7052645-1991_07_02.jpg
Digital In Arbeit

Warum neutral?

Werbung
Werbung
Werbung

Gerät Österreich mit seiner immerwährenden Neutralität ins Schleudern? Fast sieht es so aus, seit westliche Großmächte uns gewissermaßen immer neu testen.

Zuerst ging es um die Überflugsgenehmigung für Flugzeuge der\USA. Sie wurde unter Hinweis auf ihre angebliche Waffenlosigkeit erteilt. Dann waren amerikanische Bergepanzer an der Reihe. Wieder sagte die Regierung ja: weil es sich um „Defensivwaffen” handle. Schließlich kam die britische Forderung nach Genehmigung von Flügen mit Minen, Raketen und Munition. Jetzt wurde es brenzlich. Wieso hätte der Ministerrat neuerlich weitgehend zugestimmt?

Die Antwort ist einfach: weil die Ausrüstung keine Rolle spielt, solange es sich um Aktionen innerhalb des Mandats, des UN-Sicherheitsrates handelt. Hätte unsere Regierung das vom ersten Tag an klargemacht, wären Mißverständnisse ausgeblieben. Die früheren V er niedlichungsv ersuche („keine Waffen”, „Defensivwaffen”) machten sie unausbleiblich.

Warum dieses Herumgerede? Verbirgt sich ein schlechtes Gewissen dahinter?

Mit der Änderung des Kriegsmaterialiengesetzes in dem Sinn, daß Waffentransporte für UN-autorisierte Einsätze erlaubt sein sollen, wurde die österreichische Gesetzgebung der neuen Lage angepaßt.

„Neue Lage ” bedeutet: Seit erstmals das System der kollektiven Sicherheit via UNO funktioniert, kann es bei solchen Maßnahmen keine Neutralität mehr geben. Ich kann nicht unter Berufung auf Neutralität einem Polizisten, der einem Einbrecher nachläuft, das Überschreiten meines Grundstücks verbieten.

Wahr ist freilich auch, daß hier die Praxis der Staatengemeinschaft der Kodifizienng des Völkerrechts und damit auch des Neutralitätsrechts vorauseilt. Wohl vertreten namhafte Völkerrechtler bereits diese Auffassung, aber offizielle Lehrbuchdoktrin und Verfassungsartikel ist sie noch nicht geworden. Das mag die gewissen Unsicherheiten regierungsamtlicher Formulierungsversuche erklären.

Im übrigen sollten wir nicht vergessen: Die Neutralität ist nicht Ziel, sondern Mittel zum Ziel, Werkzeug im Dienst der Staatssicherheit. Solange diese Zielsetzung nicht durch ein wirklich funktionstüchtiges Systemder kollektiven Sicherheit gewährleistet erscheint, muß Österreich seine Neutralität wahren.

Ist das Ziel aber erreicht, wird es nicht, wie jüngst ein Kommentator anmerkte, kritisch, sondern einfach: Dann braucht kein Staat mehr eine Neutralität.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung