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War es nur eine Atempause?

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Ob es eine historische Abstimmung gewesen ist, wird sich weisen. Jedenfalls entschieden sich die Einwohner des US-Bundesstaates Washington am 5. November im Rahmen einer Volksbefragung gegen die gesetzliche Zulassung der aktiven Sterbehilfe. 55 Prozent der Wähler sprachen sich dagegen aus, daß Ärzte Schwerkranken auf deren schriftlichen Wunsch „Todesdrogen" verabreichen dürfen.

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Ob es eine historische Abstimmung gewesen ist, wird sich weisen. Jedenfalls entschieden sich die Einwohner des US-Bundesstaates Washington am 5. November im Rahmen einer Volksbefragung gegen die gesetzliche Zulassung der aktiven Sterbehilfe. 55 Prozent der Wähler sprachen sich dagegen aus, daß Ärzte Schwerkranken auf deren schriftlichen Wunsch „Todesdrogen" verabreichen dürfen.

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(cg) Der Gesetzentwurf war so abgefaßt, daß der Eindruck größter Humanität und bester Absicherung gegen Mißbrauch entstand: Zwei Arzte müßten die Diagnose erstellen, daß der Patient höchstens noch sechs Monate zu leben habe. Der schriftli-' che Todeswunsch des Kranken sei auch nur dann relevant, wenn zwei Zeugen bestätigen, daß dieser seine Entscheidung bei klarem Verstand getroffen habe.

Die Initiative „Washingtoner Bürger für einen würdevollen Tod" hatte im voraus auf eine breite Unterstützung in der Bevölkerung hingewiesen. 23.000 Menschen hätten ihre Kampagne mit finanziellen Mitteln unterstützt, hieß es. Im Text wurde Sterbehilfe wie üblich als humanitäre Leistung beschrieben: Sie sei eine „ärztliche Dienstleistung, die das Leben eines geistig wachen Patienten auf würdevolle, schmerzfreie und menschliche.Weise beendet".

In den Auseinandersetzungen vor dem 5. November waren sogar die Kirchen geteilter Meinung. Die Methodisten beispielsweise hatten die Initiative unterstützt, während die Katholische Kirche vehement dagegen Stellung bezogen hatte. Die „Grenze zwischen Heilen und Töten" aufzuheben, stelle eine „radikale Abkehr von seit langem geltenden moralischen und gesetzlichen Traditionen" dar, hatten die Bischöfe festgestellt.

Das Thema Liberalisierung der Sterbehilfe ist jedoch damit in den USA keineswegs vom Tisch. Im Gegenteil: In den kommenden beiden Jahren wollen die Bundesstaaten Oregon, Florida und Kalifornien, eine ähnliche Abimmung, wie sie eben in Washington stattgefunden hat, durchführen. Für die Befürwortung der Sterbehilfe wird nämlich derzeit in den USA viel Stimmung gemacht. So steht gegenwärtig ein Buch der „Helmlock Society", das praktische Anleitung zur Durchführung von Selbstmorden gibt, auf der Bestseller-Liste. Dementsprechend steigt auch die Zahl jener, die dem Menschen ein Recht auf Suizid zusprechen. Sie beträgt Umfragen zufolge schon 55 Prozent der Bevölkerung gegenüber 44 Prozent im Jahr 1975.

So gesehen ist der Ausgang des Referendums in Washington keine wirklich endgültige und massive Absage an die Sterbehilfe. Die in kirchlichen Kreisen (etwa in Radio Vatikan) geäußerte Befriedigung darüber ist zwar verständlich, sollte aber nicht dazu führen, das Thema jetzt ad acta zu legen.

Es wird uns weiterhin beschäftigen. Denn immerhin haben sich 45 Prozent der Wähler in Washington für die Euthanasie ausgesprochen. Eine Zahl, die bedenklich stimmen sollte.

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