6862111-1977_41_04.jpg
Digital In Arbeit

Wandersmann zwischen den Parteien

Werbung
Werbung
Werbung

Mitte der sechziger Jahre nannte der Ökonomie-Professor Adolf Nußbau- mer jede Kritik an der Effizienz und Überlegenheit der sozialen Marktwirtschafteinen „Unfug“. Für das vom damaligen ÖVP-Generalsekretär Hermann Withalm gegründete „Institut für angewandte Sozial- und Wirtschaftsforschung“ verfaßte er eine seiner (ohnedies verschwindend geringen) Publikationen. Darin befaßt er sich mit dem Thema „Wettbewerb und öffentliche Unternehmungen“. Gefährlich, so meint er damals, sei es, wenn der Staat über seine öffentlichen Unternehmungen interventionistisch in den marktwirtschaftlichen Prozeß eingreifen wollte. Liberal mag Prof. Nußbaumer damals insofern gewesen sein, als er bedauerte, „daß die Prinzipien, die im vergangenen Jahrhundert zur Beschränkung der politischen Willkür des Staates errungen werden konnten, auf den Bereich der Wirtschaftsverwaltung meist nicht ausgedehnt worden sind“.

Konsequenterweise vermutete er hinter den wirtschaftspolitischen Interventionen und der Verstaatlichung „ein wirksames Mittel zur Änderung der Wirtschaftsordnung und zur Änderung der Gesellschaftsordnung“. Voll Abscheu schrieb er, daß die „so-

zialistische Ideologie den öffentlichen Unternehmungen Aufgaben der Wirtschaftslenkung zugewiesen“ habe, wohin das führen müsse, war ihm auch klar: Zu „einer Umwandlung einer marktwirtschaftlichen Ordnung in eine Zentralverwaltungswirtschaft“.

Grazer und Wiener Studenten der Volkswirtschaft erinnern sich an Pro- fessorNußbaumerals einen Mann, der sich auch in Lehrveranstaltungen nicht zurückhielt, rabiaten Aritimar- xismus zu verbreiten. Das dürfte vielen Politikern der ÖVP so gut gefallen haben, daß sie die Karriere des lupenreinen Antimarxisten Nußbaumer nach bestem Wissen und Gewissen förderten. Er wurde von der Grazer Universität nach Wien transferiert, bekam die Funktion eines Obmanns im Staatsschuldenausschuß, wurde Präsident der Landwirtschaftlichen Gesellschaft.

Prof. Nußbaumer konnte seine zahlreichen Nebenämter um so eher bekleiden, als er Stets bemüht war, seine ursprünglichen Aufgaben in Lehre und Forschung auf ein Minimum zu reduzieren. Die Mitte der sechziger Jahre auch in Österreich hochgekommene mathematische Richtung in der Nationalökonomie ließ er ganz aus, seine wissenschaftlichen Publikationen bestanden stets nur aus anspruchsvollen Leitartikeln. Es dürfte ungemein schwerfallen, in der deutschsprachigen ökonomischen Literatur Hinweise auf einschlägige Arbeiten oder wissenschaftliche Erkenntnisse von Prof. Nußbaumer zu stoßen. Die angelsächsische Literatur weist den Namen Nußbaumer praktisch überhaupt nicht aus. Insofern wäre interessant zu erfahren, wie der Eindruck entstehen konnte, Prof. Nußbaumer sei ein international angesehener Wissenschaftler.

Respektiert wird Prof. Nußbaumer dagegen von Dissertanten und Prüflingen an der Wiener Universität. Dissertanten, so er solche überhaupt hat,

läßt er ungewöhnlich lange warten und entschuldigt dieses Verhalten, wenn überhaupt, mit der aus seinen zahlreichen Nebengeschäften erflie- ßenden Arbeitsüberlastung. Gefürchtet ist Prof. Nußbaumer gar als strenger Prüfer, dem es gelingt, immer wieder den Sinn seiner Fragen so zu verschleiern, daß am Ende weder der Prüfer noch Geprüfter wissen, worum es eigentlich geht.

An der Universität wird jene lustige Geschichte kolportiert, in der Prof. Nußbaumer als Prüfer ökonometrischer Modelle von einem sowohl gewitzten als auch informierten Studenten etwas erklärt wissen wollte. Die recht unergiebige akademische Diskussion brachte erst dann ein Ergebnis, als der Student einen im Prüfungsverlauf frei erfundenen Namen eines russischen Mathematikers als Hinweis für die Richtigkeit seiner Antworten nannte. Prof. Nußbaumer lobte das Wissen seines Prüflings und schaltete blitzschnell auf ökonomische Wald-und-Wiesen-Fagen um.

Für Politiker, die den Karriereweg des doch „eher relativ liberal-konservativen“ Prof. Nußbaumer säumen, bleibt es ein Rätsel, wie aus dem ehedem müitanten Antimarxisten ein Staatssekretär in einer sozialistischen

Alleinregierung werden konnte. „Liberal“, weiß ein steirischer Landespolitiker recht, genau, „war der nie, aber ehrgeizig“. In einem Beitrag in der Arbeiterkammer-Zeitschrift „Arbeit & Wirtschaft“ nennt der angesehene Wissenschaftler Prof. Wilhelm Weber Prof. Nußbaumer einen Mann, der für geeignet befunden werden kann, Anpassungsprozesse vollziehen zu wollen beziehungsweise zu können“ („Arbeit & Wirtschaft“, 9/1977).

Der Karriereweg und die Berufung Prof. Nußbaumers in eine regierungspolitische Funktion ist ein Argument gegen die sogenannten „Blutgruppe- Null“-Personen. Ganz bestimmt ist Prof. Nußbaumer kein apolitischer Mensch, im Gegenteil: er ist Meister in der Kunst der politischen Anpassung. Insofern ist sein Einstieg in die SPÖ- Regierung ein logischer Schritt. Sollte es gar einmal zu einer unikoloren ÖVP-Regierung kommen,, ist nicht auszuschließen, daß Prof. Nußbaumer die politische Front wechselt und erzählt, mit welcher Leidenschaft er in der SPÖ-Regierung für die Erhaltung und Sicherung der marktwirtschaftlichen Ordnung gekämpft habe.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung