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War uberhaupt ein Konzil notig:

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Die im Titel gestellte Frage hat Papst Johannes XXIII. mit der Apostolischen Konstitution „Humanae Salutis“ vom 25. Dezember 1961, mit der er das Konzil einberufen hat, selbst beantwortet. Er hielt es angesichts der gegebenen Entwicklung der menschlichen Gesellschaft für die Pflicht der Kirche, sich „als Lehrerin der Wahrheit zu erweisen“. Er hatte nämlich feststellen müssen, „daß die heutigen Menschen in den geistigen Gütern nicht in gleicher Weise Fortschritte gemacht haben wie in den äußeren“. Ja, es herrschen Lehren, „die alles auf die Materie zurückführen oder die Fundamente des katholischen Glaubens umzustürzen (subvertere) versuchen“. Angesichts der drängenden Fragen hielt der Papst die Zeit für reif, ein Konzil einzuberufen. Es sollte die Reihe der großen Konzilien fortsetzen.

In seiner Ansprache zur Eröffnung des Konzils am 11. Oktober 1962 hat Johannes XXIII. das Ziel und die Aufgaben des Konzils im einzelnen klar umrissen. Gleich im ersten Satz hat er der Tatsache besondere Bedeutung beigemessen, daß die Eröffnung unter dem Schutz der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria stand, deren Fest der Mutterschaft auf diesen Tag traf.

Nach nunmehr 25 Jahren würde der überaus wichtige Inhalt der Eröffnungsansprache es verdienen, sorgfältig bedacht zu werden. Angesichts der nachkonzilia-ren Entwicklung und der heutigen Situation ist jedoch besonders hervorzuheben, daß der Papst es damals als das größte Anliegen des Konzils bezeichnete, das „sa-crum christianae doctrinae depo-situm“, also das heilige anvertraute Gut der christlichen Lehre, „besser zu bewahren und zu verkünden“.

Die Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung hat dem eingehend entsprochen. Sie hat die Treue gegenüber dem

Wort Gottes nachdrücklich unterstrichen, dessen Quellen „Die Heilige Uberlieferung und die Heilige Schrift“ (Artikel 9) sind. Dieses „Wort Gottes verbindlich zu erklären, ist nur dem lebendigen Lehramt der Kirche anvertraut“. Wie das Konzil jedoch betont, steht das Lehramt „nicht über dem Wort Gottes, sondern dient ihm, indem es nichts lehrt, als was überliefert ist,...“ (Artikel 10).

Johannes XXIII. hielt es jedoch mit Recht für ebenso notwendig, diese ewigen Wahrheiten des Wortes Gottes in einer den heutigen Verhältnissen angemessenen Weise zu verkünden, und zwar die ganze katholische Lehre, „unversehrt, unverkürzt, nicht verdreht (non detortam)“. Dies alles waren und sind ureigenste und notwendige Anliegen der Päpste ebenso wie des Konzils selbst. Die Dokumente machen das klar.

Die Probleme, die in der nach-konziliaren Entwicklung entstanden sind, rühren denn auch weder von den Intentionen Johannes XXIII. noch von den Aussagen des Konzils her. Vielmehr haben sie ihre Ursache in Strömungen seit der Aufklärung des 18. und 19. Jahrhunderts, im „Modernismus“, im verbreiteten Relativismus und in verschiedenen Ideologien der Gegenwart.

Das Konzil wurde von vielen als Gelegenheit angesehen, diese Strömungen in der Kirche durchzusetzen. Daher hat Papst Paul VI. in seiner für die Fortsetzung des Konzils programmatischen ersten Enzyklika „Ecclesiam su-am“ eindringlich vor den Gefahren der Irrtümer gewarnt, „die auch im Inneren der Kirche selbst um sich greifen und in die jene fallen, die nur eine teilweise Kenntnis ihrer Natur und ihrer Sendung haben und nicht genügend die Dokumente der göttlichen Offenbarung und die Verlautbarungen des von Christus selbst eingesetzten Lehramtes beachten“ (Seite 10; Acta apostolicae sedis 56,618).

Weü diese Strömungen sich jedoch im Konzil selbst nicht genügend durchsetzen konnten, haben sie nach dem Konzil als angeblicher „Geist des Konzils“ die Entwicklung in die Hand zu nehmen versucht, und darin waren sie sehr erfolgreich. Dadurch wurde jedoch das eigentliche Erneuerungsanliegen des Konzils weithin in den Hintergrund gedrängt und vereitelt. Alle beschwörenden Mahnungen und Warnungen des Lehramtes sind, ebenso wie die Aussagen des Konzils selbst, weithin unbeachtet geblieben, so auch die Warnung vor der Gefahr der Ansicht, „daß die Reform der Kirche hauptsächlich in der Anpassung ihrer Gesinnungen und ihrer Sitten an jene der Welt bestehen müsse“ (Ecclesiam suam 20).

Gerade diese setzte sich durch. Dies hat, trotz zahlreicher positiver Bemühungen, im ganzen zu jener Situation geführt, die der jetzige Kardinal Joseph Ratzinger bereits zehn Jahre nach dem Konzil mit den bekannten Worten klarstellen mußte: „Es ist unbestreitbar, daß die letzten zehn Jahre für die katholische Kirche äußerst negativ verlaufen sind. Die Entwicklungen seit dem Konzil scheinen in eklatantem Widerspruch zu den Erwartungen aller, ..., zu stehen. Die Christen sind von neuem eine Minderheit, mehr als sie es seit der ausgehenden Antike je gewesen sind“ (Zur Lage des Glaubens 27).

Wenn das Konzil nötig war, so wäre doch diese seinen Intentionen entgegengesetzte Entwicklung nicht nötig gewesen. Was aber sicher nötig ist, das ist die endliche Rückbesinnung darauf, was das Konzil in seinen Dokumenten wirklich gesagt und gewollt hat. Die vom Konzil angestrebte Erneuerung des kirchlichen Lebens hängt davon ab, daß die wirklichen Aussagen des Konzils ernst genommen werden und der unverkürzte katholische Glaube wirklich gelebt wird. Dies erfordert von jedem einzelnen Christen einen schmerzlichen Prozeß der Umkehr. In dem Maße, in dem sie erfolgt, dürfen aber auch Früchte einer wahren Erneuerung erhofft werden.

Der Autor ist Ordinarius für Römisches Recht an der Universität Salzburg.

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