7067418-1992_10_01.jpg
Digital In Arbeit

Vorwürfe wegen Hilfe für Nazis

Werbung
Werbung
Werbung

Für die Hilfe katholischer Geistlicher im Vatikan an Nazi-Verbrechern nach dem Zweiten Weltkrieg ist nach den Worten des Leiters des Jüdischen Dokumentationszentrums in Wien, Simon Wiesenthal, „nicht der ganze Vatikan verantwortlich". Wie Wiesenthal gegenüber der FURCHE betonte, müsse der Vatikan jedoch erklären, daß- - wenn es diese Hilfe gegeben hat - so etwas „ohne unser Wissen" geschehen sei. „Das ist das Minimum, was der Vatikan tun kann."

Konkret geht es um den aus Graz stammenden Bischof Alois Hudal, seinerzeit Anima-Rektor in Rom, der in seinen Memoiren bekannte, Nazis zur Flucht ver- und auch anderweitig geholfen zu haben. Wiesenthal verweist in diesem Zusammenhang auf den besonderen Fall des Wiener Polizeipräsidenten Gustav Adolf Wächter zur Zeit der Machtübernahme der Nazis in Österreich, später Gouverneur des Distrikts Galizien, mitverantwortlich für den Tod mehrerer hunderttausend Juden, den Hudal geschützt, dem er geholfen habe. Wächter sei unter falschem Namen im Spital in Castelgandol-fo gestorben. Wiesenthal zitiert Hudal, der von Wächter vor dessen Tod das Bekenntnis entgegengenommen habe, wie sehr Wächter bedau-re, daß die SS nicht zu einer Verständigung mit der Kirche gekommen sei, denn dadurch wäre vieles ganz anders in Deutschland und Europa gelaufen.

Als weitere kirchliche Persönlichkeit, die Nazis zur Flucht verholfen habe, nennt Wiesenthal den kroatischen Monsig-nore Draganovic. Mit seiner Hilfe habe Adolf Eichmann die Ausreise nach Argentinien geschafft. Wiesenthal verweist darauf, daß diese Flüchtlinge offiziell durch die Institution „Hilfe des Vatikans für ausländische Flüchtlinge" hindurch mußten. Danach hätten sie den internationalen Rotkreuz-Paß bekommen, mit dem sie das Visum erhalten konnten. „Nun müßte sich doch die Kirche dafür interessieren, wer diese Leute waren. Das war doch eine vatikanische Hilfsorganisation, Sektion Emigration", wundert sich Wiesenthal.

Der Kommandant von Treblinka, den Wiesenthal in Sao Paulo entdeckte, der dann nach Deutschland ausgeliefert wurde, habe bei seinem Prozeß in Düsseldorf bereits am ersten Tag zu Protokoll gegeben, daß Nazis in Internierungslagem und Gefängnissen wußten, daß sich Katholiken nur nach Rom zu Bischof Hudal durchschlagen mußten. Für die Protestanten war Hudals Stellvertreter Heineman zuständig. Wiesenthal: „Da sind ja Hunderte hingegangen und in vielen Fällen hat die Internationale Caritas geholfen. Ganz Italien hat es gewußt." In diesem Zusammenhang zitiert Wiesenthal aus Hudals Memoiren, wonach Hudal Gott dafür danke, viele Opfer der Nachkriegszeit in Kerkern und Konzentrationslagern besuchen und trösten habe dürfen - „und nicht wenige mit falschen Ausweispapieren durch Flucht in glücklichere Länder entrissen zu haben". Auch der stellvertretende Kommandant von Sobibor sei „über Hudal gegangen". Im Anima-Archiv-so Wiesenthal - gebe es viele Dankschreiben von Verbrechern aus argentinischen und anderen Städten.

Hudal habe unter anderen auch Kontakt mit dem damaligen Sekretär des Äußeren, Giovanni B. Montini, dem späteren Papst Paul VI. gehabt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung