6836278-1975_16_14.jpg
Digital In Arbeit

Walter Kampmann, Marino Sormani

Werbung
Werbung
Werbung

Im Jahre 1948 veranstaltete die Graphische Sammlung Albertina unter ihrem Leiter Otto Benesch eine Gedächtnisausstellung, die Gustav Klimt und dem deutschen Bildhauer und Graphiker Walter Kampinann gewidmet war. Kampmann war knapp drei Jahre vorher, aus englischer Kriegsgefangenschaft entlassen und in das zerstörte Berlin zurückgekehrt, buchstäblich verhungert, an Unterernährung und Entkräftung gestorben. Sein Leben liest sich wie ein tragischer Kommentar zur Zeit, deren Opfer er wurde:

1887, als Sohn eines Musikdirektors in Elberfeld geboren, studierte er an der Kunstschule seiner Heimatstadt und diente von 1914 bis 1918 als Soldat in Frankreich. Nach dem Zusammenbruch Deutschlands wurde er 1919 nach Berlin als Lehrer an die höhere Fachschule für Textil- und Bekleidungsindustrie berufen und Mitglied der berühmten Künstlervereinigung „Novembergruppe“. Anfangs dem Expressionismus verbunden, wandte er sich dann den damaligen konstruktivistischen Bestrebungen zu, die im Gefolge von Dada auftraten, und schuf Konstruktionen aus Glas, Aluminium und elektrischen Lichtquellen, die er „plastische Zeichnungen“ nannte. 1932 noch gründete er zusammen mit Paul Klee, Max Beckmann, Kandinsky, Moll, Muche und Feininger die Künstlergruppe „Se-lection“, die im darauffolgenden Jahr von den nationalsozialistischen Machthabern prompt verboten wurde. Kampmann selbst erhielt Ausstellungsverbot und wurde 1934 als „entartet“ aus seinem Lehramt entlassen. 1935 wurde er in ein Umschulungslager für Künstler gezwungen, wo er Büsten von Adolf Hitler und Dietrich Eckart fertigen sollte. Daß er auf Antrag des damaligen Kultusministeriums von drei Irrenärzten auf seinen Geisteszustand untersucht werden mußte (die ihn für „normal“ erklärten), klingt geradezu aktuell. Vier Jahre konnte er dann noch — in völliger Isolation und verfemt — an seinem graphischen und plastischen Werk arbeiten, bis er von 1939 bis 1945 zwangsweise zu den Henschel-Flugzeug-werken dienstverpflichtet wurde. 1945 zog ihn noch die Luftwaffe ein und die Engländer nahmen ihn in Hamburg gefangen. Nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft war ihm nur mehr eine kurze Zeit schöpferischer Arbeit vergönnt.

Die Galerie Würthle in Wien zeigt nun bis zum 3. Mai eine Auswahl aus seinem graphischen Werk, die vorher in einer anderen Zusammenstellung bereits in der Galerie im Taxispalais in Innsbruck zu sehen war, und Arbeiten aus den Jahren von 1933 bis 1945 umfaßt. Seine Zeichnungen, aquarellierten Federzeichnungen und Mischtechnikblätter erweisen ihn als einen sehr feinsinnigen Graphiker in dessen Werk sowohl der Expressionismus wie ein neuer Realismus ihre Spuren hinterlassen haben und sich mit einer empfindsamen Romantik, der Flucht in eine sich eigenartig verklärende Phantasie- und Traumwelt, verbinden. Eine zarte, eigenartig berührende Ausstellung.

Der 1926 geborene Triestiner Maler Marino Sormani hat von 1949 bis 1952 auf der Wiener Akademie der bildenden Künste bei Professor Eisner studiert. Seine sehr ausgewogenen, großflächigen, farbig fein abgestimmten Bilder, „Landschaften“ von Hinterhöfen, Hauswänden mit Postkästen oder Fahrrädern an den Bäumen davor, Bahn-und Bauernhöfen, Booten und Molen, die derzeit in der Galerie „Spectrum“ in der Mahlerstraße zu sehen sind, haben aber mit dem Werk seines Lehrers nichts mehr gemeinsam. Viel eher stehen sie in der Nachfolge der Bewegung der „Valori plastici“ da sie wie deren Anhänger (Carrä, Morandi, de Chi-rico, Soffici usw.) an der italienischen Tradition des Tre- und Quattrocento orientiert sind. Graphische Werte, die das Detail bestimmen und bis zu zarten, bewegten Gratturen im Malgrund reichen, und durchlichtete Farbflächen verbinden sich in ihnen zu einer schönen, dekorativen Harmonie.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung