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Wächst der Wert der alten Werke ?

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Jugendstil und Art deco steigen im Wert, auch alte Uhren und Puppen sind gefragt - die Mode kann aber jederzeit umschlagen. Obwohl die Sammler in Österreich meist nicht spekulieren wollen, ist der Kw-nstmarkt auch hierzulande in Bewegung.

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Jugendstil und Art deco steigen im Wert, auch alte Uhren und Puppen sind gefragt - die Mode kann aber jederzeit umschlagen. Obwohl die Sammler in Österreich meist nicht spekulieren wollen, ist der Kw-nstmarkt auch hierzulande in Bewegung.

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Zwei Ausstellungen, „L'arte a Vienne nell' etä della secessione“, 1984 im Palazzo Grassi in Venedig, und nun „Traum und Wirklichkeit“ im Wiener Künstlerhaus, waren notwendig, um aus einer Minderheit von Bewunderern der Kunst des Fin de siecle eine Mehrheit zu machen und die Werke des bis ins 20. Jahrhundert reichenden Jugendstils zu den begehrtesten Kunstobjekten von heute werden zu lassen. Bei einer der letzten Kunstauktionen des Wiener Do-rotheums war einem privaten Käufer ein Rückenakt von Egon

Schiele sogar 950.000 Schilling wert.

In den letzten Jahren hat die Liebe der österreichischen Antiquitätensammler vorwiegend den Malern bis zur Jahrhundertwende gehört. Ein Bild von Ferdinand Georg Waldmüller erzielte vor fünf Jahren noch ein Meistangebot von 4,5 Millionen Schilling, während in den ersten Nachkriegsjahren die alten Meister nicht nur am teuersten, sondern auch am meisten gefragt waren. Genauso wie alte Möbel, die ihre privilegierte Stellung erst verloren, als die Einbauschränke ihren Siegeszug antraten.

Anders als Engländer oder Amerikaner, anders auch als die weltweite Kundschaft von Sothe-by und Christie's mit ihren Niederlassungen in London, New York, Amsterdam, Florenz, Madrid, Mailand, München, Paris, Stockholm oder Zürich sammelt nämlich der Österreicher seit eh und je nicht alles und jedes, Billiges und Teures. Er kauft auch nicht wie die Angelsachsen komplette Sammlungen auf. Er strebt — dem Trend entweder ein wenig nachhinkend oder ihn überhaupt ignorierend — nach Qualität in der mittleren Preiskategorie.

Jetzt hält er bei den Malern des 19. Jahrhunderts bis hin zum Jugendstil. Morgen wird, zumindest nach Einschätzung der Fachleute, Art deco dazukommen. Hat doch die Keramik dieser Stilrichtung des 20. Jahrhunderts schon mehr als nur eine Handvoll Liebhaber gefunden. Besonders gefragt sind dagegen im Moment alter Schmuck und alte Uhren (ganz besonders Taschenuhren, die einen Wert von 40.000 bis 120.000

Schilling repräsentieren). Ebenfalls mit Verspätung hat man vor allem in Wien seine Freude an altem Spielzeug entdeckt.

Sowohl bei den Antiquitätenhändlern als auch im Dorotheum (das heißt in der Haupt- und Kunstabteilung in der Wiener Doro-theergasse, in den Filialen im 8., 10. und 21. Wiener Gemeindebezirk sowie in sieben Bundesländern) stellt man fest, daß sich die zu rund 85 Prozent deutschsprachigen Kunden ihre Sammlerleidenschaft selten mehr als 100.000 bis 300.000 Schilling pro Objekt und im Durchschnitt 60.000 bis 70.000 Schilling kosten lassen.

Diese Summe entspricht dem Preis für ein gutes Aquarell, eine gute Miniatur oder Vedute, die früher - als man noch das Ölbild bevorzugte — weit billiger gewesen sind. Sogar ein entsprechendes Bild von Franz Defregger hat damals kaum mehr als 5.000 bis 8.000 Schilling eingebracht. Heute sind Aquarelle in manchen Fällen heiß umkämpft im Grätzel rings um das Wiener Dorotheum, wo 80 Prozent der arrivierten Antiquitätenhändler ihre Geschäfte haben und einander konkurrieren.

Der Antiquitäten- und Kunsthändler Heinrich Fuchs, der im Selbstverlag auch Kunstbücher publiziert und die Maler der „Vergessenen Generation“ (zum Beispiel Anton Maringer) favorisiert, spricht nicht für sich allein, wenn er feststellt: Die dekorative Graphik und die Photo-historia finden eine ständig steigende Käuferschaft innerhalb der jungen Generation, während die Nachfrage nach sakraler Kunst — insbesondere nach Ikonen — stark rückläufig ist. „Skulpturen“, verrät Direktor Anton Prohaska von der Kunstabteilung des Doro-theums, „haben international überhaupt ein Tief“.

Einen Boom verzeichnet dagegen das kleine Bildformat sowie jeder Gegenstand, den man in die Vitrine stellen kann. Nachdem die Biedermeiergläser nahezu ausverkauft sind, zählen Jugendstilgläser dazu — auch Puppen wie die Käthe Kruse- und Baby-Puppen mit Stoffkörper, Zelluloidarmen und Schlafaugen sowie Spielzeug anderer Art, das noch vor zehn Jahren kein Mensch bei uns gesammelt hätte. Heuer wagte die Kunstabteilung des Dorotheums zum ersten Mal in einer Spezial-auktion alte Eisenbahnen, Puppen und Kinderbücher anzubieten und erzielte damit einen großen Erfolg.

„Asiatika werden nur von einer speziellen Schicht erworben.“

Qualitätvolle alte Teppiche werden nur gekauft, wenn sie in die hierzuland eher kleinen Zimmer der modernen Wohnungen passen. Zu chinesischer Kunst hat der Österreicher im Vergleich zu Völkern mit kolonialer Vergangenheit trotz aller Vorliebe für Reisen in den Fernen Osten relativ wenig Bezug. Silber, Volkskundliches, Ausgrabungsstücke und Asiatika werden nur von einer speziellen Schicht erworben.

Eine Aufwärtsentwicklung zeichnet sich beim Sammeln von Kleidern aus den dreißiger und vierziger Jahren ab. Alte Uniformen werden hingegen seltener begehrt. Alles in allem gilt, daß international immer Vielfältigeres gesammelt wird, weil es von Jahr zu Jahr schwieriger wird, gute Objekte aus früher bevorzugten. Sammelgebieten auf den Kunstmarkt zu bringen.

Der österreichische Antiquitätensammler unterscheidet sich von den übrigen Sammlern nach Aussagen von Experten und Sachverständigen darin, daß er kaum aus spekulativen Gründen kauft. Für ihn sind der Gefallen an einem Stück und der innere Bezug zu einem Motiv ausschlaggebend.

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