Fünfjährigen“ als einen Teilversuch zur „Neugestaltung der Grundschule“ vorstellen, als ersten Schritt zum Abbau der derzeit abrupten Ubergänge innerhalb des Schulsystems.

Der „Schulversuchs-Pressedienst“ untersuchte Anfang 1979 unter anderem den Schulversuch „Eingangsstufe“. Diese Stufe verbindet die Vorschulklasse mit der 1. und 2. Schulstufe zu einer pädagogischen Einheit. Statt punktueller Schulreifeüberprüfung wird in einer sechswöchigen Beobachtungsphase mit anschließender Entscheidung die Individuallage des einzelnen Schülers berücksichtigt.

Erfolgserlebnis durch verbale Beurteilung

In Ergänzung dazu läuft der Schulversuch „Verbale Beurteilung auf der

1. und 2. Schulstufe“: Die Schulnachrichten bis zum ersten Semester der

2. Klasse enthalten eine in Worte gefaßte. Mitteilung über den allgemeinen Fortgang des Kindes. Fazit: Während die Regelschule (1. und 2. Stufe) im Jahresdurchschnitt eine Repetentenzahl von 7,3 Prozent aufweist, sind es im Schulversuch lediglich 4,7 Prozent (Rückgang um mehr als ein Drittel).

Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß die verbale Beurteilung im Vergleich zur Gesamtnote enorme pädagogische Vorteile für Lehrer und Eltern mit sich bringt. Wird doch zunächst einmal der Lehrer dazu angehalten, über das Spektrum der Fähigkeiten eines Kindes nachzudenken, auf Details einzugehen. Der Lehrer erkennt es und vermittelt dies den Eltern.

Jeder Schüler besitzt individuelle Begabungen, die im Zeugnis anerkannt werden, aber auch weniger entwickelte Anlagen. Diese werden so beschrieben, daß der Schüler zu Mehrleistung motiviert und aktiviert wird.

Überdies garantiert' die differenzierte Beschreibung eine umfassende Information für Eltern und Schüler. Alle Betroffenen erfahren, in welchem Bereich das Kind gute Erfolge erzielt - dort wird ihm ein Erfolgserlebnis vermittelt, der Motor aller Leistungsfähigkeit - und in welchem es sich noch bemühen muß. Die Beurteilungen vermeiden negative Formulierungen und autoritäre Diktion.

Neben erstklassigen Qualifikationen finden wir etwa: „... seine schriftlichen Arbeiten könnten bei ein bißchen gutem Willen besser sein, seine besondere Begabung auf graphischem Gebiet ist auffallend“; ,,... im Lesen bringt sie es zu ausgezeichneten Leistungen, auch ihre noch vorhandene manuelle Ungeschicklichkeit hat sich seit Schulbeginn wesentlich gebessert“. Oder: „... bei etwas mehr häuslichem Fleiß könnte er in Deutsch und Lesen besser sein. Bei seinen Mitschülern ist er recht beliebt.“

Und dies bringt Erfolg. Die Kinder gewinnen Selbstvertrauen, fühlen sich angesprochen und bejahen die Leistung. Sie freuen sich am Erfolg und bemühen sich, besser zu werden. Die Schulangst wird verringert.

(Ein erster Beitrag zur Gesamtschule erschien in Nr. 10 vom 17. März. Die Reihe wird fortgesetzt.)

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