Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Wachstum nicht zu Lasten des Schillings
Für 1971 muß in Österreich mit einem schwächeren Wachstum und einem beschleunigten Kosten- und Preisauftrieb gerechnet werden. Eine Verlangsamung des Wachstumstempos ist an sich nicht besorgniserregend. Die uns vertraute graphische Darstellung der jährlichen prozentuellen Zuwachsraten des Bruttonationalproduktes gibt in dieser Hinsicht ein falsches Bild: Der Rückgang einer sehr hohen Zuwachsrate auf eine geringere zeigt keine Talfahrt der Wirtschaft an, sondern lediglich einen etwas mäßigen weiteren Aufstieg. Für die Erhaltung der Kaufkraft unserer Währung kann die Verringerung der Anspannungen nur begrüßt werden.
Für 1971 muß in Österreich mit einem schwächeren Wachstum und einem beschleunigten Kosten- und Preisauftrieb gerechnet werden. Eine Verlangsamung des Wachstumstempos ist an sich nicht besorgniserregend. Die uns vertraute graphische Darstellung der jährlichen prozentuellen Zuwachsraten des Bruttonationalproduktes gibt in dieser Hinsicht ein falsches Bild: Der Rückgang einer sehr hohen Zuwachsrate auf eine geringere zeigt keine Talfahrt der Wirtschaft an, sondern lediglich einen etwas mäßigen weiteren Aufstieg. Für die Erhaltung der Kaufkraft unserer Währung kann die Verringerung der Anspannungen nur begrüßt werden.
Eine wirkliche Gefahr droht durch solche, die meinen, das Wachstum des Vorjahres müsse um jeden Preis aufrechterhalten werden, und auch durch jene, die die Auffassung vertreten, ein solches Wachstum der Volkswirtschaft könne durch eine milde Inflation stimuliert werden. Sie vertreten die Ansicht, ein ständiger leichter Überhang der monetären Gesamtnachfrage über das effektive Angebot sei bei Vollbeschäftigung eine notwendige Bedingung für ein weiteres Wirtschaftswachstum. Erst der kontinuierliche Nachfragedruck bewirke entsprechende Gewinnaussichten der Unternehmer und damit den Anreiz, immer wieder neu zu investieren. Der Staat müsse deshalb für ständige Übemachfrage sorgen.
Neben der Bagatellisierung der Inflation sehe ich derzeit in dem weitverbreiteten Irrtum die größte Gefahr, eine stetige Geldentwertung müsse als Ansporn und notwendiger Preis für die Erzielung entsprechender Wachstumsraten toleriert werden.
Ist es wirklich richtig, daß ein laufender Geldwertschwund die Mehrproduktion von Gütern und Leistungen begünstigt?
Gerade wegen der Verbreitung diese: Ansicht hat sich in der letzten Zeit eine Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen mit diesem Problem beschäftigt. Sie kommen zu dem Schluß, daß eine schleichende Geldentwertung das Wachstum nicht nur nicht fördert, sondern hemmt; daß Wirtschaftswachstum und Stabilität des Preisniveaus keine Gegensätze sind, sondern daß die Erhaltung der Kaufkraft des Geldes vielmehr die
Preissteigerungen: Keine Voraussetzung für eine florierende Wirtschaft
Photo: Waschei
Voraussetzung für ein optimales Wirtschaftswachstum ist Welche Überlegungen berechtigen zu diesen — für manche vielleicht überraschenden — Schlußfolgerungen?
Ist ein Inflationsprozeß einmal in Gang gekommen, so sind allein schon zu seiner bloßen Dosierung immer wieder Kreditrestriktionen der Währungsbehörden oder Aus gabenbeschränkungen der öffentlichen Hand notwendig. Diese lassen expandierende Kapazitäten, vielleicht sogar Arbeitskräfte, und damit jedenfalls Wachstumschancen ungenützt, unabhängig davon, ob die Bemühungen um die Stabilisierung eines einmal in Bewegung geratenen Preisniveaus erfolgreich sind oder nicht. Sind massivere monetäre oder fiskalische Bremsmanöver notwendig, bewirken sie unter Umständen sogar Wachstumsverluste.
Währungsstabilität und Wirtschaftswachstum
Jüngste Studien über den Zusammenhang zwischen Währungsstabilität und Wirtschaftswachstum haben ergeben, daß eine Ausweitung der Geldmenge nur so lange mit einem Anstieg des realen Volkseinkommens parallel läuft, als die Preise nicht in Bewegung geraten. Länder mit den stärksten Ausweitungen der Geldmenge weisen keineswegs die höchsten realen Wachstumsraten, sondern häufig lediglich die höchsten Inflationsraten auf. Sehr hohe Wachstumsraten der Geldmenge sind in einer vollbeschäftigten Wirtschaft mit niedrigeren Wachstumsraten des realen Sozialproduktes verbunden. Ein positiver Zusammenhang zwischen Inflations- und Wachstumsrate wird von den Realitäten nicht einmal kurzfristig bestätigt. Auch die in jüngster Zeit vieldiskutierte Studie der OECD über das gegenwärtige Inflationsproblem hält die derzeitigen hohen Inflationsraten für wachstumsschädlich. Sie vermehren die Unsicherheit über die Preisentwicklung der nächsten Jahre und stören damit die längerfristigen Finanzierungs- und Investitionsprogramme.
Der Preis als Barometer für relative Disproportionen zwischen Angebot und Nachfrage verliert ferner seine verläßliche Signalfunktion. Er täuscht durch nominelle Steigerungen Gewinnchancen vor und lenkt damit die Produktionsfaktoren in unteroptimale Kombinationen, zum falschen Einsatz von Arbeitskräften und zu volkswirtschaftlichen Fehlinvestitionen. Durch bloß nominelle Gewinnchancen und Lohn- und Gehaltssteigerungen wird auch der Druck gemildert, wenn nicht beseitigt, der eine Voraussetzung für Strukturbereinigungen ist, wie sie zur Erhaltung eines optimalen langfristigen Wachstums immer notwendig sind.
Besteuerung von Scheingewinnen Zu einer weiteren Verzerrung führen die progressiven Steuern, die eine Besteuerung ‘von Scheinwinnen und lediglich nominelle Einkommenszuwächsen bewirken und die Investitionsmöglichkeiten aus eigenen Mitteln und die Bereitschaft zur Leistungssteigerung beschränken. Kommt es gar zu einer Beeinträchtigung des Sparprozesses, so liegt die Wachstumsschädlichkeit einer anhaltenden schleichenden Inflation auf der Hand. Ist es aber einmal so weit, dann wäre es zu einer raschen Umkehr zu spät.
Die Erfahrungen der Nachkriegszeit lehren denn auch, daß die Erhaltung des Geldwertes das Wirtschaftswachstum fördert, während anhaltende Kaufkraftverluste das reale Wirtschaftswachstum ungünstig beeinflussen.
Dies nur als Beispiele für die guten Argumente, die jene für sich in Anspruch nehmen können, die wohl ein möglichst hohes Wachstum befürwortendem Wachstum zu Lasten der Geldwertstabilität jedoch entschieden ablehnen. Sie haben gerade in Österreich seit der Schillingstabilisierung die Erfolge einer Kombination hoher Wachstumsraten mit relativ niederen Inflationsraten zu verteidigen, die außerhalb unseres Landes oft mehr Anerkennung findet als hierzulande: in den eineinhalb
Jahrzehnten bis 1970 konnte die österreichische Wirtschaftspolitik — verglichen mit den übrigen europäischen Industrieländern — bei einer unterdurchschnittlichen Inflationsrate eine überdurchschnittliche Wachstumsrate erzielen.
Österreichs bisher richtiger Weg
Die österreichische Wirtschaftspolitik, die in den letzten Jahren zu einem relativ ausgeglichenen Konjunkturverlauf führte, fand in letzter Zeit auch in den Meinungsäiiße-
rungen internationaler Organisationen Anerkennung.
So hat das Exekutivdirektorium des Währungsfonds bei der Beratung des Berichts über die jüngsten Konsultationen mit Österreich festgestellt, daß das hohe Wirtschaftswachstum unter Aufrechterhaltung der außen- und binnenwirtschaftlichen Stabilität erreicht werden konnte. Dank einer flexiblen Wirtschaftspolitik seien die notwendigen Maßnahmen rechtzeitig ergriffen worden (das war vor allem 1967 und 1968), wodurch es möglich war, den Konjunkturverlauf gleichmäßiger zu gestalten und die unvermeidlichen Anspannungen in Grenzen zu halten. Der Währungspolitik wurde attestiert, sie habe die vorhandenen Instrumente, die zu einer wirksamen Kontrolle der Geldnachfrage ausreichten, erfolgreich eingesetzt.
Auch bei der Mitte März zur Vorbereitung des Globalabkommens mit der EWG abgehaltenen Gesprächsrunde haben die Vertreter der Kommission der österreichischen Währungspolitik Anerkennung gezollt und auf die feste Position des Schilling hingewiesen.
Diese jüngsten Äußerungen folgen damit der OECD, die in ihrem letzten Bericht über die Lage und die Entwicklungstendenz der österreichischen Wirtschaft hervorhob, daß es gelungen sei, die westeuropäische Konjunkturschwäche rasch zu überwinden und die Preisstabilität weitgehend zu erhalten.
Wenn sich daher Sprecher der Notenbanken für eine eindeutige Priorität der Geldwerterhaltung ein- setzen, folgen sie nicht nur ihrem gesetzlichen Auftrag, sondern leisten auch dem stetigen Wachstum des verfügbaren Güter- und Leistungsvolumens den besten Dienst.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!