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Warnung vor der Vergeudung

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Energie ist ein nicht austauschbares Gut. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftswachstum und dem Einsatz von Energie, aber auch der Belastung der Umwelt. Ohne im Detail auf die aktuelle Kontroverse um Meadows „Grenzen des Wachstums“ eingehen zu wollen, muß festgestellt werden, daß zur Aufrechterhaltung unserer heutigen Gesellschaftsordnung und Zivilisationsform ein, wenn auch sicherlich „qualifiziertes“, Wirtschaftswachstum erforderlich ist. Hiezu zwingt nicht nur der ständige Anstieg der Weltbevölkerung, sondern auch die Tatsache, daß nahezu alle menschlichen Grundbedürfnisse materieller Art heute nur noch über vermehrten Einsatz von Energie bewältigt werden können.

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Energie ist ein nicht austauschbares Gut. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftswachstum und dem Einsatz von Energie, aber auch der Belastung der Umwelt. Ohne im Detail auf die aktuelle Kontroverse um Meadows „Grenzen des Wachstums“ eingehen zu wollen, muß festgestellt werden, daß zur Aufrechterhaltung unserer heutigen Gesellschaftsordnung und Zivilisationsform ein, wenn auch sicherlich „qualifiziertes“, Wirtschaftswachstum erforderlich ist. Hiezu zwingt nicht nur der ständige Anstieg der Weltbevölkerung, sondern auch die Tatsache, daß nahezu alle menschlichen Grundbedürfnisse materieller Art heute nur noch über vermehrten Einsatz von Energie bewältigt werden können.

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So bedarf etwa die Reinerhaltung der Luft sowie die Vermeidung ihrer Verschmutzung vermehrten Energieeinsatzes, ebenso die Bereitstellung und Reinhaltung von Wasser. Nahrungsmittel können in erforderlicher Menge nur durch Bewässerung und künstliche Düngung produziert werden, neuer Wohnraum, dessen Beheizung oder Klimatisierung brauchen Energie zu ihrer Bereitstellung. Rohstoffe werden knapp, Lager geringe-rerer Konzentration müssen abgebaut werden, oder bereits gebrauchte Rohstoffe müssen rückgewonnen werden; beides bedarf weiterer Energie, synthetische Produkte ersetzen rare natürliche, ein Mehrbedarf an Energie entsteht.

Aus all diesen Substitutionsketten kann entnommen werden, daß selbst ein Stehenbleiben auf dem heutigen Niveau des Energieeinsatzes Rückschritt bedeuten würde und uns nur um so rascher zu jenem prognostizierten Kollaps führen müßte.

Der Prokopfverbrauch an Primärenergie in Österreich liegt derzeit im unteren Spitzenfeld der hochzivilisierten Industriestaaten. Er wird von den meisten EG-Staaten teilweise recht erheblich übertroffen, allerdings auch von der UdSSR, und erreicht nur rund 50 Prozent des entsprechenden Wertes der USA; der Weltdurchschnittswert liegt unter der Hälfte der österreichischen Quote. Manche technisch unterentwickelte, das heißt nichtindustrialisierte Staaten, haben heute noch nur etwa ein Dreißigstel unseres Energieeinsatzes pro Kopf. Sowohl der Weltdurchschnitt wie auch die Spitzenwerte des Energieverbrauches in hochindustrialisierten Staaten steigen jährlich progressiv um einige Prozente. Hie-bei stehen Zuwachsraten von rund fünf Prozent in den letztgenannten Staaten solchen von 25, 30 und mehr Prozenten pro Jahr in Entwicklungsländern gegenüber. Deutlich merkbare Sättigungserscheinungen sind derzeit nirgends feststellbar. Hiezu einige Thesen:

• Sozialen Gefällen wohnt eine Tendenz zu ihrem Ausgleich inne. Daher könnten sich Sättigungserscheinungen national bestenfalls auf dem derzeit bestehenden Level der Spitzenverbraucher einstellen. Allerdings würde ein derartiger Ausgleich evolutionär erhebliche Zeiträume in Anspruch nehmen, welche es den heutigen Spitzenverbrauchern ermöglichen, neue Anwendungsbereiche zu erschließen.

• Ein ähnliches Phänomen existiert zwischen höher und weniger hoch entwickelten Nationen. Jede Erhöhung des Zivilisationsgrades oder jede Beschleunigung der Industrialisierung ist zwangsläufig mit einer entsprechenden Steigerung des Energieeinsatzes verbunden. Jedes Einfrieren des heutigen Gefälles birgt den Aufbau von Spannungen in sich, die unter Umständen, falls erforderlich, zu einem revolutionären Ausgleich drängen. _

• Die Gesellschaft der hochentwickelten Nationen gibt, allen Anzeichen des Unbehagens zum Trotz, der gegenwärtigen Zivilisation mit hohem materiellen Lebensstandard den Vorzug vor früheren oder primitiveren Zivilisationsformen. Es wird versucht, die technische Zivilisation mit den Umweltbedingungen in Einklang zu bringen, jedoch ohne Verminderung des materiellen Lebensstandards. Der sich verstärkende Druck der Umweltbedingungen wird also durch vermehrten Energieeinsatz bewältigt.

• Eine Stabilisierung der Weltbevölkerung ist nicht vor 50 Jahren und kaum unter der dreifachen heutigen Bevölkerung zu erwarten. Grund hiefür ist das nur langsame Durchsetzen allgemein akzeptierter Methoden der Geburtenregelung sowie der stetige Anstieg der Lebenserwartung.

• Wegen der Begrenztheit der natürlichen Rohstoffreserven ist unsere heutige technische Zivilisation nur durch einen Ubergang von der gegenwärtigen Durchgangs-(Weg-werf-)Wirtschaft zu einer Kreislauf-(Raumschiffs-)Wirtschaft aufrecht zu erhalten. Voraussetzung hiefür: Bereitstellung ausreichender Energiemengen.

Trotzdem läßt sich aus allen diesen Thesen eine mögliche Sättigung des Energiebedarfs der Menschheit herleiten, dann, wenn sich die Bevölkerungszahl eingependelt hat, das soziale Niveau innerhalb und außerhalb der einzelnen Nationen weitgehend ausgeglichen ist und die Rohstoff- und Umweltprobleme gelöst sind. Es ist hiebei erstaunlicherweise festzustellen, daß jener Prokopfwert des Energieverbrauches gar nicht so unmögliche Größen annimmt, wie man befürchten könnte, sondern voraussichtlich irgendwo in der Größe der doppelten USA-Kopfquote liegt, also ein Wert, der in den höchstentwickelten Staaten theoretisch noch vor der Jahrhundertwende erreicht werden könnte. Von Seiten der vorhandenen Energiereserven ist diese Kopfquote bei Einbeziehung der Kernenergie in unsere Betrachtung selbst für ein Mehrfaches der heutigen Weltbevölkerung auf längste Zeiträume hinaus realisierbar, am Energiemangel wird die Menschheit nicht zugrunde gehen; bedenklicher erscheinen die Nebenprodukte verstärkter Energiegewinnung. Allerdings kann auch hier nachgewiesen werden, daß sich das Problem radioaktiver Abfallprodukte aus der Kernenergiegewinnung, selbst unter der unrealistischen Annahme, daß keine neuen Technologien zu ihrer Beseitigung entwickelt werden würden, beherrschen ließe. Verbliebe das Problem der Abwärme: Dieses wird ohne Zweifel eine Reihe von Maßnahmen im lokal beschränkten Raum erfordern, global gesehen, erlaubt die Ausnützung von Klimaschwankun-gen, wie sie in der Menschheitsgeschichte mehrfach vorgekommen sind, den Einsatz jener Sättigungsenergie einer vielfachen Menschheit über Hunderte Generationen hinweg. Innerhalb der einzelnen Primärenergieträger werden zwangsläufig Umschichtungen und letztlich eine totale Substitution- durch Kernenergie und auf Ihr basierende synthetische Treibstoffe stattfinden. Große Energieparks, vielleicht auf den Meeren schwimmend, werden mit gigantischen Leistungen über hochentwickelte Verteilungsanlagen die Menschheit versorgen.

Die österreichischen Verhältnisse werden im Laufe der Fortentwicklung den globalen Gegebenheiten immer ähnlicher. Noch vor dem Ende unseres Jahrhunderts werden unsere Wasserkräfte restlos'ausgebaut sein, dürften unsere Erdöl- und Erdgasvorkommen erschöpft sein. Unsere Importabhängigkeit wird immer größer, auch die Lösung des österreichischen Energieproblems kann nur von der Kernenergie kommen. Bis zur Erreichung des heutigen US-Standards werden noch zirka 15 bis 20 Jahre vergehen, jene zitierte Sättigungsenergieerzeugung könnte hierzulande in etwa 30 bis 40 Jahren erreicht werden. Verantwortungsvolle Planung wird uns auch die Umweltprobleme zu meistern gestatten. Trotz dieses durchaus optimistischen Bildes hinsichtlich der Energieerzeugung sei vor jeder Vergeudung gewarnt. Die Deckung jenes ungeheuren Zuwachses wird von uns die Anstrengung aller Kräfte, vor allem der finanziellen, erfordern. Es wird Aufgabe verantwortungsvoller Politik sein, Prioritäten im Einsatz der knappen finanziellen Mittel zu setzen. Unser aller Aufgabe wird es sein, hauszuhalten, sei es durch bessere Wirkungsgrade in Energieerzeugung und Umwandlung, sei es durch effizienteren Energieeinsatz ih langlebigeren Gebrauchsgütern oder besser wärmeisolierten Gebäuden. Die Energiewirtschaft kann Voraussetzungen für Lebensqualität schaffen.

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