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Warum es heuer kühl ist

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Seit einigen Jahren sagen viele Klimaforscher eine ständige Erwärmung der Erdoberfläche durch die Zunahme des Kohlendioxidgehalts der Atmosphäre voraus. Dieser Effekt wird jedoch in Frage gestellt und vielleicht mehr als aufgewogen durch eine Abkühlung der Erdoberfläche, die durch Vulkanausbrüche bewirkt wird: Diese schleudern Schwefelverbindungen in die Atmosphäre, die sich dort in Schwefelsäure umwandeln und dann als Wolken aus Schwefelsäuretröpfchen, also in der physikalischen Form eines Aerosols, die Erde umkreisen. Diese Aerosole spiegeln einen Teil der Sonnenstrahlung zurück und verringern so die Temperaturen auf der Erdoberfläche.

Dieser Effekt ist im Prinzip lange bekannt (vgl. FURCHE 3/83), doch seine Größenordnung blieb ebenso unklar, wie es die Einzelvorgänge noch sind, aus denen man die Klimawirksamkeit eines Vulkanausbruchs berechnen kann. So war es für Klimatologen und Vulkanologen geradezu ein

Glücksfall, daß am 28. März 1982 der lange Zeit ruhende Vulkan El Chichon in Mexiko plötzlich ausbrach, der erhebliche Mengen Schwefelverbindungen mit enormer Energie fast 30 Kilometer hoch in die Stratosphäre schleuderte.

Die Eruption wurde am gleichen Tag durch Satelliten entdeckt, die Ausbreitung der Eruptionswolke von Anfang an weltweit verfolgt. El Chichon hat nach Berechnungen des amerikanischen National-Laboratoriums in Los Alamos etwa sechs Millionen Tonnen Schwefelsäure freigesetzt — eine erstaunliche Menge angesichts der Tatsache, daß das gesamte Auswurf volumen nur etwa 0,3 Kubikkilometer betrug und der Ausbruch selbst nur ein verhältnismäßig kleines vulkanisches Ereignis war. Eine Erklärung für den sehr großen Schwefelgas-Ausstoß könnte darin liegen, daß der Vulkan während des Magmaaufstiegs schwefelhaltige Ablagerungsgesteine mit aufgeschmolzen hat.

Wie groß die Klimawirksamkeit dieses Ausbruchs anzusetzen ist, ist noch umstritten. Daß sie nicht gering ist, ermittelte ein US-Satellit, der unter anderem die Temperatur der Ozeanoberfläche mißt: Dort, wo die Aerosol-Wolken aus dem El Chichon schwebten, wurde laufend die Temperatur um mehrere Grade zu niedrig gemessen, weil das Aerosol die Wärmestrahlung gegenüber dem Satelliten abschirmt.

Modellrechnungen von Wissenschaftern des amerikanischen Goddard-Laboratoriums für Atmosphären-Wissenschaften, die nicht nur die Dichte des Schwefelsäure-Aerosols, sondern auch die Größe der Tröpfchen und die große Höhe der Wolken (diese steigert die Wirkung) in Betracht ziehen, führten zu dem Ergebnis, daß die mittlere Jahrestemperatur mehrere Jahre lang um 0,3 bis 0,5 Grad Celsius auf der Nordhalbkugel sinken wird. Der Höhepunkt des Effekts wird zwei bis drei Jahre nach der Eruption, also für heuer, erwartet.

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