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Warnung in ernster Stunde

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Die Konsensdemokratie kann sicherlich aiuah zu weit getrieben werden: Wenn notwendige, aber unangenehme Entscheidungen von den Verantwortlichen so lange hinausgezögert werden, bis endlich die Funktionäre aller Betroffenen mehr oder weniger freiwillig „ja“ gesagt haben — oder solche Entscheidungen überhaupt unterbleiben.

Einem solchen Mißverständnis unserer Staatsform soll hier nicht das Wort geredet werden. Auf einem Gebiet aber kann der Bogen für eine allgemeine Übereinstimmung gar nicht weit genug reichen: in der Währungspolitik. Ohne eine weitgespannte Kooperation kann in unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung eine Währung nicht gesund erhalten werden oder eine — wie heute — kränkelnde Währung nicht gesunden.

Mit der Sitzung des Generalrates der Oesterreichischen Nationalbank in der vorigen Woche ist die einst bewußt überparteilich angelegte österreichische Währungspolitik in ein weiteres Auflösungsstadium getreten. Zum erstenmal ist — soweit die Erinnerung der heutigen Noten- bankgeneration zurückreioht — in diesem Spitzenorgan in einer wichtigen WähfUHgsfräge, wie däs Offizielle Kommunique erkennen läßt, eine Mehrheitsentscheidung gefallen.

Das Problem selbst, das eigentlich zur Debatte stand, hat kürzlich Karl Gräber in der „Presse“ ausreichend erläutert und seine Bedeutung gebührend herausgestellt. Hier soll eine Warnung davor ausgesprochen werden, auf die gemeinsame Verantwortung nicht nur der Notenbank mit ihren Partnern, sondern sogar in den Organen der österreichischen Währungsbehörde immer weiter und — wie es fast scheint — mutwillig zu verzichten. Eine überparteiliche Währungspolitik ist rascher verspielt als sie je wiedergewonnen werden kann!

Bisher konnte die einheitliche Willensbildung in der österreichischen Notenbank alle wechselvollen Phasen der Innenpolitik überdauern: die Koalitionsregierungen der Nachkriegszeit, die ÖVP-Alleinregierung, das SPÖ-Mindenheiten- und das SPÖ-Mehnheitskabinett, obwohl die leitenden Organe, der Generalrat und das Direktorium, seit Kriegsende aus zwei parteipolitisch akzentuierten Fraktionen bestehen. Allein wegen der notwendigerweise langen Wirkungsverzögerungen ihrer Instrumente kann die Währungspolitik nicht in Wahlperioden gezwängt werden. Schon aus diesem Grund gibt es für ihre überparteiliche Konzipierung keine Alternative!

Die Oesterreichische Nationalbank war sioh einmal des Umstandes bewußt, daß sie zwar nach dem Gesetzesauftrag die Hüterin der österreichischen Währung ist, daß aber die Verantwortung für unseren Schilling kraft der Bedeutung des Bundeshaushaltes, der Tarifautonomie, der Marktordnungen, der Stellung des Kreditapparates und anderem heute auf viele Schultern verteilt ist und daß daher in diesen Fragen die Kooperation jedenfalls einer Konfrontation vorzuziehen ist.

Die österreichische Währungspolitik beruhte auf dem Zusammenwirken von Nationalbank, Regierung (insbesondere mit dem dafür zuständigen Finanzminister) und — auf welchem Gebiet wäre es wichtiger und sinnvoller! — mit den Sozial partnern. Österreich ist seinerzeit damit nicht schlecht gefahren!

Bis zur (zweiten) Schilling-Aufweitung am 29. März 1973 war unsere Währungspolitik ein nationales Anliegen. Sowohl jede Wechselkursänderung wie auch deren Ausmaß waren — wenn auoh nach mühevollen Verhandlungen mit allen Beteiligten — mehr oder weniger abgesprochen. Auch die unter den völlig neuen Bedingungen schwierige Wechselkurspolitik (möglichst stabile Kurse gegenüber den Währungen unserer wichtigsten Handelspartner) beruhte auf sehr weitgehendem Konsens. Die Schilling-Aufwertung am 3. Juli 1973 als solche war abgestimmt, ihr Ausmaß aber bereits umstritten. Bei der überraschenden Aufwertung des Schillings am 17. Mai 1974 glaubten Notenbank und Regierung, selbst auf jede Konsultation mit den Sozialpartnern, jedenfalls aber mit der Wirtschaft verzichten zu können.

Und nun ist der Spaltpilz einer sich schrittweise auflösenden Basis der Währungspolitik sogar in die Organe der Notenbank selbst eingedrungen. Der im Kommunique veröffentlichte Gegenstand der Sitzung klang mit den Worten „Aufstellung allgemeiner Richtlinien der Wäh- rungs- und Kreditpolitik, insbesondere der Frage der Refinanzierung durch die Notenbank“ wie eine Routineangelegenheit und relativ harmlos. Dahinter aber verbarg sich die Tatsache, daß im obersten Führungsgremium unserer Währungsbehörde die Gruppe jener, die einer Wiederholung der gesetzwidrigen Geldschöpfung zugunsten des Staatsbudgets Vorbeugen wollten, in der Minderheit geblieben ist.

Diese Gruppe von Generalräten verdient den Dank aller, die die ökonomische und soziale Bedeutung einer gesunden Währung erkannt haben. Sie haben einmal mehr bewiesen, daß die Mehrheit nicht immer Recht haben muß. Ob die Finanzierung überfälliger Schulden des Bundes durch die Notenbank nunmehr mit einer Art Jahresschlußpanik oder als ein „man probiert’s“ zu erklären ist, diese Minderheit hat wohl erreicht, daß ein zweiter Versuch seitens der Regierung nicht so bald wieder zu erwarten ist.

Der Währungspoiitische Ausschuß des Generalrates — ein Koordinierungsinstrument zwischen diesem und dem Direktorium, zuletzt unter dem verantwortungsbewußten Vorsitz des Währungsexperten Karl Ausch — ist schon seit der erstmaligen Entsendung eines hohen Parteifunktionärs in das Nationalbankpräsidium nicht mehr einberufen worden.

Dieser etappenweise Zerfall der Basis der Währungspolitik erfolgi in einer Zeit, in der der Bundeshaushalt — weil offenbar nicht mehr ohne weiteres finanzierbar — von Jahr zu Jahr mit sich akkumulierenden Defiziten aus den Nähten platzt, der Präsident des Gewerkschaftsbundes auf den alten, heute in zunehmendem Maße erkannten Irrtum zurückgreift, die Inflation sei der notwendige Preis für die Vollbeschäftigung, und die Regierung daher die Konjunktur nunmehr „mit Vollgas“ beleben möchte — und der Maßstab der Geldentwertung — der Verbraucherpreisindex — manipuliert ist. Es muß nicht immer Konsens sein, was die Währung schützt. Die Währungshüter dürfen erforderlichenfalls eine Kraftprobe nicht soheuen. Daß eine solche Standfestigkeit gegenüber einer Regierung, die noch vor nicht allzu langer Zeit glaubte, zwischen 5 Prozent Inflationsrate und 5 Prozent Arbeitslosigkeit wählen zu können (um schließlich prompt beides zu erhalten!), notwendigerweise nur über eine Stabilisierungskrise zum Ziel führen kann, können wir gerade im benachbarten Ausland beobachten.

Wenn es daher auf dem Otto- Wagner-Flatz darum gegangen wäre, mangels einer erzielbaren Übereinstimmung eben mittels einer Mehrheit dem Schilling zur Seite zu stehen, könnte das als notwendiger Schritt zu seiner Wiedererhärtung angesehen werden. Daa aber ist nicht geschehen. Die Mehrheit des .Genenalrates hat beides geopfert: den Konsens und das klare Bekenntnis zur gesetzlichen Bremsung der Notenpresse, um die uns heute viele Währungsbehörden beneiden.

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