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Wahl in Bergdörfern der Kurden

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Arbil (auch Erbil, das einstige Ar-bela der Griechen und Arabello der frühen Araber) ist heute die Hauptstadt der aus den drei Provinzen Arbil, Sula-ymaniya und Dehok bestehenden Autonomen Region. 331 v. Ch. besiegte an dieser Stelle Alexander der Große den Perserkönig Dareios III. Heute entscheidet sich hier, ob das Experiment der Befriedung der Kurden gelingen wird.

Von den insgesamt 15 bis 17 Millionen Angehörigen des islamischen Bergvolks in den Quellgebirgen von Euphrat und Tigris, das Karl May phantasievoll als das „wilde Kurdistan” beschrieb, leben etwa drei Millionen im heutigen Irak.

Nie ist den Kurden, die sich immer wieder in opfervollen Kämpfen gegen die regierenden Mächte erhoben, auf Dauer die eigene Staatsgründung gelungen. Bis 1975 bekämpften die irakischen Kurden mit iranischer und amerikanischer Hilfe das Regime in Bagdad, 1975 lieferten Henry Kissinger und der Schah die Kurden dem Ba'th-Regime aus. Hunderttausende wurden deportiert, hunderttausende flohen.

Schwer vorstellbar, daß diese Wunden heute vernarbt, der Haß vergessen, die Herrscher in Bagdad geliebt sein sollen. Ein Kurde, auf den wir per Zufall in Bagdad gestoßen waren, sprach augenblicks von diesen Vorfällen und der Diskriminierung bei der Arbeitssuche noch heute und davon, daß der Kurdenminister in der Regierung Saddam Hussein natürlich gekauft sei...

Im Kurdendorf Khoush Tapah ebenso wie in dem noch weiter hinter den malerischen Bergen nördlich von Arbil liegenden Salahaddin begegneten wir freilich nur Hunderten lachenden Männern mit schwarzweißen und rotweißen Turbanen und Frauen in goldbestickten Festtrachten, denen das

Wählen offenkundig ein ungewohntes Vergnügen bereitete.

Soldaten mit Maschinenpistolen patrouillierten durch die zu den Wahlurnen drängenden und gedrängten Massen. Einer stand sogar, MP im Anschlag, breitbeinig auf dem Dach der als Wahllokal dienenden Schule.

Bei einem Volksfest in Österreich würde man vielleicht auch so viele Gendarmen, freilich ohne Waffe im Arm, zu sehen bekommen und sich nichts dabei denken. Was man sich hier dabei denken muß, kann man anläßlich eines Blitzbesuches nur schwer beurteilen.

An Wänden und Mauern waren die „Wählerverzeichnisse” angeschlagen. Der Wähler geht zuerst dorthin, bekommt einen Stimmzettel mit den Kandidatennamen und begibt sich damit zur Wahlstelle, wo ihn ein Helfer oder eine Helferin erwartet und die gewünschten Namen ankreuzt.

Dann wirft der Wähler vor den Augen der Parteifunktionäre den ungefalteten Stimmzettel in die Urne. Uns stört so etwas mächtig. Der irakischen Regierung kam der Mangel offenbar nicht zum Bewußtsein, sonst hätte man uns die ganze Prozedur nicht stolz gezeigt. Den Wählern vielleicht auch nicht, denn die wußten ohnehin, daß , alle Kandidaten die Billigung der Regierung hatten.

Die Frage ist: Was geschieht mit jenen, die nicht zur Urne gingen (rund 15 Prozent im ganzen Land)? Die Regierung sagt: nichts.

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