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Vorverurteilungen

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FURCHE: Im Zusammenhang mit der Lucona-Affäre ist die Justiz unter Beschuß geraten. Müssen heute die Medien anklagen?

EGMONT FOREGGER: Ich wünsche mir, daß die Medien nach genauester Information und nach bestem Wissen und Wollen berichten. Offenbar kann man das heute nicht verlangen. Ich will den Medien nichts ankreiden, aber in unserer Zeit - mit täglich neuen Sensationen — geht das wahrscheinlich nicht.

Als ich in die Justiz eintrat, gab es noch Bestimmungen, daß bestraft wird, wer sich über Verfügungen der Behörden lustig macht. Das haben wir über Bord geworfen. Und ich bekenne mich dazu. Eine Justiz, die nicht in der Lage ist, mit ihren Prinzipien zu überleben, nur weil manches als unerhörte Schweinerei bezeichnet wird, ist ungeeignet für einen demokratischen Staat.

Auch ein Justizminister muß sich Vorwürfe gefallen lassen, sie ernst nehmen und prüfen, ob er seine Ansichten korrigieren muß. Ich glaube, daß dažu auch die Staatsanwaltschaften imd die Gerichte in der Lage sind.

FURCHE: Wie beurteilen Sie die Stimmungsmache in den Medien in Sachen Lucona-Aus-schuß? Politische Konsequeruen hat es schon gegeben.

FOREGGER: Ich sehe mit Betrübnis, daß Vorverurteilungen in den Medien für die Betroffenen mit zum Teil sehr schweren Folgen verbunden sind. Niemand verliert seine Wohnimg oder seine Arbeit, aber das politische Amt kann schon verloren gehen.

Ich glaube, daß man nicht wollen kann, daß schon durch das Aufzeigen eines Verdachtes schwerstwiegende Folgen entstehen. Aber das ist nicht der Bereich der Justiz. Als Jurist, als Fachmann des Justizrechtes und als Bürger dieses Landes bedaure ich, daß Leute durch den Kakao gezogen werden, bevor man etwas Handfestes weiß.

Die Justiz fühlt sich hier eigentlich unschuldig. Sie ist nun einmal eine nach den Prinzipien der Öffentlichkeit vorgehende Einrichtung, die nicht im Geheimen agiert. Von uns geht verhältnismäßig viel an die Öffentlichkeit. Es ist nur die Frage, was die Öffentlichkeit damit macht. Wir halten uns fern von jeder Vorverur-teilimg. In steigendem Maß haben wir die Bedeutung der Unschuldsvermutung erkannt.

Ich hoffe, daß die Bevölkerung - und mit ihr die Medien—lernen, daß der Verdächtigte noch nicht der Beschuldigte, und der Beschuldigte noch nicht ein Verurteilter ist. Und dazu müssen wir ein bißchen unsere Zimge im Zaum halten.

FURCHE: Dürfen die Medien Speerspitze dort sein, wo der Eindruck besteht, da bringt die Justiz nichts weiter?

FOREGGER: Das dürfen sie. Ich würde den sogenannten Auf-deckimgsjournalismus keineswegs verdammen oder ihn besonders kritisieren. Wenn Zeitungen Ubelstände aufgreifen, erfüllen sie durchaus ihre Aufgabe. Und ich meine auch, daß sie — von der Justiz aus gesehen - damit etwas Nützliches machen. Denn es gibt halt Leute, die sich lieber einem Journalisten als einem Polizisten anvertrauen. Das hat mit Bequemlichkeit zu tun, aber auch mit der Tatsache, daß Zeitungen nicht abgeneigt sind, für Informationen etwas zu zahlen, während man von ims keinen Groschen bekommt. Mir ist es aber lieber, es wird auf diesem Weg etwas aufgedeckt als gar nicht. Nur in einem gedachten Idealstaat, den wir anstreben sollen, zeigt der Bürger bei Polizei oder Staatsanwaltschaft an.

FURCHE: Haben Sie in Sachen Lucona-Untersuchungsausschuß einmal aufgeschrien, weil Medien in ihrer Berichterstattung eine bestimmte Grenze überschritten haben?

FOREGGER: Ich habe nicht aufgeschrien. Nicht weil ich temperamentlos wäre, sondern weil ich glaube, daß es noch keinen Fall einer Überschreitung von Funktionsgrenzen gegeben hat. Der Ausschuß handelt ja nicht den Lucona-Strafprozeß ab. Es geht um politische Verflechtxm-gen, um politische Verhaltensweisen, was wiederum die Gerichte nicht zu beurteilen haben. Ob sich ein Politiker klug verhalten hat, ob er unter mehreren rechtlich zulässigen Möglichkeiten die richtige ausgewählt hat, ist nicht Sache der Justiz. Dafür ist der Ausschuß da, imd ich glaube, dieser Aufgabe kommt er nach.

FURCHE: SP-Justizsprecher Sepp Rieder hat gemeint, die SPO habe viel Aufdeckungsarbeit geleistet, jetzt müsse auch die OVP nachziehen. Empfinden Sie solche Aussagen als Druck?

FOREGGER: Das ist eine politische Aussage, die ich nicht bewerte. Parteinähe oder -ferne sind nicht meine Kategorien. Ich glaube auch, daß Staatsanwälte und Richter so stark von ihrer Unabhängigkeit durchdnmgen sind, daß sie sich nicht nach politischen Erklärungen richten, sondern tim, wovon sie meinen, daß es dem Gesetz entspricht. Unsef-e Kategorie ist der Tatverdacht. Und dem Tatverdacht muß ohne Ansehen der Person nachgegangen werden. Ich habe den Eindruck, daß es durchaus Verdächtigungen in mehreren Bereichen der Politik gibt.

FURCHE: Sind aufgrund der Lucona-Berichterstattung irgendwelche Schritte zur Zähmung der Medien vorgesehen?

FOREGGER: Ich höre gelegentlich von solchen Wünschen. Ich habe aber keine Pläne in dieser Richtvmg. Mit dem Mediengesetz von 1982 - und seinen liberalen Bestimmungen - können wir gut arbeiten. Eine zweitrangige Frage ist, ob man die vorgesehenen Strafbeträge irgendeinmal valorisiert. Das wird geschehen. Ich glaube aber nicht, daß wir schärfere Bestimmungen brauchen.

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