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Wahr ist viel mehr

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Dürfen Politiker lügen? Daß sie es bisweilen tun, darf als allgemeine Verdachthal-tung angenommen werden. Das ist milde formuliert' Eine verbreitete Annahme geht wohl dahin, daß ohne Lüge keine Politik zu machen sei.

Das ist freilich eine Ansicht, der es entschieden zu widersprechen gilt. So leicht darf man es den Politikern nicht machen, ihnen zuzugestehen, sie handelten beim Lügen quasi aus unwiderstehlichem Zwang.

Lügen ist nicht verboten, weil es im Dekalog so steht, sondern es gibt das Verbot, weil der Vertrauensgrundsatz nicht nur im Straßenverkehr eine Uberlebensregel ist: für den einzelnen wie für die Gesellschaft.

Wohin Lügen als politische Methode führen kann, hat der Fall des CDU-Politikers Uwe Barschel in Schleswig-Holstein gezeigt: ein Land an den Abgrund, den Mann in den Selbstmord.

Unwahr ist, daß es die politische Lüge in Österreich nicht gäbe. Wahr ist vielmehr, daß in jedem Land manche Politiker das Spiel, das Volk an der Nase herumzuführen, für ein sportliches Unterfangen halten.

Wahr ist viel mehr. In der Urteilsbegründung der Causa Sinowatz kontra Worm kann man es nachlesen. Vom ehemaligen Bundeskanzler Fred Sinowatz schreibt der Richter wörtlich, er habe „nachweisbar und wiederholt die Unwahrheit gesagt“.

Dem einstigen burgenlän-dischen Landeshauptmann Theodor Kery attestiert der Richter, er habe seine Erklärungen „mit wenig Offenheit abgegeben“ und gleichfalls „bewußt die Unwahrheit gesagt“. Auch Landesrat Helmut Vogl habe „die Wahrheit nachweislich nicht hochgehalten“ und Landtagspräsi-dent Matthias Pinter das Gericht „bewußt unrichtig informiert“.

Rasch sei hinzugefügt, daß dieses Urteil noch nicht rechtskräftig ist, weil es von Sinowatz angefochten wurde. Aber leichtfertig dürfte ein Richter bei so prominenten Personen wohl kaum vorgegangen sein.

Der ehemalige Finanzminister Hannes Androsch steht in diesen Tagen wegen mutmaßlicher Falschaussage in einem parlamentarischen Ausschuß vor Gericht. Das Urteil stand bei Abfassung dieses Kommentars noch nicht fest. Es geht auch in keinem Fall darum, daß unbedingt verurteilt wird. Es geht darum, daß angeklagt und gerecht geurteilt wird.

Wer den Anspruch auf Wahrheit im Staat aufgibt, gibt den Staat auf. Einigen Staatsanwälten und Richtern ist dafür zu danken, daß sie uns diese Uberzeugung nicht geraubt haben.

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