6988775-1986_37_09.jpg
Digital In Arbeit

Warum nicht Osterreich ?

19451960198020002020

Auch unser Land wird über kurz oder lang von der neuen US-Abgabenordnung betroffen sein. Sind vergleichbare Maßnahmen bei uns denkbar und auch durchführbar?

19451960198020002020

Auch unser Land wird über kurz oder lang von der neuen US-Abgabenordnung betroffen sein. Sind vergleichbare Maßnahmen bei uns denkbar und auch durchführbar?

Werbung
Werbung
Werbung

Die Nachricht von der geplanten Änderung des amerikanischen Steuersystems hat, abgesehen von einigen Berichten in den Medien - so auch Beiträgen in der FURCHE -, bisher nur wenig Echo in Österreich ausgelöst.

Regierung und Parlamentsparteien sind mit anderen Themen, wie der Sanierung von Staatsbetrieben auf dem Rücken der Steuerzahler, beschäftigt. Aber auch die zuständigen Institutionen, wie Kammern und Gewerkschaften, haben das Thema nicht aufgegriffen und bleiben nach alter Tradition in abwartend neutraler Stellung. Amerika ist weit...

Diese scheinbare Interesselosigkeit kann sich eines Tages als schwerwiegendes Versäumnis herausstellen. Mit der geplanten Reform will US-Präsident Ronald Reagan vor allem die Konjunktur in seinem Lande beleben und die Wettbewerbsfähigkeit amerikanischer Produkte in aller Welt beeinflussen. Grund genug, daß die anderen Industriestaaten diese Entwicklung genau beobachten; eine Entwicklung, von der über kurz oder lang auch Österreich betroffen sein wird.

Die Notwendigkeit einer umfassenden Steuerreform hat Österreichs Bundeskanzler schon am 31. Mai 1983 in der Regierungserklärung vor dem Nationalrat bestätigt:

„Schließlich bin ich der Meinung, daß unser Steuersystem in vielen Bereichen unüberschaubar ' und selbst für Fachleute außerordentlich schwierig zu handhaben ist. Die Bundesregierung beabsichtigt daher, sehr rasch Vorschläge für eine Steuerreform vorzulegen. Diese Reform wird der Zielsetzung eines sozial gerechten, einfachen und leistungs-fördernden Steuersystems verpflichtet sein. Dabei sollen auch sachlich nicht mehr gerechtfertigte Ausnahmebestimmungen beseitigt werden.“

Obwohl die Gesetzgebungsperiode in sechs Monaten zu Ende geht, liegt der Vorschlag zur angekündigten Reform noch nicht vor. Mit der Formulierung, daß nur „nicht mehr gerechtfertigte Ausnahmebestimmungen beseitigt werden ^sollen“, hat der Regierungschef seiner Absicht ein offenbar unüberwindliches Hindernis entgegengestellt.

Welche Partei oder wer ist bereit zuzugeben, daß eine seinerzeit erkämpfte Ausnahmebestimmung nicht mehr gerechtfertigt ist?

Demgegenüber überraschte der US-Präsident die ganze Welt mit der Ankündigung, daß er alle Ausnahmebestimmungen mit einem Schnitt beseitigen wird; dafür können die Steuersätze nahezu halbiert werden. Reagan überwindet damit ein psychologisches Hindernis, das im mindestens gleich starken Ausmaß auch in Österreich besteht.

Obwohl nur rund 5.000 Steuerzahler vom Spitzensteuersatz mit 62 Prozent betroffen ^sind, hat eine Untersuchung der ftationalbank ergeben, daß 87 Prozent der Steuerzahler glauben, von der Progression aufgefressen zu werden; nur zwei Prozent wissen aber, was die Progression eigentlich ist.

Mit einem Bruttojahresver-dienst von 300.000 Schilling, das sind bei 14 Monatsbezügen 21.428 Schilling, erreicht der Steuerzahler bereits einen Steuer- ■ • . • • ■ satz von 51 Prozent und verliert damit jedes Interes-sej mehr zu verdienen.

Davon sind bereits 290.000 Personen betroffen, die vorwiegend zu den sogenannten „Auf steigern“ zählen. Kein Wunder, daß damit die Steuerverdrossenheit hierzulande ein enormes Ausmaß erreicht hat.

Der Gedanke einer ähnlich umfassenden Steuerreform wie in den USA müßte auch in Österreich aufgegriffen werden. Denn die Probleme sind durchaus vergleichbar: von der Steuerverdrossenheit bis zur Undurchschaubarkeit; von den Ausnahmeregelungen bis zur Grauwirtschaft. Denn wer verdient nicht lieber um 100 Schilling mehr, wenn ihm davon nach Abzug der Steuer 72 Schilling bleiben, statt wie derzeit nur 49 Schilling?

Trotz der hohen Steuersätze fließen bei einer Bruttolohnsumme (inklusive Arbeitgeberbeitrag) von mehr als 700 Milliarden nur knappe 100 Milliarden, das sind etwa 14 Prozent, in die Kassen des Finanzministers.

Das ist nicht zuletzt auf die zahlreichen Ausnahmebestimmungen zurückzuführen, wodurch dem Finanzminister mindestens ebensoviel entgeht, wie die Steuer selbst bringt. Heuer erwartet Ferdinand Lacina bei Lohnabschlüssen mit durchschnittlich fünf Prozent Steigerung eine Einnahmenerhöhung bei der Lohnsteuer von 8,9 Prozent!

Zweifellos gibt es in Österreich besondere Probleme, wie zum Beispiel den Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, welche nach verschiedenen Prozentsätzen und unterschiedlich komplizierten Systemen die Steuer untereinander aufteilen. Die US-Steuerreform betrifft nur die Bundessteuern.

Dennoch sollte man auch hierzulande sich nicht auf die Zuschauerrolle bei der amerikanischen Reform beschränken, sondern rechtzeitig umdenken und den Widerstand der zahllosen Lobbies brechen, welche vielfach ihre Existenzberechtigung nur in der Verteidigung und Forderung von steuerlichen Ausnahmen sehen.

Für Reformen nach dem Muster USA braucht man nicht nur Ideen, sondern auch Mut Bedenke man nur den Mut der amerikanischen Parteien, wo sich Opposition und Regierung im Interesse der Steuerzahler an den Verhandlungstisch setzten und dem Präsidenten einen gemeinsamen Vorschlag übermittelten. In Österreich pflegt man eher die Tradition, Vorschläge, die von der anderen politischen Seite kommen, vorerst einmal grundsätzlich abzulehnen.

Für die in der Regierungserklärung 1983 angekündigte Reform ist die Uhr zweifellos abgelaufen. Eine echte Reform muß am Beginn einer Legislaturperiode in Kraft treten, damit der Steuerzahler bis zur nächsten Wahl Erfahrungen sammeln und sich damit ein Bild über die persönlichen Auswirkungen machen kann. Das ist zugleich Sicherheitsventil für den Steuerzahler, aber auch Ansporn für Parteien und Verwaltung.

Es wäre aber falsch, so lange zu warten, bis uns die USA und andere Staaten in Zugzwang bringen und unter Zeitdruck setzen.

Der Autor war von 1977 bis 1983 Volksanwalt und ist Präsident des „Vereines österreichischer Steuerzahler“.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung