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Warum der .Industriestandort Österreich Zukunft

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Spektakuläre Pleiten, Branchenprobleme von der Stahl- über die Textil- bis zur Papierindustrie - die heimische Industrie ist in der Krise. Es handelt sich aber nicht nur um das gewohnte Auf und Ab in der Wirtschaft, der gesamte Industriestandort Österreich beginnt zu wackeln.

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Spektakuläre Pleiten, Branchenprobleme von der Stahl- über die Textil- bis zur Papierindustrie - die heimische Industrie ist in der Krise. Es handelt sich aber nicht nur um das gewohnte Auf und Ab in der Wirtschaft, der gesamte Industriestandort Österreich beginnt zu wackeln.

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Trotz der aktuellen Probleme hat Österreich als Industrieland aber viel zu verteidigen. Der Strukturwandel der vergangenen 20 Jahre hat die Produktivität rasant erhöht. Lediglich Irland konnte unser Tempo noch übertreffen. Alle anderen Industrieländer - egal ob Deutschland, Japan oder die Schweiz - liegen zum Teil deutlich hinter Österreich.

Diese Erfolge haben den wachsenden österreichischen Wohlstand erst ermöglicht, denn die Industriekonjunktur entscheidet wesentlich über den Zustand der gesamten heimischen Wirtschaft. Fast ein Drittel unserer Wirtschaftsleistung entsteht direkt in der Industrie - mehr als in jedem anderen Bereich. Das Gewerbe ist beispielsweise nur für knapp 7% unserer Wirtschaftsleistung verantwortlich, Hotels und Gastronomie für 4% und die Landwirtschaft lediglich für knapp 3%. Der Industrie kommt also eindeutig die Motorfunktion für Wirtschaftswachstum, soziale Sicherheit, Steueraufkommen und Leistungsbilanz zu.

Die Standortentscheidung eines Unternehmens setzt sich stets aus der Abwägung der Vor- und Nachteile zusammen. Nicht ein einzelnes Standortproblem ist daher entscheidend, sondern die Summe aller Faktoren. Moderne Produktionsanlagen leisten aber heute überall in Europa das gleiche - egal ot>sie in Bregenz, Budweis oder Bilbao stehen. Es stehen daher nicht nur die Unternehmen im internationalen Wettbewerb, sondern auch die Standorte.

■ Der Industriestandort Österreich hat für in- und ausländische Unternehmen sicherlich einiges zu bieten. Qualifizierte und fleißige Mitarbeiter, ein gutes soziales Klima mit einem einzigartigen System der Sozialpartnerschaft, Stabilität in Politik und Währung und weltweit eine der geringsten Streikra-

ten. Mit diesen Vorzügen allein wird Österreich aber in Zukunft nicht ausreichend bestehen können. Arbeitskosten, Betriebszeiten oder Umweltschutzvorschriften werden sich wieder stärker an internationalen Standards und nicht am Wunschdenken von Sozial-und Öko-Illusionisten orientieren müssen, wenn es nicht zu einer Flucht der Industrie ins Ausland kommen soll.

Österreich verfügt über qualifizierte und leistungswillige Arbeitskräfte. Dies stellt den Hauptgrund für den wirtschaftlichen Erfolg des Landes dar. Damit das so bleibt, muß sich unser Bildungssystem wieder stärker an die Nachfrage am Arbeitsmarkt anpassen. Das heißt zum Beispiel mehr

Facharbeiter, kürzere Studiendauer und generell mehr wirtschaftliche Inhalte an den Schulen. Ebenso wichtig sind aber auch die Kosten, die ein Unternehmen für seine Mitarbeiter bezahlen muß. Österreichs Beschäftigte verdienen im internationalen Vergleich nur mittelmäßig, die Kosten für die Unternehmen liegen aber im absoluten Spitzenfeld. Der Grund ist, daß wir bei den sogenannten Lohnnebenkosten mit einer Höhe von mehr als 100% Weltmeister sind - die "Neben-Ko-sten" sind also schon höher als der Bruttolohn für den Arbeitnehmer.

Aber auch mit der drittkürzesten Arbeitszeit in Europa, Platz 6 bei den bezahlten Fehlzeiten (Krankheit, Kuraufenthalte, etc.) und Platz 4 bei der bezahlten Freizeit (Urlaub und Feiertage) liegen wir weltweit ganz vorne. Die Frage ist, ob wir uns diesen Luxus auf Dauer leisten können.

Weltmeister sind wir auch bei den Ausgaben für den

Umweltschutz. Dennoch wird immer mehr und immer noch Teureres gefordert. Nach den milliardenteuren Verbesserungen für die heimische Lufrhätte Österreichs Industrie aber nun selbst eine "Öko-Atempause" notwendig, damit ihr nicht die Luft völlig ausgeht.

Nachholbedarf besteht hingegen bei Forschung und Entwicklung. Im Wettbewerb der Industrieländer zählt die Entwicklung neuer Technologien oder neuer Produkte zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren. Die Forschungsintensität eines Landes entscheidet mittel- und langfristig über die weltweite Wettbewerbsfähigkeit.

Internationale Vergleiche zeigen, daß dieser Bereich in Osterreich noch stark unterentwickelt ist. Während wir derzeit etwa 1,5% des Brutto-Inlandsproduktes dafür ausgeben, liegt die vergleichbare Quote in Deutschland, der Schweiz, den USA und Japan bei knapp 3%. Österreich muß daher mittelfristig eine Ver-

doppelung seiner Forschungsaufwendungen anstreben.

Gerade internationale Investoren stellen auch immer die Frage nach der Bürokratie in einem Land. Die Probleme beginnen schon bei der Raumordnung, da neuangesiedelten ebenso wie expandierenden Betrieben entsprechende Flächen zur Verfügung gestellt werden müssen.

Vor allem aber wird der unternehmerische Alltag durch einen Wust an bürokratischen Vorschriften und durch verwaltungstechnische Hürdenläufe beeinträchtigt. Die Folge ist eine immer länger werdende Verfahrensdauer, die Investitionen oft schon im Keim erstickt. Was in anderen Ländern drei Monate dauert, erfordert in Österreich meist schon drei Jahre.

Derzeit sind in Österreichs Volkswirtschaft große Projekte im Genehmigungsverfahren steckengeblieben, die zehntausende Arbeitsplätze sichern könnten. Entscheidungsängstliche Politiker, komplizierte Gesetze und blockierende Bürgerinitiativen verhindern jedoch die Realisierung. Mit Großprojekten beschäftigen sich nicht mehr Unternehmen, sondern hauptsächlich Bürokratie und Bürgerinitiativen.

Die Öffnung an Österreichs Ost- und Nordgrenzen sollte auf die heimische Industrie in Summe positive Auswirkungen haben, da neue Marktchancen eröffnet werden. Gleichzeitig erwachsen aber neue, ernstzunehmende Konkurrenten im internationalen Standortwettbewerb. Investitionen in Osteuropa rentieren sich in Folge der geringen Arbeitskosten , der gestützten Energie- und Transportpreise und der kaum vorhandenen Umweltschutzauflagen in vergleichsweise kurzer Zeit.

Zum Beispiel verlegt Porsche, der größte private Arbeitgeber im Bundesland Salzburg, seine industriellen Aktivitäten teilweise nach Tschechien. Ein "teurer Standort wie Salzburg" sei auf die Dauer nicht wettbewerbsfähig, heißt es bei Porsche.

Der Hauptgrund liegt in den im Vergleich zu Österreich extrem niedrigen Arbeitskosfen. So kann man statt eines Österreichers 12 Ungarn, 21 Tschechen oder 114 Russen zum gleichen Preis beschäftigen.

Einen entscheidenden Faktor in der Standortwahl

stellt der erreichbare Markt dar. Österreich allein ist als Markt gerade für größere Unternehmen oft zu klein. Dies belegen auch die hohen Exportraten der heimischen Wirtschaft. Abhilfe könnte hier der Beitritt zum großen europäischen Binnenmarkt schaffen. Ohne Zweifel wird es durch einen EG-Beitritt zu einem verstärkten Wettbewerb in Österreich kommen. Dem stehen aber auch gewaltige Wettbewerbserleichterungen durch den Wegfall zahlreicher Diskriminierungen gegenüber.

Andererseits wäre ein "Draußenbleiben" aus der EG mit dem Weiterbestand vieler dieser wirtschaftlichen Diskriminierungen verbunden. Während im Binnenmarkt die Grenzformalitäten abgeschafft werden, bleiben sie an der Außengrenze zur EG - und damit auch zu Österreich - aufrecht.

Vor allem aber wäre bei einer Nichtmitgliedschaft Österreichs mit einem Rückgang ausländischer Investitionen in Österreich zu rechnen. Insbesondere amerikanische und japanische, aber auch europäische Unternehmen investieren lieber in einem Land, das bereits zur EG gehört. Denn damit steht ihnen der größte Binnenmarkt der Welt offen.

Zusätzlich wäre bei einem Nichtbeitritt Österreichs mit einer verstärkten Standortverlagerung heimischer Unternehmen in den EG-Raum zu rechnen, was gleichzeitig die Schließung österreichischer Betriebsstätten bedeutet.

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