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Warum nach ‘45 Dollars rollten

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In einem Vorwort zu einer Publikation anläßlich des 35jähri-gen Jubiläums der Verabschiedung des Marshall-Plans im vergangenen Jahr schrieb Bundeskanzler Bruno Kreisky, daß die Marshallplanhilfe ohne jegliche politische Bedingungen oder Vorleistungen gewährt worden sei; und wefin ein Land das generöse Angebot abgelehnt habe, so sei das nicht an Vorurteilen der Amerikaner gelegen.

Dem widerspricht die Autorin des vorliegenden Buches auf der ganzen Linie. Sie vertritt die The-

se, daß die Entwicklung und Zielsetzung der amerikanischen Auslandshilfe nur im Rahmen der amerikanischen Außenpolitik beziehungsweise Außenwirtschaftspolitik verständlich sei. Im Sinne der „revisionistischen" Historikerschule schält sie die ihrer Meinung nach wesentlichsten Punkte der US-Wirtschaftshilfe heraus:

• Förderungderamerikanischen Exporte durch Sicherung der Absatzmärkte in Europa;

• Sicherung der Rohstoffquellen, vor allem in den ehemaligen englischen Kolonien;

• Abwehr des kommunistischen Einflusses auf und in Westeuropa.

Der Marshallplan war eine Fortsetzung der bereits unter dem Krieg angelaufenen US-Wirtschaftshilfe, unterschied sich aber, so die Verfasserin, in einigen wesentlichen Punkten davon:

• mehr Schenkungen, weniger Kredite;

• Zusammenschluß der Empfängerländer in einer Organisation;

• Förderung privater US-Auslandsinvestitionen;

• Einsatz als strategisches Mittel im Kampf gegen den Kommunismus;

• Einfluß auf die nationale Politik der Empfängerländer (Marshall-Zitat: „ERP-Benefizien werden für jedes Land, das die Kommunisten an die Macht wählt, sofort beendet").

• Einbeziehung Westdeutschlands.

Durch Statistiken und gut recherchierte Zitate eindrucksvoll belegt, unternimmt die Autorin eine Entmystifizierung der Marshallhilfe, die meist als selbstloses Geschenk der USA an die hilflosen Europäer betrachtet wird.

Demnach hatte die US-Auslandshilfe in den Jahren 1945 -1947 ein Drittel der US-Exporte finanziert. Die Importfähigkeit der Europäer war jedoch im Abnehmen, so daß auch die US-Exporte eine sinkende Tendenz aufwiesen. Also gewährte man den Europäern Kreditgeschenke, mit denen sie US-Warenlieferungen bezahlten.

Man machte zwar auch den Ostblockländern das Angebot, am Marshallplan zu partizipieren, allerdings verzichteten diese nach anfänglichem Interesse darauf, weil die damit verbundenen politischen Auflagen unerfüllbar waren (von den bürgerlichen Parteien in der CSSR verlangte man etwa die Entfernung der Kommunisten aus der Regierung).

Die Autorin geht nicht soweit, den USA die Schuld für die Teilung Europas in die Schuhe zu schieben, allerdings liest man das zwischen den Zeilen, wenn sie meint, daß die Miteinbeziehung der Westzone Deutschlands in das ERP-Programm eine Investition der USA war, die sich (politisch) rentiert hatte.

Es ist unbestreitbar, daß sich die Amerikaner bei der Konzeption ihrer Auslandshilfe nicht primär von selbstlosen, humanitären Überlegungen haben leiten lassen. Es ist aber auch unbestreitbar, daß sie den Europäern Kredite in Höhe von fast 20 Milliarden US-Dollar geschenkt haben. Für die Europäer war diese Hilfe unabdingbar.

Österreich allein erhielt im Zeitraum 1948 - 1955 Güter- und Hilfslieferungen im Wert von fast einer Milliarde Dollar und profitiert heute noch von dem durch „Counterpart-Mittel" eingerichteten ERP-Fonds. Dieser positive Aspekt ist jedenfalls ein wesentlicher bei der Beurteilung des Marshallplanes.

Die Autorin hat allerdings recht, daß die Amerikaner bei der Durchsetzung ihrer Vorstellungen über die politische Entwicklung Europas nicht zimperlich waren. Ihr manichäisches Weltbild — hie das gute Amerika, dort das böße Rußland - und die daraus resultierende Kompromißlo-sigkeit gegenüber dem Osten zeitigte sehr kontraproduktive Wirkungen.

DOLLARDIPLOMATIE IN EUROPA. Marshallplan. Kalter Krieg und US-Außenwirtschaftspolitik. 194S-S2. Von Ute Danie Droste Verlag, Düsseldorf 1982. 215 Seiten, Pbck., öS 364.80.

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