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Warnung vor autoritärem Getto

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FURCHE: Prof. Küng. Zur vorläufigen Lösung des zwischen der Amiskirche und Ihnen entstandenen Konflikts erklärten Sie anläßlich der Tübinger Pressekonferenz, daß Sie als katholischer Theologe weiter kämpfen werden für ein mehr an der Botschaft Christi orientiertes Christentum, für die ökumenische Verständigung und die Erneuerung der katholischen Kirche, der Sie sich nach wie vor als Theologe, Seelsorger und Wissenschaftler verbunden fühlen.

Ist das nicht die selbstverständlichste Sache eines jeden Theologen. Und wozu dann die kräfteraubenden Konflikte der jüngsten Zeit?

KÜNG: Es ist ein Unterschied, ob ich ein traditionelles Christentum vertrete, das sich an das hält, was traditionellerweise geworden ist, oder ob ich mich als Theologe bewußt darum kümmere, und das mit allen modernen Mitteln, die die theologische Wissenschaft heute zur Verfügung hat, was Jesus ursprünglich gewollt und gemeint hat. Das herauszufinden ergibt zwangsweise methodische Unterschiede. Meine Absicht ist es, die genauen authentischen Absichten Jesu den heutigen Menschen zu erklären und verbindlich nahezubringen.

FURCHE: Mit der inneruniversitä-.ren Lösung Ihres Konflikts köiTnen Sie ja zufrieden sein. Aber das ist meines Erachtens ja nicht alles. Die Frage, die den an Ihrem Schicksal anteilnehmenden Christen bewegt, ist die: Könnten Sie nicht Ihrerseits Dispositionen setzen, die eine baldige Wiedererlangung der kirchlichen Lehrbefugnis ermöglichten?

KÜNG: Es scheint mir unmöglich zu sein, etwa meine Anfrage an die kirchliche Autorität bezüglich ihrer Unfehlbarkeit einfach fallenzulassen. Das hat man mir faktisch zugemutet und auf das konnte ich nicht eingehen. Ich könnte mir aber vorstellen, daß es in Zukunft einmal zu einem ernsthaften Gespräch kommen könnte, daß man in

Rom auf meinen Vorschlag eingeht, eine Kommission einzusetzen, die die strittigen Fragen untersucht. Und ich könnte mir auch vorstellen, daß man in Rom nach einiger Zeit in diesen Fragen etwas kirchlicher denkt und auch merkt, daß ich der katholischen Kirche und ihrer Leitung durch meine Anfrage und Kritik, durch meine Correctio fra-terna, auch am Papst selber, lediglich einen Dienst leisten wollte. Ich bleibe selbstverständlich gesprächsbereit, aber ich werde in Zukunft auch in aller Deutlichkeit sagen, was ich als Theologe sagen und verantworten muß.

FURCHE: Sie werfen der Kirchenbehörde vor, in Ihrem Fall ihre Meinung mit Mitteln der Macht durchgesetzt zu haben. Sie selbst aber vertrauen als Christ darauf, dajisich die Wahrheit mit der Zeit von selbst durchsetzen würde. Mir scheint diese Gewichtung, gelinde gesagt, zu undifferenziert.

KÜNG: Ich empfinde es so. Und mit mir sehr viele andere. Und es wird in einer Dokumentation, die Ende April erscheint, sehr deutlich werden, daß letztlich von meinen Verurteilern nicht argumentiert wurde, daß von Rom und den deutschen Bischöfen immer nur behauptet wurde, das sei katholisch und das sei nicht katholisch, und daß man mich letztlich nur mit Gewalt gezwungen hat, einen solchen Schritt zu tun.

Der Entzug der Mission ist geschehen, ohne daß ich überhaupt bezüglich meiner beiden neuen Publikationen zur Unfehlbarkeit im geringsten befragt worden bin; der Entzug der Lehrbefugnis ist geschehen, ohne daß überhaupt ein Verfahren gegen meine Bücher „Christ sein” und „Existiert Gott” durchgeführt worden wäre.

Hier hat man nicht versucht um die Wahrheit zu ringen, hier ist mit Macht durchgesetzt worden, was jetzt als bedauerliches Faktum allerorts bekannt ist. Es war ein sehr ungleicher Kampf. Ob sich das, was die Kirchenleitung in diesen Punkten vertritt, als Wahrheit durchsetzen wird oder das, was ich mit vielen anderen vertreten habe, wird die Zukunft zeigen.

Ich bin aber meinerseits bereit, meine Auffassung überall dort zu korrigieren, wo ich Gründe geliefert bekomme. Aber die Art, wie hier die Auseinandersetzung geführt wurde, ist nicht das was ich als Rechtlichkeit und christliche Brüderlichkeit ansehe. Es war ein ausgesprochenes Machtspiel bei ungleichen Ausgangspositionen.

FURCHE: Sie behaupten ja auch, daß Rom von Ihnen faktisch die Verleugnung bestimmter kritischer Anfragen verlangte und die totale Unterwerfung unter ein, wie Sie meinen, in vielem überholtes kirchliches Lehrsystem. Das konnten Sie aber Ihrerseits weder mit der Gewissensfreiheit eines Christen noch mit der Wissenschaftsredlichkeit, der Sie sich als katholischer Theologe immer verpflichtet wußten, vereinen. Gibt es hier für Sie keinen A us-weg?

KÜNG: Ich bin überzeugt, daß wie in anderen Fällen der Theologie und Kirchengeschichte, vom berühmten Fall Galilei angefangen, der ja auch von derselben Glaubenskongregation, wie sie sich heute so schön nennt, durchgeführt wurde - damals hieß sie allerdings noch Inquisitionskongregation-, mit der Zeit schon deutlich wird, was da nun richtig ist. Und das schlimmste wäre es, wenn ich gegen mein Gewissen und gegen meine Einsicht etwas bejahen würde, was ich nicht bejahen kann.

Im übrigen bin ich der Meinung, daß, wenn dieser Maßstab der römischen Glaubensbehörde an sämtliche Theologen in der BRD, Österreich und der Schweiz angesetzt würde, nicht viele Theologen in unseren Fakultäten übrig blieben. Das, was die Glaubenskongregation heute noch alles als katholisch ansieht, ist sicher nicht in allem das, was in deutschen, österreichischen und schweizerischen Fakultäten heute als katholisch angesehen wird.

Die ganze Frage wird sich meines Erachtens darauf zuspitzen: Sollen wir wieder in die Enge der Neuscholastik, der vorkonziliaren Zeit, sollen wir wieder in die Enge einer doch im Grunde überholten Theologie zurückkehren? Nach all diesen Geschehnissen bleibt für mich die besorgniserregende Frage an die Kirchenleitung: Wohin führt ihr unsere Kirche? Auf den Weg Johannes' XXIII. und des 2. Vatikanischen Konzils, in eine größere katholische Weite, Menschlichkeit und Christlichkeit oder auf den Weg des 1. Vatikanischen'Konzils und der Pius-Päpste zurück in ein autoritäres, katholizistisches Getto?

(Das Gespräch führte Gerhard Ruisl

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