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Warum und wie sich ein P verflüchtigt

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Sie haben ja nicht einmal ein Programm!, wurde Heide Schmidt nach dem Wahlerfolg des Liberalen Forums in Niederösterreich von der mißmutigen Konkurrenz vorwurfsvoll entgegengehalten. Ein Vorwurf, der eigentlich an die Forum-Wähler adressiert wurde: Wie kann man denn nur eine Partei ohne Programm wählen! '

Programm, politische Praxis, Persönlichkeit: Diese berühmten drei„P" für eine Partei gelten so schon längst nicht mehr. Wenn überhaupt, dann wurde die Reihenfolge auf den Kopf gestellt.

Die Wähler(innen), die vor dem Weg in die Wahlzelle die Parteiprogramme durchstudiert haben, wird man ja tatsächlich mit der Lupe suchen müssen. Die Programm-Außenwirkung ist heute tatsächlich praktisch Null.

Trotzdem gehört es (noch) zum mystifizierten Teil der Politik wie zum guten Ton, so etwas zu haben. Während daher das Liberale Forum über Programmlinien für eine „Öko-Liberale Marktwirtschaft" nachdenkt, versucht die ÖVP ihre „Öko-Soziale Marktwirtschaft" in ein adaptiertes Parteiprogramm zu integrieren. Die „Grünen Leitlinien" der Alternativen sind so umstritten, wie ihre Anhängerschaft zerstritten ist. Die SPÖ hat nach dem Konzept „Sozialdemokratie 2000" (1989) jetzt „25 Thesen zu den Grundsätzen der Sozialdemokratie" formuliert, um das alte Parteiprogramm zu novellieren. Das FPÖ-Programm, bereits in einer „Villacher Deklaration" und in „Blauen Markierungen" variiert, wollte Jörg Haider überhaupt in der Versenkung verschwinden lassen, und dafür - in der ihm eigenen Bescheidenheit - wie weiland Martin Luther auch seine Thesen anschlagen.

Vorhanden ist noch eine gewisse Innenfunktion (siehe Seite 5), aber auch die ist - so wie die Zahl der Parteimitglieder - im Schwinden. Das hängt eng mit dem Bedeutungsverlust der sogenannten Mitgliederparteien und dem Trend zu Wählerparteien zusammen. Ein klares weltanschauliches Profil, das ständig zur Rechtfertigung zwingt, was man und warum man überhaupt etwas vertritt, steht jeder Politik im Weg, die - von moderat bis rabiat -auch opportunistischen Interessen und/ oder kurzfristigen populistischen Trieben folgt.

Kurzum: Eine auf Stimmenmaximie-rung ausgerichtete Politik kann sich weder viel programmatische Eindeutigkeit noch so etwas wie programmatische Treue leisten. So lösen sich auch Widersprüche auf, die mühsam zu erklären waren.

Das ist allerdings keine These mehr, sondern bereits politische Realität.

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