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Warnung an Kirche

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Der Polarisierung in El Salvador sind Mitte November sechs Jesuiten zum Opfer gefallen. Präsident Cristiani ist nicht mehr Herr der Lage. Die Kirche wird immer mehr Teil des Konflikts.

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Der Polarisierung in El Salvador sind Mitte November sechs Jesuiten zum Opfer gefallen. Präsident Cristiani ist nicht mehr Herr der Lage. Die Kirche wird immer mehr Teil des Konflikts.

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FURCHE: Herr Erzbischof, wie schätzen Sie in politischer Hinsicht die jüngste militärische Offensive der Aufständischen (FMLN) ein?

ARTURO RIVER A Y D AMAS: Ich glaube, daß diese Offensive noch nicht zu Ende ist. Meiner Meinung nach hat die FMLN nicht erreicht, was sie erreichen wollte: den Sturz von Präsident Alf redo Cristiani (von der rechtsextremen ARENA-Par-tei, Anm. d. Red.) und den Anstoß zu einer Volkserhebung. Dennoch hat die Guerilla ihre militärische Stärke gezeigt, welche Tatsache in einem Dialog ihren Niederschlag finden muß. Aber die FMLN hat nicht die nötige Unterstützung der Bevölkerung erhalten.

FURCHE: Nimmt die Regierung nun eine unnachgiebigere Haltung ein als früher?

RIVERA: Bei unseren Kontakten haben wir gesehen, daß sich Präsident Cristiani einem Dialog nicht verschließt (siehe FURCHE 14/ 1989, Seite 3, Anm.'d. Red.) Und das erscheint uns als eine positive Haltung. Doch ich getraue mich nicht zu sagen, was dahinter steckt.

FURCHE: Und die FMLN?

RIVERA: Was sie betrifft, so konnten wir noch nichts eruieren. Doch die Offensive zeigt, daß sie langfristig mehr auf diese Option setzt. Leute, die mit den Aufständischen Kontakt hatten, teilten mir mit, daß sich diese in einer Jubelstimmung befinden, da der Test für sie äußerst positiv ausging.

FURCHE: Gibt es gegenwärtig irgendwelche Bedingungen für einen Waffenstillstand, die die FMLN der Kirche mitgeteilt hat?

RIVERA: Uns hat man nichts gesagt. Ich könnte mir vorstellen, daß sie längerfristig ein eigenes Hoheitsgebiet haben wollen. Doch das ist nur Spekulation.

FURCHE: Sind Sie persönlich dafür, die Aktivitäten der Kirche mit den Bemühungen der „Organisation Amerikanischer Staaten“ (OAS) zusammenzulegen, die eine Friedensinitiative startete?

RIVERA: Die Guerilla schlug die Vermittlung der Kirche und der OAS vor. Da es sich dabei auch um ein politisches Problem handelt, glaube ich, wäre es gut, wenn ein Organismus mit mehr politischer Macht eingeschaltet ist. Wir besitzen eine moralische Macht, die wohl auch einen Einfluß ausübt, aber wir sind keine ausgesprochen politische Macht. Wir glauben, daß wir unsere Friedensbemühungen mit der OAS zusammenlegen können.

FURCHE: Ich habe bemerkt, wie Sicherheitskräfte aus einer Kirche Verletzte herausgeholt und aus einer anderen Zivilisten weggeführt haben. Viele Priester fühlen sich bedroht.

RIVERA: Wir haben gehört, daß die Streitkräfte Razzien in den Kirchen jener Viertel machen, wo es Kämpfe gab, um zu sehen, ob etwas zurückblieb. Was die Flüchtlinge betrifft, so hat es in der Pfarre San Roque Durchsuchungen gegeben. In einem ersten Bericht hieß es, daß die Polizei aus dem Flüchtlingslager 50 Personen mitgenommen hat. Es waren die Nonnen hier, da der Priester krank ist. Sie berichteten, sie selbst hätten einigen Leuten gesagt, sie sollten das Lager verlassen, und das geschah fast gleichzeitig mit der Ankunft der Soldaten, sodaß einige den Schluß zogen, diese Personen seien gewaltsam abgeführt worden.

FURCHE: Gibt es einen Sektor in den Streitkräften, der die Kirche nicht mehr als Richter, sondern als am Konflikt beteiligten Teil betrachtet?

RIVERA: Meines Wissens nach schon. Doch will ich mich nicht näher darüber auslassen, denn es laufen gerade die Untersuchungen, und ich möchte sie nicht erschweren. Doch für uns ist es offensichtlich, daß es Mitglieder der Streitkräfte waren, die die Jesuitenpatres ermordet haben.

FURCHE: Gibt es Zeugen?

RIVERA: Es gibt eine ganze Reihe von Umständen, die darauf hinweisen, daß nur sie (Angehörige der Streitkräfte, Anm.d.Red.) diese Tat vollführen konnten, und auch die Zeugen sagen so aus.

FURCHE: Was tun Sie jetzt?

RIVERA: Wir stehen mit dem Oberkommando in Verbindung, um diese Probleme zu besprechen; Oberst Eliseo Lopez Abarca ist der Kontaktmann des Militärs zu uns. Auf unserer Seite habe ich Weihbischof Rosa Chavez mit der Führung der Gespräche betraut.

FURCHE: Es ist merkwürdig, daß diese Vorfälle zeitlich mit dem berühmten Brief des Generalstaatsanwaltes zusammenfallen, in dem dieser vom Vatikan die Abberufung von Bischöfen und Geistlichen verlangt, die der Befreiungstheologie nahestehen.

RIVERA: Man braucht dem keine allzu große Bedeutung beimessen, auch wenn wir uns natürlich bewußt sind, daß das keine Luftblase ist und uns vielleicht als Hinweis, als Warnung dienen soll.

FURCHE.Dieses Verhalten scheint mit jenem von Präsident Cristiani in Widerspruch zu stehen. Glauben Sie nicht, daß es innerhalb der Regierung oder der Streitkräfte zu einer Spaltung kommen könnte?

RIVERA: Ich glaube, diesen Unterschied hat es immer gegeben -manchmal zeigt er sich eben besonders stark. Ich habe das schon in dem Schreiben des Erzbischofs anläßlich des Amtsantritts von Cristiani erwähnt. Die Aufklärung der Morde an den Jesuiten könnte zweifellos die große Gelegenheit für Präsident Cristiani sein, sich ini Amt zu bestätigen und reinzuwaschen. Das wäre eine Möglichkeit, zu bekräftigen, was Sie mir eben gesagt haben.

Das Gespräch mit dem Erzbischof von San Salvador, Arturo Rivera y Damas, führte, Leo Gabriel.

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