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Wann fällt der nächste Domino?

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ach der Domino-Theorie wird jeder kommunsistische Sieg in einem asiatischen Land zu folgenschweren Konsequenzen in allen benachbarten Gebieten führen. Inzwischen sind Vietnam, Kambodscha und nun auch Laos kommunistisch geworden. Mehr denn je stellt sich die Frage nach der inneren Stabilität der anderen südostasiatischen Staaten, die ebenfalls seit Jahren mit Partisanen zu kämpfen haben.

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ach der Domino-Theorie wird jeder kommunsistische Sieg in einem asiatischen Land zu folgenschweren Konsequenzen in allen benachbarten Gebieten führen. Inzwischen sind Vietnam, Kambodscha und nun auch Laos kommunistisch geworden. Mehr denn je stellt sich die Frage nach der inneren Stabilität der anderen südostasiatischen Staaten, die ebenfalls seit Jahren mit Partisanen zu kämpfen haben.

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In Burma besteht knapp ein Drittel der Bevölkerung aus nicht-burmesischen Minderheiten, die sich in den schwer zugänglichen Grenzgebieten, gegen die Bevormundung Ranguns wehren. Von hier stammen auch die meisten Anhänger der Peking-orien-tierten KP. Ihr Partisanenkrieg begann etwa vor fünf Jahren; schon damals setzten die Rebellen bei ihren Angriffen 57-Millimeter-Mörser ein! Bald begann ein Geheimsender, „Die Stimme des Volkes von Burma“, zum Sturz der Regierung aufzurufen — sein Standort liegt an der rotchinesischen Grenze. Dort besetzten die Guerilleros Ende 1971 ganze Gebiete, die die Streitkräfte erst wieder nach heftigen kämpfen nehmen konnten — während sie das Shan-Gebiet nicht zurückzuerobern vermochten. Im Sommer 1974 gaben die Rebellen über den Untergrundsender bekannt, sie hätten von Anfang 1968 bis Ende 1973 insgesamt 11.400 Regierungssoldaten getötet oder verwundet und weitere 1136 gefangen genommen.

Anfang dieses Jahres sprach Ran-gün von 5000 bis etwa 11.000 Guerilleros. Mitte März stürmten Militär-Einheiten das Pegu-Gebirge (rund 160 Kilometer nördlich der Hauptstadt), wo sieh das illegale KP-Hauptquartier befand und von wo aus in den letzten Jahren die meisten militärischen Operationen geleitet wurden. In erbitterten Kämpfen wurden 172 Rebellen erschossen und 150 gefangen genommen, weitere 500 ergaben sich freiwillig; unter den Getöteten befanden sich Thakin Zin, der Vorsitzende der KP, und Thakin Chit, der Generalsekretär der Partei, während ZK-Mitglied U Thun Sein überwältigt werden konnte. Vier Tage später indessen rief „Die Stimme des Volkes von Burma“ den restlichen Untergrund zum weiteren Partisanenkrieg auf: „Die Partei führt den Kampf kontinuierlich weiter, indem sie jeden gefallenen Führer durch einen anderen ersetzt. Kein Feind kann die Partei zerschlagen!“ Inzwischen hat der neue KP-Vorsitzende Thakin Ba Thein Tin, der die rotchinesische Staatsbürgerschaft besitzt und in den zurückliegenden Jahren überwiegend in Peking gelebt haben soll, die Guerrilla fortgesetzt Die jüngsten Gefechte lassen allerdings erkennen, daß die Offensivkraft der Rebellen ziemlich geschwächt ist. Dennoch wächst in Ran-gun die Sorge, daß die VR China ihre Unterstützung für die Guerilleros' verstärken werde. Bereits Ende 1972 war in Nord-Burma ein großes Lager mit Waffen Pekings sichergestellt worden. Ebenso weiß man, daß sich in der rotchinesischen Provinz Yün-nan entlang der Burma-Grenze etliche Depots befinden und die Partisanen dort auch ihre militärische und ideologische Schulung erhalten...

Thailand

Ende 1964 bildeten sich in Peking die „Thailändische Unabhängigkeitsbewegung“ und die „Patriotische Front“. Bereits 1962 hatte der in der südchinesischen Stadt Kunming stationierte Untergrundsender „Die Stimme des Thai-Volkes“ mit seinen Aufrufen nach Thailand begonnen, man möge sich dort „auf den bewaffneten Kampf gegen die Regierungsclique vorbereiten“. Hier in Yünnan existieren auch mehrere Ausbildungslager sowie eine größere Verbindungsstelle für das Einschleusen von Guerilleros und Waffen. Das Hauptquartier der illegalen KP Thailands unter Generalsekretär Udon Srisuwan dürfte in den Phu-Pan-Bergen der thailändischen Provinz Nakhon-Phanom liegen.

Der Buddhismus hat ebenso wie das Königshaus bei den Thais noch starke Wurzeln. Anderseits wurden die Nordgebiete mit ihrer peripheren Lage, ihrem schlechten Boden und ihrer chronischen Trockenheit lange vernachlässigt; wohl wandte Bangkok in letzter Zeit viel für die Verbesserung der Infrastruktur auf, oft aber scheint es ein vergeblicher Wettlauf mit der Zeit zu sein. Gab es hier vor fünf Jahren etwa 2000 Partisanen, so wird die Zahl heute allgemein mit 3500 angegeben. Im Nordosten Thailands wiederum fühlen sich die Bewohner stammesmäßig mehr mit Laos verbunden — die Stärke der Guerilleros in diesem Gebiet wird auf zirka 3000 geschätzt. Das dritte Rebellengebiet ist der Süden an der malaysischen Grenze, wo vor rund zehn Jahren 500 versprengte Terroristen zu überlebten versuchten — heutzutage operieren dort wahrscheinlich 2000. Anfang 1972 begann Bangkok seine bisher größte AntiPartisanen-Offensive. Unter Einsatz von schwerer Artillerie und Jagdbombern eroberten 8000 Soldaten in den Pupan-Bergen zwar mehr als 200 Guerilleros-Nester und nahmen auch mehr als 1000 Bewaffnete gefangen, der Kern des Untergrundes indessen entkam. Ende 1972 begannen die Rebellen erstmals, bei ihren Uberfällen auch rotchinesische AK-47-Schnellfeuergewehre, panzerbrechende B-40-Raketen und 80-Milli-meter-Granatwerfer einzusetzen. Im Frühjahr 1973 waren bereits 36 von den insgesamt 72 Thai-Provinzen kommunistisch infiltriert. Es vergeht seitdem eigentlich kaum ein Tag ohne neue Uberfälle der Terroristen oder blutige Scharmützel zwischen ihnen und der Armee. Anfang 1974 gab der Verteidigungsminister bekannt, in den vergangenen neun Jahren seien — bei rund 1500 eigenen Verlusten — 1355 Partisanen getötet und rund 5900 gefangen genommen worden; weitere 5355 seien zu den Regierungstruppen übergelaufen. Im gleichen Frühjahr wurde der thailändischen Delegation in Peking von Tschü En-lai versichert, die Volksrepublik werde die Unterstützung der Rebellen einstellen.

Anfang dieses Jahres mußte Bangkok zugeben, daß die Überfälle der Guerilleros nunmehr allgemein 30 bis 40 Minuten dauerten — das Drei-bis Vierfache der Überfallsdauer noch vor einigen Jahren; griffen die Terroristen früher in Gruppen mit zehn Bewaffneten an, so zählen sie heute knapp 100 Bewaffnete. Seit dem Mai dieses Jahres ist immer wieder zu beobachten, daß die Rebellen-Trupps die Polizeiposten stürmen und sie — als sichtbares Zeichen der Schwäche der Regierung — niederbrennen. Nach • dem Fall von Vietnam und Kambodscha rief „Die Stimme des Thai-Volkes“ verstärkt zum kommunistischen Bürgerkrieg auf: „Das Volk kann niemals nationale Probleme durch friedliche, parlamentarische Methoden lösen. Bewaffneter Kampf ist die einzige korrekte Lösung der Probleme, denen sich Volk und Nation gegenübersehen. Dies ist das Zeitalter des Volkskrieges!“

Malaysia

Der Ursprung der Guerilleros geht hier auf die Jahre 1959/1960 zurück, als nach dem zwölf Jahre währenden Bürgerkrieg sich rund 200 Partisanen in die undurchdringlichen Dschungel Nord-Malaysias zurückzogen. Etwa 1965 kehrte der Generalsekretär der illegalen KP, der Rebellenführer Chin Peng, aus seinem Pekinger Exil zurück und nahm mit 500 bis 600 Getreuen wieder den Kampf auf. Sehr bald konnte man auch überall ihren Geheimsender „Die Stimme der malaysischen Revolution“ hören, der ebenfalls im südchinesischen Kunming steht. Im April 1970 setzten die Regierungstruppen schwere Artillerie und Flugzeuge gegen die „Volksbefreiungsarmee“ ein, doch jagten 2000 malaysische und thailändische Soldaten die rund 400 aufgestöberten Guerilleros vergebens. In Sarawak-Sabah (Nord-Borneo) kämpft die KP Nord-Kalimantans unter ihrem Generalsekretär Wen Ming Chuan für die Selbständigkeit der (teilweise zu Indonesien gehörenden) Inseln. Im Sommer des Jahres 1971 warf die Luftwaffe Kuala Lumpurs über den partisanenverdächtigen Regionen rund 300.000 Flugblätter mit der Aufforderung zur Kapitulation ab. Hunderte ergaben sich — aber im gleichen Herbst wurde die Zahl der dort immer noch aktiven Guerilleros auf 1000 geschätzt.

Seit Anfang 1974 gelingt es den Rebellen, ihre blitzartigen Überfälle auch in bisher als sicher geltenden Gebieten durchzuführen. Bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Rotchina im Juni 1974 versprach die Pekinger Führung, den Rebellen in der Wahlmonarchie Malaysia fortan keine Hilfe mehr zu gewähren. Mao Tse-tung und Tschu En-lai hoben hervor, die Regierung Malaysias habe „das Recht, diese Frage (der Partisanen) zu lösen, wie sie will“. Hatte Kuala Lumpur gemeint, es gebe für die Terroristen nunmehr keinen Grund, weiterhin im Dschungel zu bleiben, verkündete der Geheimsender alsbald: „Die Volksmassen haben beschlossen, ihre bewaffneten Kämpfe weiterzuführen, bis der vollständige Sieg der neuen Revolution erfochten ist!“ Tage danach wurde der Generalinspektor der Polizei Malaysias auf offener Straße in Kuala Lumpur von zwei Partisanen ermordet.

Im letzten Herbst meldeten sich die Sicherheitsbehörden, daß von den schätzungsweise 1600 Guerilleros im Nordteil jetzt rund 300 auch die Nachbarprovinzen infiltrierten.

In der Nacht zum 1. April dieses Jahres überraschten die Partisanen mit einem Raketenangriff auf Militäreinrichtungen in fünf der elf westmalaysischen Provinzen! Anfang Mai wurden in der Hauptstadt sieben Polizeistationen von den Rebellen in Brand gesetzt. Nach den Äußerungen des Innenministers bliebe aber jede Hoffnung der Terroristen auf einen

Erfolg nur ein Traum, da die breite Bevölkerung für sie keinerlei Sympathie hege — dennoch solle die Gefahr nicht unterschätzt werden, daß bei einem Wirtschaftsrückgang oder bei erneuten Rassenkrawallen manche Unzufriedene doch den Weg zum Untergrund fänden. Ende August nun beschädigten Zeitbomben der Guerilleros das malaysische Nationaldenkmal in Kuala Lumpur, das den Sieg der Regierung über die Kommunisten in den Jahren 1948 bis 1960 symbolisiert. In den ersten Septembertagen wurden bei einem Anschlag auf eine Polizeikaserne in der Hauptstadt zwei Beamte ermordet und 53 verletzt. Inzwischen hat Premierminister Razak die Wiedereinführung der Bürgerwehr für alle Männer im Alter von 17 bis 55 Jahren angekündigt.

Indonesien

Die „Parti Kommunis Indonesia“ zählte in ihrer Blütezeit unter Su-karno etwa drei Millionen Mitglieder und angeblich zwanzig Millionen Sympathisanten. Nach ihrem fehlgeschlagenen Putschversuch von 1965 wurde der PKI-Pärteiapparat weitestgehend zerschlagen; die Untergrund-Reste kämpften weiter — primär mit Unterstützung des Auslandes. Von der Sowjetunion aus arbeitet der PKI-Sekretär Thomas Sinuraj propagandistisch nach Indonesien hinein, während der frühere Brigadegeneral Suharjo die Kader für einen späteren Einsatz ausbildet. Primär aber geht die Subversion von der Volksrepublik China aus, wo sich das PKI-Politbüro-Mitglied Jusuf Adji-torop befindet. Eine relativ starke Außenstelle gibt es auch in Albanien.

Der neue Untergrundkrieg begann im März 1971, als Adjatorop über Radio Peking die indonesischen Kommunisten aufrief, „die US-Marionettenregierung Suhartos zu stürzen“. Im Mai des Jahres 1972, anläßlich des Jahrestages der Gründung der PKI, tauchten an verschiedenen Orten schlagartig gedruckte Flugblätter auf, die auf ein illegales Organisationsnetz schließen ließen. Wiederholt kam es zu Kämpfen in Borneo, wo die indonesischen Streitkräfte von 1967 bis zum September 1972 insgesamt 651 Guerilleros erschossen und 666 gefangen nahmen, während sich weitere 1200 ergaben. Einige Zeit danach wurden in Zentral-Java mehrere Untergrund-Zellen ausgehoben; dennoch kam es hier auch in den letzten zwei Jahren zu heftigen Feuergefechten. Der Geheimsender „Die Stimme der malaysischen Revolution“, der auch oft Erklärungen der PKI-Führung ausstrahlte, verkündete im vergangenen Sommer: „Die faschistische Reaktion und die Verräter einschließlich der indonesischen Revisionisten-Renegaten die dem sowjetischen Sozialimperialismus dienen, können den Kampf der PKI niemals stoppen. Es ist gewiß, daß die PKI schrittweise wieder erstarken, den Volkskrieg entfachen und den Sieg erringen wird!“

Im April 1975 wurde in Borneo eine neue PKI-Organisation aufgedeckt; nach den gefundenen Code-Unterlagen verfügte sie über ein weitverzweigtes Netz. An mehreren Orten entdeckte man zugleich Waffenläger, die zu Sabotageakten in Fabriken und an Entwicklungsprojekten verwendet werden sollten.

Bereits im Frühjahr 1973 hatte der Pekinger Außenminister gegenüber Djakarta versprochen, jegliche Hilfe für die kommunistischen Rebellen in Indonesien einzustellen. Indessen sandte im Mai dieses Jahres das ZK der chinesischen KP dem PKI-Unter-grund ein .warmherziges Glückwunschtelegramm, das mehrfach von Radio Peking ausgestrahlt wurde. Ende des gleichen Monats stieß die indonesische Abwehr auf ein von Rotchina gesteuertes Untergrund-Netz, das als Schaltstelle Pekings beim illegalen Transport von Agenten in das Land arbeitete. Mitte August beschuldigte Präsident Su-harto die Führung der Volksrepublik China erneut der Unterstützung für die kommunistischen Partisanen. Solange Peking sich um eine Wiederbelebung des PKI-Untergrundes bemühe, könnten die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht normalisiert werden.

Philippinen

Die Anfänge des dortigen Untergrundes liegen im Jahre 1942, als die Japaner das Land besetzten und sich in der Folge eine militärische Widerstandsbewegung der Bauern bildete. Nach Kriegsende aber setzte die — sehr bald kommunistisch beherrschte — „Hukbolahap“ („Huk“) ihre Aktionen gegen Großgrundbesitzer und die demokratischen Parteien fort.

Anfang 1968 begann Peking via Hongkong mit einer massiven Flugschriften-Propaganda auf den Philippinen; angeblich wurden auch Kader-Offiziere und Waffen auf die unübersichtliche Inselwelt geschmuggelt. Gegen Ende desselben Jahres fand die Neugründung der illegalen Kommunistischen Partei der Philippinen statt, im März 1969 wurde die „Neue Volksarmee“ ins Leben gerufen. Im Oktober 1970 griffen die Guerilleros die Sendestation der „Stimme Amerikas“ in der Provinz Varlac an, einige Monate danach stürmten sie die Waffenlager der Militärakademie in Ba-guino. Während des Sommers 1972 mußte Manila erstmals den Einsatz von Luftwaffe und Marine befehlen. Mitte September wurde nach einem mißglückten Attentat auf den philippinischen Verteidigungsminister üher das ganze Land das Kriegsrecht verhängt. Damals schätzte man den maoistischen Untergrund unter Führung von Amado Guerrero auf knapp 2000 Guerilleros und weitere 5000 bewaffnete Anhänger sowie auf vielleicht 50.000 Sympathisanten.

Im Frühjahr 1974 brannten die Rebellen auf der Insel Jolo (Sulu-Archi-pel) die Provinzhauptstadt nieder.

Bei seinem kürzlichen Besuch in Peking erhielt auch der philippinische Präsident Marcos von Tschu En-lai das Versprechen, daß Rotchina den kommunistischen Rebellen fortan keinerlei Unterstützung zuteil werden lasse — doch im August mußte man von erneuten Überfällen der Guerilleros in Zentral-Luzon hören. Wie in allen südostasiatischen Ländern fehlen auch auf den Philippinen die klassischen Voraussetzungen für eine kommunistische Revolution eigentlich völlig. Es gibt weder ein nennenswertes industrielles Proletariat, noch hungern die Bauern, und auch hier bedeutet der Begriff „Kommunismus“ für den Durchschnittsmenschen immer noch etwas Negatives. Ob man aber ohne echte, sozialgerechte Reformen auf weite Sicht auskommen wird, erscheint zweifelhaft

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