7214515-1992_44_06.jpg
Digital In Arbeit

Vorsorgen statt reparieren

19451960198020002020

Bisher schlössen Eigenvorsorge-interessierte eine private Krankenversicherung ab, um die Vorzüge der Sonderklasse in Anspruch nehmen zu können. Ab jetzt gibt es weitere Vorteile: Wer sich eine private Spitals(zusatz)-Versicherung leistet, wird in ein dreiteiliges Gesundheits-Service integriert.

19451960198020002020

Bisher schlössen Eigenvorsorge-interessierte eine private Krankenversicherung ab, um die Vorzüge der Sonderklasse in Anspruch nehmen zu können. Ab jetzt gibt es weitere Vorteile: Wer sich eine private Spitals(zusatz)-Versicherung leistet, wird in ein dreiteiliges Gesundheits-Service integriert.

Werbung
Werbung
Werbung

In der Wohlstandsgesellschaft ist die Meinung verbreitet, daß mit den Beiträgen an die Krankenkasse auch die Eigenverantwortung für die Gesundheit an den Staat abgegeben werden kann. Die Folgen dieser Einstellung sind bekannt. Man betreibt Raubbau an seiner Gesundheit durch Fehlernährung, Bewegungsmangel, Suchtgiftmißbrauch und so weiter, fordert aber bei kleinsten Gesundheitsstörungen energisch von Staat, Versicherungen, Spitälern et cetera eine „Reparatur" seines Körpers.

Die Lebensgewohnheiten werden freilich nicht geändert, weil ja immer mehr und teurere Behandlungen prompte Beschwerdefreiheit versprechen. Warum soll zum Beispiel ein Kettenraucher wegen eines Katarrhs das Rauchen aufgeben, wenn doch Codeintropfen raschest alle Krankheitssymptome beseitigen?

Die Ausgabenzuwächse im heimischen Gesundheitswesen übertreffen bereits die kühnsten Vorstellungen, ohne daß eine adäquate Verbesserung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung eintritt.

Auch die private Krankenversicherung war bisher viel zu stark auf „Reparaturmedizin" ausgerichtet. DerGe-sundheitsförderung wurde kaum Augenmerk geschenkt. Mit einem völlig neuen Dienstlei-stungssy stem haben einige Privatversicherer den Weg von der Krankenversicherung zur Gesundheitssicherung beschritten.

Worin liegt der Unterschied zu früher? Bisher schlössen Eigen-vorsorgeinteressierte eine private Krankenversicherung ab, um im Fall ernster Krankheiten die Vorzüge der Sonderklasse in Anspruch nehmen zu können. Zusätzlich wurden (und werden) gerne ambulante Versicherungen abgeschlossen, die auch außerhalb des Spitals eine Behandlung als Privatpatient gewährleisten.

Ab jetzt gibt es weitere Vorteile: Wer sich heute eine private Spi-tals(zusatz)-Ver-sicherung leistet, wird in ein dreiteiliges Gesundheits-Service integriert, das aus

□ Maßnahmen zur Gesunderhaltung (Vorsorge),

□ Hilfe im Krankheitsfall,

□ Maßnahmen zur Nachsorge besteht.

Vom ersten Tag an kann der Kunde - ohne erst erkranken zu müssen - wichtige Maßnahmen zur Gesunderhaltung in Anspruch nehmen. Beim größten privaten Krankenversicherer zum Beispiel erfolgen diese zusätzlichen Dienstleistungen im Rahmen des gemeinnützigen Vereins „Vital-Club", dessen Mitgliedschaft der Versicherte automatisch und ohne zusätzliche Kosten erwirbt.

Es wird eine Art Hilfe zur Selbsthilfe geboten. So führt etwa der „Vital-Club" in allen Bundesländern Gesundheitstage mit Beratungen und Tests, Fachvorträgen, Fitneßveranstaltungen und so weiter durch. Der Versicherte kann aber auch zu ermäßigten Preisen verschiedene Gesundheitsartikel oder -dienstleistungen beziehen.

Spitzenleistungen dieses Clubs stellen die Gesundheitszentren dar, in denen spezielle Aktionen und Aktivitäten zur Früherkennung von Krankheiten und zur Prüfung gesundheitlicher Risikofaktoren angeboten werden. Ebenso gibt es dort Beratung für notwendige diagnostische Maßnahmen und einen Bereitschaftsdienst, der Tag und Nacht in Anspruch genommen werden kann.

Der zweite Bereich des neuen Gesundheits-Service beinhaltet jene Dienstleistungen, die mit dem Gesundwerden zusammenhängen. Dazu zählt einerseits die Beratung. Andererseits gehört die Finanzierung aller notwendigen ärztlichen Behandlungsmaßnahmen und Krankenhausaufenthalte dazu.

Die private Krankenversicherung führt immer wieder an, daß das Wohlbefinden des Patienten in der wohnlichen Atmosphäre eines Sonderklassezimmers in der Art eines komfortablen Hotelzimmers (mit Dusche oder Bad, WC, Telefon, Fernsehen, Kühlschrank und so weiter) den Genesungsprozeß positiv beeinflussen kann. Neueste Forschungsergebnisse liefern wissenschaftliche Beweise für die Richtigkeit dieser Feststellung.

Die vereinfachte Handhabung und Verbilligung medizinisch-technischer Geräte läßt heute auch in der Ordination Untersuchungen und Behandlungen zu, die noch vor wenigen Jahren nur im Krankenhaus durchgeführt werden konnten. Immer mehr Ärzte führen Laboruntersuchungen in der Praxis durch. Der Patient kann oft auf das Ergebnis warten. Sogar kleine chirurgische Eingriffe sind in Einzel-ordinationen heute durchführbar.

Auch der Zusammenschluß mehrerer Fachärzte „unter einem Dach" in sogenannten Gemeinschaftspraxen setzt sich immer stärker durch. Diese Form der Zusammenarbeit gibt den Patienten die Möglichkeit, die Leistungen verschiedener Spezialisten ohne längere Wartezeit und Wege in Anspruch zu nehmen.

Tageskliniken bieten dem behandelnden Arzt Möglichkeiten zu chirurgischen Eingriffen, die eine umfassendere technische Ausstattung voraussetzen, als sie üblicherweise in einer Praxis vorzufinden ist. Ein stationärer Aufenthalt ist in Tageskliniken nicht vorgesehen.

Wer diese Einrichtungen in Anspruch nimmt, beweist neben Quali-täts- auch Kostenbewußtsein. Die Prämien der Zusatzversicherung sind nämlich für notwendige Krankenhausaufenthalte kalkuliert. Kommt - wie das in den letzten Jahren immer häufiger der Fall war - eine Fülle nicht notwendiger Spitalsaufenthalte hinzu, explodieren die Kosten. Das Argument mancher einweisender Ärzte „Legen Sie sich auf die Sonderklasse, Ihnen entstehen ja keinerlei Kosten" ist ein Trugschluß. Das gesamte Leistungsvolumen einer Versicherung wird nämlich ausschließlich von den Versicherten über ihre Prämien finanziert. Steigen die Aufwendungen für Spitalsaufenthalte überdurchschnittlich an, müssen auch die Prämien angehoben werden. Somit sind die Krankenhausrechnungen von „heute" die Prämien von „morgen". Sinken die Aufwendungen, erwachsen dem einzelnen Versicherten Vorteile.

Um möglichst viele Spitals(zusatz)-Versicherte zum Kostenbewußtsein zu animieren, ohne daß sie auf medizinische Qualität verzichten müssen, haben einige private Krankenversicherer folgende Regelung getroffen: Bei Tarifen, die bei Spitalsaufenthalten Selbstbehalte vorsehen, werden die vollen Operationskosten (bis zu gewissen Höchstgrenzen) abgegolten, wenn der Eingriff in Tageskliniken oder Arztpraxen erfolgt.

Der Bereich der Nachfrage bezieht sich darauf, dem Privatpatienten den Weg in eine gesunde Lebensweise aufzuzeigen, um für die Zukunft Krankheiten soweit wie möglich zu verhüten. Auch dafür wird eine Reihe von Möglichkeiten geboten. Diese reichen vom kostenlosen Bezug diverser Gesundheitsbroschüren bis zur Kontaktnahme mit Selbsthilfegruppen (zum Beispiel „Frauen nach Krebs").

Das neue von der privaten Krankenversicherung propagierte System der Gesundheitssicherung ist gewiß geeignet, eine Reihe schwerer Krankheiten erst gar nicht entstehen zu lassen. Krankheiten die nicht ausbrechen, können auch keine Kosten erzeugen. Allerdings wäre es ein Irrtum anzunehmen, daß sofort mit Kostenreduktionen zu rechnen ist. Vielmehr wird die neue Form der Gesundheitsförderung zunächst zusätzliche Kosten erzeugen, da eine große Lebensumstellung im Hinblick auf Ernährung, Fitneß, Vorsorgeuntersuchungen ohne ärztliche Beratung in der Regel nicht zu lösen ist.

Mittel- und langfristig gesehen dürfte jedoch dieses, sehr stark auf Eigenverantwortlichkeit ausgerichtete System der Gesundheitssicherung eine Minderung des Kostendrucks bewirken.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung