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Vorsicht bleibt geboten

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Überraschend ist Finanzminister Hannes Androsch mit einem Gesetzentwurf an die Öffentlichkeit getreten, derdie Abschaffung des Kinderabsetzbetrages von der Lohn- und Einkommensteuer unter gleichzeitiger Erhöhung der Familienbeihilfe vorsieht. Ein Viertel der rund 1,2 Millionen Anspruchsberechtigten auf Familienbeihilfe, die mangels eines entsprechenden Einkommens wenig oder keine Steuer zahlten und daher nicht oder nur zum Teil in den Genuß des Absetzbetrages kamen, sollen ab dem kommenden Jahr eine um 350 Schilling höhere Familienbeihilfe erhalten.

Androsch ist mit diesem Gesetzentwurf einer bereits vor drei Jahren von den Interessenvertretem der Familien erhobenen Forderung nachgekommen. Ihre Erfüllung kostet die Regierung nichts, weil das Gesetz die Aufbringung der zur Erhöhung der Familienbeihilfen für die Kleinstverdiener erforderlichen 1900 Millionen Schilling ausschließlich dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen auferlegt, der bekanntlich nicht vom Budget finanziert wird.

Abgesehen davon macht noch jene Stelle im Gesetz stutzig, an der von der Refundierung der vom Familienlastenausgleichsfonds zusätzlich ausgezahlten Gelder durch allgemeine Budgetmittel die Rede ist. Hier heißt es, ab dem Jahre 1979 solle der Familienfonds vom Finanzminister 7224 Millionen Schilling jährlich erhalten, da ja durch die Einstellung der Kinderabsetzbeträge im Bundesbudget Mittel frei werden, anderseits durch die gekoppelte Direktauszahlung dem Familienlastenausgleichsfonds erhebliche Mehrbelastungen entstehen.

Der Wortlaut „ab 1979” kann aber nicht anders verstanden werden, als daß Androsch den Ausgleichsfonds mit einem fixen Betrag abspeisen wül, ohne auf die laufende Geldentwertung Rücksicht zu nehmen. Das sollte einmal bei den Pensionisten versucht werden! Hatte doch der Gesetzgeber bei den Pensionisten wie bei den Familienbeihilfen im Sinne, die jeweiligen Zahlungen in dem Maße steigen zu lassen, in dem die Realeinkommen der Berufstätigen steigen.

Bezeichnend für das Demokratieverständnis der Regierung ist, daß ihr Vizekanzler und Finanzminister den Gesetzentwurf über die Neuregelung der Famüienbeihilfen ausarbeiten hat lassen, ohne den beim Bundeskanzleramt bestehenden Familienpolitischen Beirat damit zu befassen. Erst nachträglich konnte er dazu Stellung nehmen und auf Grund des Wortlauts und der Erfahrungen in der Vergangenheit nachdrücklich fordern, daß eine kommende Steueranpassung an die laufende Geldentwertung - an eine echte Steuersenkung ist bei dem Schuldenberg des Staates ohnedies nicht zu denken - nicht wieder auf Kosten der Familien gehen dürfe.

Es darf daher mit einer fixen Abschlagszahlung von den im Gesetz genannten 7224 Millionen Schilling nicht sein Bewenden haben. Dieser Summe liegt der Kinderäbsetzbetrag von 4200 Schilling aus dem Jahre 1975 zugrunde. Bis Ende des Vorjahres sind die

Preise bereits um mehr als 13 Prozent gestiegen. Selbst Optimisten können nicht glauben, daß bis 1979 der Anstieg unter 25 Prozent, bezogen auf den Stand von Jänner 1975, liegen werde. Wenn schon keine reale Steuersenkung, zumindest eine Abgeltung des Preisanstieges müßte den Familien zugestanden werden und in den jährlichen Leistungen aus dem Steueraufkommen an den Ausgleichsfonds zum Ausdruck kommen.

Ein Antrag des österreichischen Famüienbundes in der letzten Sitzung des Familienpolitischen Beirates wurde erfreulicherweise auch mit Stimmen sozialistischer Vertreter angenommen, wonach bei einer kommenden Steuersenkung die Absetzbeträge von der Steuer neu berechnet und eine dementsprechend erhöhte Zahlung an den Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen erfolgen müsse. Auch über einen Antrag des Katholischen Familienverbandes bestand Einmütigkeit, daß mit kommendem Jahr eine Erhöhung der Familienbeihilfen erfolgen sollte.

Beides Beschlüsse, die aber noch nicht bedeuten, daß damit die Sache der Familien schon gewonnen ist; 1970 gab es einen Beschluß im Familienpolitischen Beirat, die mit dem Alter eines Kindes wachsenden Unterhaltskosten durch eine Altersstaffelung der Familienbeihilfen zu berücksichtigen. Die Regierung Kreisky ging aber glatt über diesen einstimmigen Beschluß hinweg; es gab keine Altersstaffelung, dafür eine Schulbuchaktion, die vom Rechnungshof als die kostspieligste aller möglichen Lösungen zur Versorgung der Kinder mit Schulbüchern kritisiert worden ist.

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