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Wahl per Post

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Zwar haben die Unterhändler keine rechtzeitige Einigung mehr für den Ministerrat am 16. Jänner geschafft, aber das Wahl­recht für Auslandsösterreicher- die Verfassungsrichter haben eine Frist bis zum 16. März gesetzt - nimmt konkrete Gestalt an. Um den Ter­min zu halten, wollen die Ko­alitionsparteien mit einem parla­mentarischen Initiativantrag am 2 5. Jänner den Beratungsgang be­schleunigen. Spätestens jedenfalls in der Sitzung am 1. März muß der Nationalrat seinen Beschluß fas­sen, damit am 8. März noch der Bundesrat befaßt werden kann.

Im großen und ganzen hat sich die ÖVP beim monatelangen Rin­gen um ein praktikables Wahlrecht für Österreicher im Ausland durch­gesetzt. Das beginnt schon bei der Frage, wer überhaupt von den rund 400.000 Auslandsösterreichern wahlberechtigt sein soll.

Hatte SPÖ-Klubobmann Heinz Fischer anfangs noch eine „Zwei-Klassen-Theorie" - eine Unter­scheidung danach, wie lange je­mand schon im Ausland lebt - ver­treten, wird jetzt jeder, der die öster­reichische Staatsbürgerschaft be­sitzt und das 19. Lebensjahr vollen­det hat, sonst aber nicht wegen gerichtlicher Verurteilung oder mangelnder Handlungsfähigkeit vom Wahlrecht ausgeschlossen ist, wählen können. Dazu muß der/die Wahlberechtigte im Wege der zu­ständigen österreichischen Vertre­tungsbehörde einen Antrag auf Aufnahme in die Wählerevidenz bei jener Gemeinde stellen, die zuletzt Inlandswohnsitz gewesen ist, oder wo zumindest ein Elternteil seinen Wohnsitz hat(te). Stößt diese Zu­ordnung auf Schwierigkeiten, gibt es abgestuft weitere Kriterien: Dann gibt der Ort der Geburt oder der ordentliche Wohnsitz des Ehegat­ten oder nächster Verwandter oder der Sitz des Dienstgebers den Aus­schlag, trifft auch das nicht zu, kann aus Eigentums- oder Bestandsrech­ten an Grundstücken oder Woh­nungen oder aus Vermögenswerten beziehungsweise aus sonstigen Lebensbeziehungen zu einer Ge­meinde die Eintragung in das Wählerverzeichnis abgeleitet wer­den. Auslandsösterreicher müssen aber künftig diese Eintragung alle zehn Jahre erneuern, sonst werden sie automatisch aus der Wählerevi­denz gestrichen.

Auch in der zweiten entscheiden­den Frage ist der sich abzeichnende Kompromiß - der Vorschlag des In-nenministeriums baute noch ausschließlich auf eine Identitäts­feststellung durch eine österreichi­sche Vertretungsbehörde oder eine notariatsähnliche Bestätigung auf - ein Verhandlungserfolg der OVP-Mannen. Zwar darf es für die SPÖ-Seite noch immer nicht Briefwahl heißen, aber die Wahl per Post, also die briefliche Stimmabgabe, ist so gut wie sicher.

Wiewohl auch eine Identitäts­bestätigung durch eine österreichi­sche Vertretungsbehörde - Bot­schaften, Konsulate, auch an die Außenhandelsstellen der Bundes-wirtschaftkammer ist gedacht -oder durch eine einem österreichi­schen Notar vergleichbare Person im Gesetz verankert werden wird, sollen auch unbürokratisch zwei Österreicher - ausgewiesen durch ihre Paßnummer - als Wahlzeugen anerkannt werden.

Noch nicht ganz ausdiskutiert ist bei Redaktionsschluß, ob diese drei Wahlvarianten gleichberechtigt ne­beneinander stehen oder nicht. Und auch in den Details könnte es sich noch spießen. Die Wahlvariante mit den zwei Paß-Zeugen ist noch nicht endgültig ausformuliert und bei der Notariatslösung ist die Spesenfra­ge offen. Bisher hat die SPÖ den Standpunkt vertreten, daß die an­fallenden Kosten nicht auf die Re­publik abgewälzt werden dürfen.

Die Hürde der Eintragung in die Wählerevidenz, der Wahlmodus: Wieviele von den 400.000 Aus­landsösterreichern heuer schon wählen werden, eine Information­kampagne kann überhaupt erst nach Beschlußfassung starten, ver­mag niemand abzuschätzen. Wahl-arithmetiker erwarten freilich we­der eine spektakuläre Beteiligung noch eine gravierende Rückwirkung auf den Wahlausgang. Spekula­tionen bewegen sich bei 30.000 bis 50.000 Stimmen aus dem Ausland, das entspricht - ein Nationalrats­mandat „kostet" rund 25.000 Stim­men - etwa zwei Mandaten. Aber oft entscheiden nur wenige Stim­men über Mandatsverschiebungen: Das macht den nächsten Wahltag unberechenbarer. Und spannend über den Wahlabend hinaus.

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