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Wann wählt Südafrika?

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Wohin geht Südafrika? Im Land selbst ist von jenem „Klima der Reformen", von dem vorwiegend ausländische Diplomaten und Geschäftsleute schwärmen, kaum etwas zu spüren.

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Wohin geht Südafrika? Im Land selbst ist von jenem „Klima der Reformen", von dem vorwiegend ausländische Diplomaten und Geschäftsleute schwärmen, kaum etwas zu spüren.

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Die Verhandlungen über die Bildung einer Interimsregierung und freie Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung treten trotz des jüngsten Gipfeltreffens zwischen dem Präsidenten des ANC (African National Congress), Nelson Mandela, und Noch-Staatspräsident Frederik Willem De Klerk auf der Stelle. Und auf der anderen Seite nimmt die politische Gewalt weiter zu; die Massaker von Boipatong und Bisho (Juni und September 1992) sind nur die international bekanntgewordenen Spitzen eines anhaltenden Terrors, der sich vor allem gegen die Aktivisten der demokratischen Bewegung richtet.

„De Klerk ist bereit, die Macht mit dem ANC zu teilen, aber einer Übertragung der Regierungsgewalt an demokratisch gewählte Vertreter der Bevölkerung hat er bisher nicht zugestimmt." Mit diesen Worten charakterisierte der Generalsekretär der Katholischen Bischofskonferenz Südliches Afrika, Brother Jude Pieterse, bei der kürzlich im Wiener Parlament abgehaltenen Tagung der „Association of West European Parliamenta-rians for Action against Apartheid" (AWEPAA) die politische Lage. Er und die Mitarbeiter der Kommission für Gerechtigkeit und Frieden ließen an der Verantwortlichkeit für die Krise keinerlei Zweifel: Die Gewalt am Witwatersrand habe genau 1990 begonnen, als sich Zulu-Chef Gatsha Buthelezi entschlossen habe, Inkatha als nationale Partei zu etablieren.

Dadurch seien die bis dahin auf Natal beschränkten Repressionsmaßnahmen Inkathas gegen den ANC (und die dadurch ausgelöste Spirale der Gewalt) in das übrige Land hineingetragen worden. Weiters sei - so Brother Jude - die Verwirklichung zumindest von Teilen der südafrikanischen Streitkräfte und der Polizei dokumentarisch erwiesen.

Trotz (oder vielleicht gerade wegen) ihrer Stellung als Minderheitenkirche kommt den Katholiken Südafrikas seit jeher ein besonderer Stellenwert in der Auseinandersetzung um Rassismus und Apartheid zu. Nach anfänglicher Unsicherheit hatten die Bischöfe schon 1952 ein erstes, vom Regime und der niederländisch-re-formierten Staatskirche viel kritisiertes „Statement on Race Relations" verabschiedet.

Auf dieser Grundlage vertiefte und radikalisierte sich die Position der Bischofskonferenz bis hin zur wiederum umstrittenen Befürwortung von Wirtschaftssanktionen in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre (anhand der kürzlich erfolgten Neuausgabe aller Hirtenbriefe und Erklärungen der Bischofskonferenz zwischen 1952

und 1990 ist diese Entwicklung gut nachzuvollziehen). In den schwierigen Zeiten des Ausnahmezustands, aber auch angesichts der stagnierenden Verhandlungen heute, hat sich die diskrete, ökumenisch durchgeführte Vermittlungsdiplomatie der Kirchen Südafrikas zudem nicht selten als ausgesprochen hilfreich erwiesen.

Der Streit um Sanktionen ist mittlerweile einer intensiven Auseinandersetzung über Grundfragen der Wirtschaftspolitik in einer zukünftigen „Post-Apartheid-Gesellschaft" gewichen. „Die Wirtschaft muß den Interessen von 40 Millionen Südafrikanern dienen", sagte diesbezüglich Jude Pieterse, „und darf nicht, wie bisher, nur fünf Millionen berücksichtigen." Im Rahmen eines neuen, nicht-rassistischen politischen Systems werden diesbezüglich auch Auslandsinvestitionen zum Wiederaufbau der von Kolonialismus, Apartheid und regionaler Destabilisierung zerstörten Region notwendig sein. Aber welche Investitionen, und unter welchen Bedingungen? Mit dieser Fragestellung beteiligt sich die katholische Kirche an der Ausarbeitung eines „Code of Conduct" für multinationale Konzerne, an der auch der Südafrikanische Kirchenrat und vor allem der größte südafrikanische Gewerkschaftsbund COSATU beteiligt sind.

Und in noch einer Hinsicht beteiligen sich die Kirchen an den Vorbereitungen für eine demokratische Zukunft. Eine breit angelegte Kampagne ermuntert vor allem die schwarzen Südafrikaner, sich rechtzeitig für eventuelle Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung registrieren zu lassen: „Ohne Ausweisdokument keine Registrierung zu den Wahlen -ohne Registrierung keine Beteiligung an den Wahlen", heißt es auf Plakaten, mit deren landesweiter Affichie-rung bereits begonnen worden ist.

Die Kampagne wird gemeinsam mit den übrigen Kirchen durchgeführt und ist als Beitrag zu den großangelegten Programmen zur politischen Bildung der bisher entrechteten schwarzen Bevölkerungsmehrheit gedacht, wie sie etwa von dem von Nelson Mandela ins Leben gerufenen Matla Trust veranstaltet werden. Das parteipolitisch neutrale Matla-Programm (das auch aus Mitteln der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit unterstützt werden soll) wendet sich in einer ersten Phase an Multiplikatoren, die nach Absolvierung eines Kurses vor allem in den ländlichen Gebieten, aber auch in den einzelnen Regionen der Townships Bedeutung und Ablauf von Wahlen vermitteln sollen; in einer zweiten Phase sind breit angelegte Aufklärungskampagnen geplant. Ob es allerdings 1993, wie im demokratischen Spektrum allseitig erhofft, tatsächlich zu freien und fairen Wahlen kommen wird, steht derzeit noch in den Sternen.

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