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Warum noch Ordenskrankenanstalten?

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„Es steht 1: 0 für die Ordenskrankenanstalten”. Bundeskanzler Julius Raab hatte nicht übertrieben, als er an einem Sommermorgen des Jahres 1955 im Koalitionsausschuß mit diesen Worten den Beratungspunkt „ASVG-Entwurf und Ordenskrankenanstalten” abschloß:

Damit wurde die öffentliche Aufgabe der Ordenskrankenanstalten anerkannt, außerdem wurden ihnen grundsätzlich Betriebszuschüsse gesetzlich zugesprochen und für gemeinnützige nichtöffentliche Anstalten Bundeszuschüsse zugesichert. Besonders wichtig war die damals versprochene und auch realisierte Gesetzesbestimmung, daß sowohl die amtlich festgesetzten Pflegegebühren als auch die Pflegegebührensätze der Sozialversicherungsträger an Ordens- krankenanstalten nicht niedriger sein dürfen als jene für vergleichbare Landes- oder Gemeindespitäler.

Wie wichtig diese Weichenstellung für die Zukunft war, zeigt, daß damals wie heute nahezu ein Drittel aller Betten allgemeiner Krankenanstalten in Österreich sich in Ordenskrankenanstalten befinden. Oberösterreich ist jenes Bundesland, das die meisten Ordenskrankenanstalten mit öffentlichkeitsrecht aufweist. Hier beträgt der Anteil bei den allgemeinen Krankenanstalten mehr als ein Drittel. Seit 1958 wurden für Ausbau und Verbesserung der Ordenskrankenanstalten Oberösterreichs, die heute durchaus allen Anforderungen moderner Behandlungsmethoden und medizinischer Einrichtung entsprechen, mehr als 400 Millionen Schilling investiert.

Wohl hat es an Krisen auch hier nicht gefehlt. Als vor Jahren das allgemeine öffentliche Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Linz geschlossen werden sollte, wurden viele Kräfte mobilisiert, um dieses bekannte und beliebte Haus zu erhalten. Im wesentlichen war dies alles nur möglich,

• weil schon 1957 Landeshauptmann Dr. Gleißner (VP) und Landesrat Plas- ser (SP) ein System der Betriebsabgangsdeckung dem Landtag zur Beschlußfassung vorgelegt hatten;

• weil der Arbeitsertrag des geistlichen Personals in Ordenskrankenhäuser zum Großteü wieder im eigenen Krankenhaus V erwendung findet.

Schließlich scheint entscheidend: Schwestern und Brüder führen „ihr Krankenhaus” unbürokratisch, mit der Hingabe an die ihnen gestellte Aufgabe und sie sehen, im Dienst am erkrankten Mitmenschen eine besonders wichtige Manifestation christlicher Nächstenliebe.-

Es erhebt sich natürlich immer wieder die Frage, ob nicht die Orden ihren zeitgemäßen Dienst am erkrankten Nächsten auch oder besser erfüllen könnten, wenn sie sich vom Ballast der eigenen Krankenhäuser befreien und nur den Landes- und Gemeindespitä- lem ihr geistliches Personal zum Pflegedienst zur Verfügung stellen. In diesem Rahmen können nicht alle Gründe Eingeführt werden, die für eigene Ordenskrankenanstalten sprechen. Einige seien genannt:

• Ausländische Beispiele (Schweden, Großbritanien) zeigen, wie nachteilig es sich auswirken kann, wenn der Erkrankte keine Wahlmöglichkeit hat, wem er sich hier zur Behandlung und Pflege anvertrauen will. Die Ordenskrankenanstalten sollen eine echte Alternative zu den Krankenanstalten der Gebietskörperschaften bieten.

• Die Ordenskrankenanstalten bemühen sich, in der ganzen Atmosphäre des Hauses und in der persönlichen Betreuung des Patienten die Ganzheit des Menschen als Wesen mit Leib und Seele zu sehen und sich nicht auf die technische Behandlung körperlicher Leiden zu beschränken.

• Es ist notwendig, daß geistliche Schwestern und Ordensbrüder voll dispositionsfahig sind und das ist eben nur im ordenseigenen Krankenhaus der Fall.

• Organtransplantationen, die Diskussionen um aktive und passive Sterbehüfe, um künstliche, oft qualvolle Lebensverlängerung durch medizinische Kunstkniffe, um die Tötung des Kindes im Mutterleib zeigen auf, wie wichtig heute gerade im Krankenhaus Ethik und richtig verstandene, christliche Moral geworden sind. Gerade in Ordenskrankenhäusem muß das wirksame christliche Gewissen für das Verheilten des ärztlichen und pflegerischen Personals Richtschnur sein. Der Patient muß immer darauf vertrauen können, daß er weder Experimentierobjekt ist, noch nach dem „Nutzwert” seines Lebens beurteilt wird.

Ob die Ordenskrankenhäuser überleben können, hängt nicht zuletzt davon ab, ob es ihnen gelingt, das heute ihnen in der Bevölkerung entgegengebrachte Vertrauen auch in Zukunft zu erhalten. Freilich gehört auch dazu eine wesentliche Vermehrung des Ordensnachwuchses und die wirtschaftliche Sicherung durch ordentliche gesetzliche Vorsorge des Bundes und der Länder. Sie ist heute nicht mehr gegeben. Das Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz hat sich seit seinem Bestehen um Kontakte und Gespräche mit den Ordenskrankenanstalten zur Erarbeitung vernünftiger Lösungen nicht bemüht. Es wäre nicht zum Schaden der Allgemeinheit: Die Ordens krankenhäu- ser Österreichs ersparen allein durch ihre Existenz dem österreichischen Steuerzahler jährlich mehr als 100 Mü- lionen Schilling.

Dieses Ziel wurde nicht erreicht, oder, wenn man optimistisch ist, nur andeutungsweise erreicht. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist in Linz, von einigen Fällen abgesehen, nicht besser als an anderen Universitäten; nüchtern gesagt: Sie ist nicht vorhanden.

Bezüglich der interdisziplinären Kooperation waren zunächst sehr gute Ansätze zu verzeichnen, besonders für die Zusammenarbeit von Ökonomen, Sozialwissenschaftem und Juristen. Daß alsbald der berüchtigte Fachegoismus bremsend wirkte, war an sich nicht überraschend. Dieses Problem hätte bewältigt werden können. Man war miteinander im Gespräch und auch bereit, die Probleme gemeinsam zu lösen, gegenseitige Interessen zu respektieren. Dieser Prozeß wurde in einem kritischen Stadium durch eine verfehlte organisatorische Maßnahme unterbrochen. Es war dies die Trennung der Sozial-, wirtschafts- und rechtswissenschaftlichen Fakultät in zwei Fakultäten, in die Sozial- und wirtschaftswissenschaftliche und in die Rechtswissenschaftliche. Der Gesprächsfaden zwischen diesen wissenschaftlichen Bereichen ist dann praktisch gerissen. Die einen wissen nichts mehr von den Problemen der anderen, weil sie sich nicht mehr in gemeinsamen Gremien zur gemeinsamen Aussprache zusammenfinden, die Fachisolation - ohnehin die große Gefahr auf den Universitäten - wurde organisiert.

Zu der anderen übergreifenden Kooperation, der technischen Naturwissenschaften einerseits und der Praxis andererseits, ist es kaum in Ansätzen gekommen. Für die Entwicklung und Etablierung der technischen Naturwissenschaften war es von besonderem Nachteü, daß der Kontakt zwischen Wissenschaft und Praxis nicht zustande kam.

Soweit man es überblicken kann, wird der Schwerpunkt dieser Fakultät in der Ausbildung für das Lehrfach hegen. Dieses Lehrfach war in der ursprünglichen Konzeption überhaupt nicht vorgesehen, und zwar aus zweierlei Gründen: einerseits waren die Kapazitäten der anderen universitären Einrichtungen schon mehr als ausreichend, um diesen Ausbildungsbedarf zu decken, anderseits sollten eben alle Mittel und Kräfte auf das Linzer Spezifikum konzentriert werden. Das ursprüngliche Konzept wurde eben - weil nicht zweckmäßig, weil nicht zielführend - geändert, ein neues Ziel wurde angestrebt. Die Zieländerung wurde aber nicht auf der Basis neuerer und besserer Erkenntnisse vorgenommen, sondern man hat das ursprüngliche Ziel nach und nach einfach aus den Augen verloren. Diese Entwicklung ist nicht verwunderlich: Die für die Gründung der Universität zuständigen Instanzen haben die Universität allzu früh in die Autonomie entlassen,

Resümierend ist festzustellen: Die Linzer Universität ist ein Faktum, ein anerkanntes Faktum; sie ist etabliert, hat Name und Ruf, leistet solide Arbeit in der Lehre, Überdurchschnittliches in der Forschung, sie kann sogar als Paradestück der Neugründungen bezeichnet werden. Sie ist aber zweifellos auch ein Beispiel der versäumten Gelegenheiten.

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