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Wann gehen Minister?

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Die Gründe für die Demission von Regierungsmitgliedern sind vielfältig: Krankheit und Alter die einen - manchmal auch zur Tarnung der wahren Ursachen-, Skandale und innerparteiliche Zerwürfnisse die anderen.

Seit Beginn der Zweiten Republik (1945) schieden zahlreiche Minister aus ihrem Amt. Freilich nur zwei aus politischer Uberzeugung:

• Josef Klaus als Finanzminister der Regierung Gorbach (1963) und

• Theodor Piffl-Percevic als Unterrichtsminister der Regierung Klaus (1969).

„Wenn die eigene Uberzeugung nicht mit jener der Regierung übereinstimmt, bleibt dem Minister nur zweierlei: entweder er kann seine Meinung ändern oder er tritt zurück". Ex-ÖVP-Obmann Josef Klaus skizziert lapidar die historische Entscheidungssituation.

Piffl-Percevic wollte und konnte die Schulpolitik seiner Regierung nicht mehr exekutieren, Klaus fand keine Gefolgschaft für sein 1962 vorgelegtes Budget-Sparprogramm. Und er nahm den Hut.

Piffl über seinen damaligen Schritt: „Ich beuge mich der demokratischen Situation, aber ich verantworte das nicht".

Als Ende der siebziger Jahre vom Parlament die Entscheidung zu treffen war, ob im Zuge der weiteren Realisierung der Schulreform das neunte bzw. 13. Schuljahr eingeführt werden sollte, verhärteten sich die politischen Fronten.

Die Mehrheit der Regierungsmitglieder machten sich stark für die Aussetzung, der Unterrichtsminister selbst war dagegen.

In einem FURCHE-Interview (1. März 1969) begründete er seine Haltung: „Ich glaube nicht, daß wir beim gegenwärtigen Stand der Dinge die in Österreich gestellte Bildungsaufgabe mit geringeren Zeitinvestitionen erzielen können, als in jener Zeit, da Österreich mehr Nobelpreisträger gestellt hat als irgend ein anderes Land".

Der Bildungsexperte hat seine Meinung nicht geändert: „Ich sehe auch heute die Sache nicht anders. Im Gegenteil, die Misere der Schulversuche,

das Hin und Her in der Schulpolitik ist mit der damaligen Entscheidung aufgebrochen".

Dem späteren Bundeskanzler Josef Klaus erging es als Finanzminister nicht viel besser. Sein Budgetvorschlag für 1963 wurde nicht goutiert: „Es hat bei den anderen Ministern zu starken Verfremdungen geführt".

Und aus heutiger Distanz: „Es ist immer das gleiche: Wenn die Minister etwas nicht bekommen, ist der Finanzminister schuld."

Klaus zog die Konsequenzen. Er wollte keinen Spaltpilz in die Regierungsmannschaft pflanzen: „Es war mir damals klar, daß dieser Kraftakt zu keinem gedeihlichen Zusammenleben mit dem Bundeskanzler und den Kollegen führen konnte."

Daß er ein Jahr später (April 1964) als Regierungschef wiederkehrte, ließ freilich so manchen Politkollegen vermuten, Klaus hätte bei seinem Rücktritt auf ein Come-back spekuliert.

Er selbst formuliert den Gegenbe-

weis: „Wenn ein Politiker das vorhat, dann beansprucht er andere Bundesfunktionen. Ich habe darauf verzichtet, weil ich in keiner Weise nach Wien gedrängt habe".

Josef Taus, damals Staatssekretär für Verkehr und verstaatlichte Unternehmungen attestiert: „Er mußte damit rechnen, daß seine politische Laufbahn zu Ende war".

Daß Minister - wenn sie in Skandale verwickelt sind - ihrer politischen Verantwortung entsprechen, indem sie ihr Amt zur Verfügung stellen - scheint recht und billig. Obzwar auch dieses in Österreich nur zögernd praktiziert wird: Die meisten retirieren erst Monate später. Karl Lütgendorf etwa. Oder Ingrid Leodolter.

Bis Gras gewachsen ist und die Optik leidlich stimmt.

Selten aber verzichten Minister aus persönlicher Uberzeugung auf das hohe Staatsamt.

Freilich gab es gar manche, die schlicht und einfach nicht mehr woll-

ten. Sie hatten genug vom glatten Polit-parkett der Bundeshauptstadt.

So etwa heißt es in sozialistischen Kreisen, daß für die Rücktritte der Kreisky-Minister Oskar Weihs und Josef Moser keineswegs die Altersgrenze maßgeblich gewesen sei („Die Altersgründe waren vorgeschoben").

Wie überhaupt die Frage zunehmend im Räume steht: Wie lange sollen Minister im gleichen Amt ausharren?

Ein SPÖ-Regierungsveteran formuliert rückblickend: „Im Prinzip ist Kontinuität vorzuziehen. Aber nach zwei Amtsperioden wäre es genug". Seine Begründung: „Alle kriegen einander satt. Es kommen keine neuen Gedanken. Es ist zermürbend".

Er trifft sich mit Repräsentanten der Großen Opposition, die dem Sesselkleben ebenfalls wenig abgewinnen können: „Das Gehen sollte eine übliche Sache sein".

Der eine hat die Regierungsarbeit bereits hinter sich, die anderen wollen endlich zum Zug kommen.

Bundeskanzler Bruno Kreisky und seine Mannen scheinen freilich gegenteiliger Ansicht und Absicht zu sein. Obwohl der Regierungschef erst neuerdings versicherte, politische Verantwortung münde letzten Endes darin, „daß man unter Umständen auch sein Amt zur Verfügung stellt", wissen Insider anderes zu berichten.

Der ehemalige Leiter des Bundespressedienstes und jahrzehntelanger Kenner der Szene, Sektionschef a. D. Fritz Meznik, läßt die Rücktritte während seiner Amtsära Revue passieren: „Die Sozialisten halten ihre Leute, so lange es nur irgend geht. Außerdem werden Spannungen kaum sichtbar. Kreisky dominiert die Sache".

Der ÖVP-nahe Beamte relativiert überdies die Faktoren, die zu personellen Veränderungen führen: „Lange Zeit stellt der Politiker seine Positiva heraus. Dann kippt es plötzlich um und es kommen die Negativa zum Vorschein".

Zudem entscheiden häufig Lobbies und „pressure groups" über das Kommen und Gehen auf der politischen Bühne.

Trotz aller Vermutungen und Spekulationen, die bei Ministerabtritten angestellt werden, bleibt der wahre Sachverhalt meist im dunkeln.

Mezniks Nachfolger, Herbert Neumayer: „Der inoffizielle Grund ist selten ident mit der offiziellen Version". Für ihn ist diese Frage „nicht rekonstruierbar".

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