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Warum einfach, wenn's kompliziert auch geht?

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Finanzminister Androsch macht sich seit neuestem für die Steuerreform stark. Er kündigte die Schaffung einer Steuerreformkommission an, die Vorschläge für eine Vereinfachung unseres Steuersystems ausarbeiten soll. Prompt reagierte die Volkspartei mit der Installierung einer eigenen Reformkommission. Daß man unserem überkomplizierten Steuersystem endlich zu Leibe rücken, dieses einmal „ausholzen“ will, ist begrüßenswert. Wenn sich Regierung und Opposition gleich intensiv mit dem Thema befassen, in einen gesunden Konkurrenzkampf mit - hoffentlich - guten Vorschlägen treten wollen, um so besser.

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Finanzminister Androsch macht sich seit neuestem für die Steuerreform stark. Er kündigte die Schaffung einer Steuerreformkommission an, die Vorschläge für eine Vereinfachung unseres Steuersystems ausarbeiten soll. Prompt reagierte die Volkspartei mit der Installierung einer eigenen Reformkommission. Daß man unserem überkomplizierten Steuersystem endlich zu Leibe rücken, dieses einmal „ausholzen“ will, ist begrüßenswert. Wenn sich Regierung und Opposition gleich intensiv mit dem Thema befassen, in einen gesunden Konkurrenzkampf mit - hoffentlich - guten Vorschlägen treten wollen, um so besser.

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Wenn der Jubel des gelernten Österreichers trotzdem bloß gedämpft ausfällt, so deshalb, weil Kommissionen nur allzuoft bereits zum Begräbnis dritter Klasse für gute Ideen geworden sind. Wird die Steuerreform das gleiche Schicksal erleiden wie die Verwaltungsreform, die auch schon des öfteren mit viel Elan in Angriff genommen worden ist?

Auch die Steuerreform ist keine brandneue Idee. Initiativen hat es bereits in der Vergangenheit genügend gegeben, aber herausgekommen ist immer nur ein noch komplizierteres Steuersystem.

Allerdings, der Steuerwiderstand und die Steuerverdrossenheit wachsen. Dies ist ein internationales Phänomen, das sich teilweise in vernünftigen Initiativen, teilweise aber auch in demagogischen Aktionen manifestiert. Die Palette reicht von der wild um sich schlagenden Antisteuerpartei des Dänen Mogens Glistrup bis zur „Proposition 13“ in Kalifornien, die sich gezielt gegen Exzesse der Grundsteuer richtet.

Dabei ist es nicht bloß die exzessive Höhe der Steuern, welche die Proteste provoziert, sondern vielfach eben auch die Kompliziertheit des Steuersystems, dessen mangelnde Transparenz, dessen Durchlöcherung durch zahlreiche Ausnahmebestimmungen, die mehr Steuergerechtigkeit bringen sollen und in Wirklichkeit nur mehr Ungerechtigkeit produzieren. Gerade dagegen will sich beispielsweise die deutsche Antisteuerpartei wenden, die ins Leben zu rufen sich der Chef der deutschen Steuergewerkschaft, Fredersdorf, gerade jetzt daranmacht

Auch in Österreich rührt sich der Steuerwiderstand, der zwar prinzipiell durchaus legitim ist, in seinen Konkretisierungen - siehe Lkw-Blockade - allerdings problematische Wege einschlägt. Darüber hinaus will sogar Karl Steinhauser mit seiner „Gemeinschaft freier Selbständiger“ den Steuerwiderstand - freilich nicht in Form einer Partei wie in Deutschland - organisieren. Was dabei herauskommt bleibt abzuwarten.

Die Gefahr bei solchen Gruppeninitiativen ist allerdings groß, daß sie ausschließlich Gruppeninteressen vertreten, für sich Sondervorteile herausschlagen wollen, die das Steuersystem nur weiter verkomplizieren, statt es zu vereinfachen. Dies gilt für Unternehmerinitiativen genauso wie für solche der Gewerkschaften.

Und hier sind wir bereits mitten in der Problematik der Steuerreform: Alle stöhnen unter der Kompliziertheit des Steuersystems, alle beschweren sich über dessen Ungerechtigkeit und mangelnde Transparenz, aber reformiert soll immer nur bei den anderen werden. Die eigenen Steuervorteile sind absolut „notwendig“.

Daran haben sich bisher alle Reforminitiativen totgelaufen, und die Befürchtung, es könnte diesmal wieder so sein, ist nicht von der Hand zu weisen. Dazu kommt noch, daß Finanzminister Androsch zwar einen sicheren Instinkt für populäre und aktuelle Tendenzen hat und diese auf sehr quicke Manier aufzugreifen versteht, es aber - bei allem, was nicht das Anzapfen neuer Steuerquellen betrifft -gerne bei verbalen Kraftakten, An-

kündigungseffekten und Alibi-Aktionen beläßt.

Eine echte Steuerreform - und dies erschwert die Sache - kann überhaupt nicht isoliert erfolgen, sondern hat eine durchgreifende Reform der Rahmenbedingungen zur Voraussetzung. Beispielsweise kann sie nicht ohne eine massive Progressionsmilderung, speziell bei den mittleren Einkommen, gelingen.

Nehmen wir das Beispiel der Steuerfreiheit für Uberstundenentgelte: Sie wurde ja nur deswegen eingeführt, weil bereits ein Facharbeitereinkommen so weit in die Progression hineingerutscht ist, daß dann, wenn die Überstundenentgelte kurzerhand dem Lohn zugeschlagen werden, sie häufig zur Gänze weggesteuert werden. In ungünstigen Fällen - also wenn der Betreffende gerade über eine Progressionsstufe stolpert - kann er mit Uber-v stundenentgelten netto womöglich weniger„herausbekonjmen als,ohne sie. Das gleiche gilt für den 13. und 14. Monatsgehalt sowie für diverse steuerfreie oder zu festen Sätzen versteuerte Zulagen.

Nicht anders sieht es bei den Selbständigen aus: Da werden Steuersätze eingeführt, welche bei konsequenter Handhabung den Bankrott der meisten Betriebe nach sich ziehen würden. Also werden unzählige Freibeträge konzediert die sie unter gewissen immer komplizierteren Umständen in Anspruch nehmen dürfen und so ihre Existenz sichern können.

Dies aber hat zur Folge, daß das Steuersystem - gemessen an den exorbitanten Steuersätzen - relativ wenig effektiv ist, daß es weniger ein-

bringt als zu erwarten wäre. Gleichzeitig entsteht eine sehr heterogene Gruppe von Unterprivilegierten, welche keine oder fast keine Freibeträge nützen können und welche daher die massive Wucht des Tarifs trifft. Aber je größer die Zahl der Ausnahmen ist, desto schärfer muß die Progression sein, um Steuerresultate zu erzielen - was neue Ausnahmen nach sich zieht

Eine Radikalkur bei den Freibeträgen - darin ist Androsch beizupflichten - ist die Voraussetzung für die Entschärfung der Progression. Aber es

wird sich als Illusion erweisen, wenn er glaubt, damit auszukommen. Eine zusätzliche Reduktion der Progression, um die Ausnahmebestimmungen wirklich überflüssig zu machen, wird sich nicht vermeiden lassen.

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