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Warum kein Gesamtfinanzplan?

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Wenn der Anteil des Sozialproduktes, der durch die öffentlichen Kassen fließt, eine Quote erreicht hat, die schlechthin bestimmend für eine Volkswirtschaft geworden ist, so sind der Staat und seine Verbände zur aktiven Konjunkturpolitik und zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums aufgerufen und verpflichtet. Darüber hinaus geht es heute neben der Sicherung des wirtschaftlichen Wohlstandes in quantitativer Hinsicht immer stärker um Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität. Nicht zuletzt deshalb leisten auch die Länder und Gemeinden auf Grund der letzten Besprechungen mit dem Bund einen Beitrag zur Preisstabilisierung.

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Wenn der Anteil des Sozialproduktes, der durch die öffentlichen Kassen fließt, eine Quote erreicht hat, die schlechthin bestimmend für eine Volkswirtschaft geworden ist, so sind der Staat und seine Verbände zur aktiven Konjunkturpolitik und zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums aufgerufen und verpflichtet. Darüber hinaus geht es heute neben der Sicherung des wirtschaftlichen Wohlstandes in quantitativer Hinsicht immer stärker um Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität. Nicht zuletzt deshalb leisten auch die Länder und Gemeinden auf Grund der letzten Besprechungen mit dem Bund einen Beitrag zur Preisstabilisierung.

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Die Verbindung wirtschaftspolitischer Notwendigkeiten mit weitestgehenden Möglichkeiten von Dezentralisation und Demokratisierung scheint in erster Linie ein Koordinierungsproblem zu sein. In föderativen Staaten sind gemeinsame Planung und kooperatives Vorgehen nötig zur taktischen Beeinflussung der Wirtschaft, zur Erreichung einer gesteigerten Rationalität in der öffentlichen Finanzwirtschaft, zur Erzielung besserer Wachstumsbedingungen, schließlich aber auch zur Bewältigung von Einzelaufgaben von umfassender Bedeutung (zum Beispiel Forschung) und überhaupt zur Gestaltung des Lebensraumes im Sinne erwünschter gesellschaftlicher, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Leitlinien (Raumordnung).

In der Wachstumspolitik geht es darum, aktive Strukturpolitik zu betreibe. Der Zurverfügungstellung eines ausreichenden Infrastrukturangebotes kommt besondere Bedeutung zu. Gerade diese Aufgabe fällt in Österreich überwiegend den Gemeinden zu. Daß dezentrale Planung nicht immer optimale Ergebnisse bringen kann, zeigt folgender Zusammenhang.

Bekannt ist, daß vorhandene Zentren weitere Ballungen verursachen (Agglomerationsvorteüe). Für die Randgebiete bedeutet dies eine Per-petuierung des Entwicklungsgefälles. Doch damit hat die Sache noch

kein Ende. In den Ballungsräumen wird die Kostenfrage der Aufgabenbesorgung durch die Kompliziertheit und die damit verbundene übermäßige Bindung von Ressourcen zunehmend von Bedeutung (Verlangsamung des wirtschaftlichen Wachstums).

Außer diesen kommerziellen Agglomerationsnachteilen ist der Anfall von sozialen Kosten (Verunreinigung von Luft, Wasser; Lärm, Verkehrsüberfüllung usw.) in Rechnung zu stellen, die von der Gemeinschaft getragen werden müssen und in solchen Räumen überproportional wachsen.

Koordinierung der Gebietskörperschaften?

Wachstums-(raumordnungs-)poli-tische Maßnahmen werden zentral koordiniert und überregional geplant werden müssen.1 Grundsätzlich bedeutet jedoch überregionale Planung keineswegs einen Widerspruch zu dezentraler Besorgung. (Günstiges Verhältnis von Kosten und Wirksamkeit, Beziehung zwischen Dezentralisierung und Demokratisierung).

Auch in der Konjunkturpolitik bedarf es einer Koordinierung um das Verhalten der einzelnen Gebietskörperschaften hinsichtlich ihrer Einnahmen- und Ausgabengestaltung und Haushaltsplanung aufeinander abzustimmen. Die vom Gesamtstaat anzustrebende antizyklische Politik

kann durch Parallelmaßnahmen der unteren Gebietsverbände zum Konjunkturverlauf zunichte gemacht werden. Gerade auf Gemeindeebene — ihr Investitionsanteil an den gesamten öffentlichen Investitionen beträgt zirka 54 Prozent — wo der Spielraum der Einnahmengestaltung relativ gering ist, umgekehrt jedoch ein permanenter Druck zur Schaffung infrastruktureller Einrichtungen besteht, ist ein prozyklisches Verhalten ohne längerfristige Koordinierte Planung unter Festlegung von Prioritäten der Aufgabenbesorgung eine eigentlich nicht zu umgehende Tatsache. Das gesamte finanz-

politische Instrumentarium leidet unter dem Druck von Sachzwängen. Diese kalkulierbar zu machen, ist unter anderem Aufgabe einer mittel-bis längerfristigen Finanzplanung unter Einbeziehung aller Gebietskörperschaften.

Es zeigt sich, daß eine wirksame Einflußnahme auf das wirtschaftliche Geschehen nur dann möglich ist, wenn nicht verschiedene Entschei-dungsträger autonom anordnen. Gerade in der Konjunkturpolitik spielt aber auch der zeitliche Faktor, insbesondere das Verzögerungselement eine besondere Rolle. Schon aus Gründen der Raschheit wird es zweckmäßig sein, jeweils der Exekutive entsprechende gesetzliche Ermächtigungen zum Einsatz des stabilitätspolitischen Instrumentariums einzuräumen. Auch betreffend die mittel- bis längerfristige Planung der jeweiligen öffentlichen Finanzen wird die Planungshoheit der Regierung zuzukommen haben.

Während schon die Haushaltssouveränität der Gesetzgebung und offenbar notwendige weitergehende Ermächtigungen für die Regierung, betreffend Instrumeruteneinsatz und Planungsaktivität Spannungsver-hpltnisse erzeugt, die nur durch eine laufende Verantwortung und Begründung der Maßnahmen vor der gesetzgebenden Körperschaften aufgelöst werden könnten, ergeben sich scheinbar unüberwindliche Schwierigkeiten aus der Einbindung von Ländern und Gemeinden in eine Gesamtfinanzplanung. Es bleibt zu befürchten, daß auf Grund der verfassungsrechtlich festgelegten Finanzhoheit der unteren Gebietsverbände, diese sich auch nach Mitarbeit an derartigen Plänen nicht uneingeschränkt binden lassen werden. Es wäre schon als Fortschritt zu werten, könnten sich die Gebietskörperschaften auf die Zugrundelegung einheitlicher Basisdaten der von ihnen aufzustellenden Finainzpläne einigen. Im weiteren müßten sie sich hinsichtlich der Investitionsvorhaben und der Inanspruchnahme des Kapitalmarktes koordinieren. Als beratendes Gremium könnte ein Konjunktur- und Finanzplanungsbeirat, ähnlich wie in der Bundesrepublik, eingesetzt werden.

Zur Erleichterung notwendiger Abstimmungen der Gebietskörper-

schaffen untereinander, müßten von Bund und Ländern für die jeweils untergeordneten Gebietsverbände unterstützende Maßnahmen zu stabilitätsgerechtem Verhalten (Matzner) vorgesehen werden. In Zeiten der Rezession wären in diesem Sinn Finanzzuschüsse an die unteren Gebietskörperschaften zu gewähren. Auch zur Steuerung der Infrastrukturausstattung sind Finanz-(Bedarfs) Zuweisungen und Zuschüsse zu verwenden. Das im Finanzausgleichsgesetz verankerte Finanzzuweisungsund Zuschußwesen wäre zur Verfeinerung des stabilitätspolitischen Instrumentariums auszubauen. Auch eine Verbreiterung der Basis für Fremdfinanzierungen durch die Übernahme von Bürgschaften, Haftungen und sonstigen Garantien gehört hierher.

Als Maßnahmen zur Dämpfung eignen sich die Limitierung der Kreditaufaufnahme, die Bindung beziehungsweise Kürzung von Zuschüssen und Finanzzuweisungen, Prämiierungen der Ersparnisbildungen durch erhöhte Zinssätze, und zwischen Ländern und Gemeinden eine Streuung der Bedarfszuweisungen und eine entsprechende Handhabung der aufsicbtiberhördlichen Genehmigung. .

Wenn realistiscberweise davon ausgegangen werden muß, daß die Daten eines Gesamtflnanzplanes vorerst nur Empfehlungen darstellen werden, stellen diese Instrumente Hilfen dar, diese Empfehlungen eher durchzusetzen. Erst unter Berücksichtigung des Zeitfaktors und unter dem Druck einer weiteren Ressourcenverknappung des öffentlichen Sektors werden Finanzpläne schrittweise auf die Stufe der Verbindlichkeit emporgehoben werden können.

Auf eine spezielle Komponente der längerfristigen Planung sei noch verwiesen. Der Finanzausgleich, der die Verteilung der öffentlichen Steuermittel auf die einzelnen Gebietskörperschaften regelt, bedingt geradezu eine längerfristige Betrachtung. Die Verteilung der Finanzmassen kann doch nur dann befriedigend gelöst werden, wenn- von kurzfristigen.. Überlegungen, abgegangen wird, man sich von momentanen Haushaltsproblemen befreit und den Blick für längere Betrachtungen der Aufgabenentwicklung unter Einbeziehung der Dringlichkeit frei macht. Wie sollte etwa die Aufteilung der gemeinschaftlichen Bundesabgaben über eine längere Periode wirklich brauchbar sein, wenn nicht durch entsprechende Planung die Aufgaben- und Einnahmenentwicklung kalkulierbar wird?

Über den Gesamtflnanzplan hinaus wird es schließlich darum gehen, eine wirtschaftsstrategische Verwendung desselben erreichen zu können. Eine optimale Ausschöpfung der Ressourcen einer Volkswirtschaft unter Einbeziehung konjunkturpolitischer Alternativen wird nur über diesen Weg gelingen. Als Instrument der Wirtschaftspolitik in diesem Sinne bietet sich eine längerfristige Planung an, die die maßgeblichen Abhängigkeitsbeziehungen zwischen der Staats- und Privatwirtschaft transparent macht (wirtschaftsstrategische Planung). Das ist noch Zukunftsmusik — weder realistische Modelle noch ausreichende statistische Fülldaten stehen zur Verfügung. Vorläufig müßte man sich wehl mangels entsprechender Pro-gnosetechnik und ökonometrischer Erfahrungen auf die Betrachtung von globalen Größen zurückziehen, die die Wirkung des öffentlichen Sektors auf den Marktmechanismus und zwischen diesen wenigstens in etwa darzustellen vermögen.

Soll der Föderalismus gute Chancen haben, sich zu verbreitern und zu vertiefen, wird ein starres Festhalten an Kompetenzen, Aufgaben und mißverstandenen Hoheiten zugunsten einer flexiblen Haltung im Sinne bereitwilliger Koordination und kooperativem Vorgehen, speziell in Fragen der Wirtschaftspolitik, weichen müssen. Dabei bedeutet Koordinierung keineswegs eine Aushöhlung des Föderalismus. Ganz im Gegenteil wird darin die Chance lie- ■ gen, der (mangels Kooperation auch ökonomisch-rational begründeten) Anziehungskraft des Gesamtstaates entgegenzuwirken. Mehr noch: eine Erweiterung des Tätigkeitsspielraumes wird dadurch möglich und sinnvoll.

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