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Warum nicht gemeinsam?

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Nie waren die Kulturkontakte zwischen Österreich und der DDR so effizient wie jetzt. Vor allem das Staatsopern-Gastspiel mit Richard Strauss' „Ariadne auf Naxos” in der neueröffneten Semper-Oper in Dresden war ein voller Erfolg. Peter Schreier und Theo Adam, die Paradesänger des „anderen Deutschland”, sind hingegen so häufig bei uns zu Gast, daß man fast vergißt, wo ihr Stammhaus steht. Auch die Ausstellung „Barock und Klassik — Kulturzentren im 18. Jahrhundert”, 1984 in der Schallaburg gezeigt, dokumentierte nachdrücklieh die Fäden, die von der Donau an Spree und Elbe wieder zurück führen.

Kulturabkommen hat Österreich mit zwanzig Ländern, namentlich mit solchen ohne freien Währungsaustausch. Dazu gehören unsere östlichen Nachbarn, mit denen—so die offizielle Lesart — „die österreichische Bundesregierung ihre Beziehungen auf den Gebieten des Erziehungswesens, der Wissenschaft und der Kultur weiter entwickeln und im gegenseitigen Verständnis vertiefen will”.

Umgesetzt in die Praxis heißt das, daß eine sogenannte Gemischte Kommission, zusammengesetzt aus Vertretern der Außen-sowie der Wissenschafts- und Unterrichtsministerien (je nach Partnerstaat eventuell auch eines Kulturministeriums und Sportsekretariats), für die Dauer von drei Jahren aushandelt, wie und in welcher Form ein devisenfreier Austausch von Kulturbeziehungen stattfinden kann.

Das älteste staatlich gelenkte Kulturabkommen zwischen einem sozialistischen Land und Österreich besteht mit der Sowjetunion. Es ist seit 1969 in Kraft. Mit Jugoslawien, wo Österreich in Agram auch ein Kulturinsititut besitzt, gibt es seit 1973 ein Kulturabkommen, das allerdings derzeit mehr oder minder eingefroren ist, weil sich die Partner hinsichtlich der Minderheitenfragen nicht einig sind. Mit Polen, wo ebenfalls ein Kulturinstitut österreichisches Kulturgut verbreitet, ist das Kulturabkommen seit demselben Jahr in Kraft. Mit Rumänien läuft seit 1973 ein sehr reduziertes Kulturabkommen, mit Bulgarien seit 1974 und mit Ungarn seit 1977 (ein österreichisches Kulturinstitut ist in Budapest etabliert, dafür gibt es ein ungarisches in Wien). Die CSSR ist seit 1978 und die DDR seit 1979 durch ein Kulturabkommen mit Österreich verbunden.

Allen Kulturabkommen gemeinsam ist die Reglementierung über den gegenseitigen Austausch von Ausstellungen, von Gastspielen einzelner Künstler und En-

„Am besten funktionieren die Kulturkontakte mit Ungarn und Ostberlin.” sembles, von Denkmalpflegern und Wissenschaftern, Universitätsprofessoren, Lehrern und Stipendiaten mit dem Ziel einer Zusammenarbeit an Instituten, bei Symposien oder Sportveranstaltungen. Auch die Einberufung von Schulbuchkommissionen, die eine sachlich objektive Darstellung der Lehrinhalte überprüfen, gehört zu den Verpflichtungen.

Einheitlich gilt ferner, daß der entsendende Staat für die Reisekosten der Personen oder des Ausstellungsmaterials und der Empfängerstaat für deren Unterbringung beziehungsweise für Versicherung und Werbung aufzukommen hat.

Am besten funktionieren die Kulturkontakte mit Ungarn und Ostberlin. Die elitärste Visitenkarte hat Österreich neben dem bereits genannten Gastspiel der Wiener Staatsoper unter Heinrich Hollreiser mit der nach Berlin entsandten Schau „Wiener Porzellan 1718 bis 1814” abgegeben, während die Magyaren mit der Ausstellung „Mathias Corvinus und die Renaissance in Ungarn 1485 bis 1541” auf der Schallaburg den stärksten Eindruck hinterlassen haben.

Viele, vielleicht die wichtigsten Kulturkontakte finden aber außerhalb der offiziellen Abkommen statt. Bundesländer haben rege Verbindung mit ungarischen Komitaten, Museen, Hochschulen, Sachverbände entwickeln gemeinsame Programme. Spontan entstanden sind zahlreiche internationale Gesellschaften der Donauländer wie die Lenau-Gesell-schaft (Germanisten), Ethnographie Pannonica (Völkerkundler),

„Es dürfte wohl nicht schwer sein, alle Österreicher mit einschlägigen Kenntnissen an einem Tisch zu versammeln.”

Limes-Kommission (Archäologen), Mogersdorf er Historikergespräche und mehrere andere. Sehr aktiv sind auch die gemischten Komissionen der Akademie der Wissenschaften. Auch hier tun die Germanisten besonders viel.

Erstaunlich, daß auf österreichischer Seite bisher niemand auf die Idee gekommen ist, all die Organisationen und Einzelpersonen, die den mitteleuropäischen Gedankenaustausch vorantreiben, zu einer Konferenz zusammenrufen. Es dürfte wohl nicht schwer sein, alle Österreicher mit einschlägigen Kenntnissen an einem Tisch zu versammeln. Die verdienstvolle Mitteleuropa-Zeitschrift „Pannonia” tut ihr Bestes, aber die Möglichkeiten einer Vierteljahresschrift sind doch einigermaßen beschränkt.

Wenn wir die Tätigkeit der verschiedenen — auf der Seite der Nachbarn meistens unter staatlicher Kontrolle stehenden — Freundschaftsgesellschaften und die Kontakte der nationalen Minderheiten dazurechnen, ergibt sich ein eindrucksvolles Gesamtbild. Ein enges Netz von geistigen Kontakten auf vielen Gebieten verbindet offizielle Stellen, wissenschaftliche Kreise und einzelne Intellektuelle.

In dieser letzten Hinsicht zeigt das formlose System allerdings auch seine Schwäche. Denn Kultur entsteht aus der schöpferischen Arbeit einzelner, und diese haben nicht genügend Möglichkeit, sich frei zu bewegen. Im Osten fehlt es oft an Ausreisebewilligungen, bei uns an Zeit und auf beiden Seiten an Geld. Einige großzügige Stipendien könnten in diesem Punkt mehr bewirken als viele Abkommen.

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